„Den Rollator nach eigenem Gutdünken aufpeppen“

Konrad Isler ist Industriedesigner und will den Rollator der Zukunft entwickeln. Die ersten Skizzen stehen bereits. Uns erzählt der gebürtige Schweizer, welche Trends es aktuell auf dem Markt gibt und wohin die Reise geht.

Konrad Isler | Foto: Christian Liebermann

Redaktion: Ihre Firma Konrad Isler Formdesign ist auf die Gestaltung von Produkten und Verpackungen spezialisiert. Wie kommen Sie von der Milchtüte zum Rollator?

Konrad Isler: Ich habe neben meiner Selbstständigkeit als Verpackungsdesigner noch ein weiteres Studium absolviert. In dem berufsbegleitenden Masterstudiengang „Ambient Assisted Living“ an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) haben wir Assistenzlösungen für Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen entwickelt. So kam ich von der Verpackung zum Rollator.

Was interessiert Sie als Designer gerade an diesem Hilfsmittel?

Der Rollator wird eine ähnliche Entwicklung erleben wie das Fahrrad oder der Kinderwagen. Die Nachfrage wächst und das Produkt hat noch großes Innovationspotenzial, optisch wie funktional. Elektroantrieb, leichte Materialien wie Carbon, zeitgemäßes und innovatives Design werden dabei eine große Rolle spielen.

Goldgräberstimmung beim Rollator?

Auf den Begriff Aufbruchsstimmung würde ich mich schon einlassen. Gerade bei jungen Start-ups und Neuentwicklungen generell wird nicht bloß hier und da optimiert, sondern das ganze Konzept neu gedacht. Die ersten Rollatoren mit E-Antrieb sind bereits auf dem Markt und verschiedene Forschungsprojekte mit Navigationsfunktion oder Vitaldatenerfassung befinden sich in den Startlöchern.

Manche Nutzer sind mit der Kipphilfe überfordert

Wollen die Nutzer all das überhaupt?

Für manches ist es sicher noch zu früh. Natürlich gibt es schon jetzt jüngere, technikaffine Menschen, die auf einen Rollator angewiesen und gegenüber neuen assistiven Technologien aufgeschlossen sind. Unsere Hauptzielgruppe ist aber die Generation 65 plus. Viele nutzen zwar ein Smartphone; den Rollator wünschen sie sich dennoch so einfach wie möglich. Für einige ist ehrlich gesagt bereits die Ankipphilfe eine Herausforderung.

Da muss ich doch nur den Fuß draufstellen.

Aber dann stehen Sie auf einem Bein. Um sich das zu trauen, braucht es eine Gangsicherheit, die viele ältere Menschen nicht mehr haben. Stattdessen ziehen sie ihren Rollator lieber selbst über die Bordsteinkante.

Das junge Start-up eMovements aus Stuttgart entwickelt elektrische Mobilitätslösungen für Rollatoren / © eMovements

Was bedeutet das für Sie als Designer?

Ich will einen Rollator entwickeln, der sich so intuitiv wie möglich bedienen lässt, gut aussieht und leicht ist. Dazu soll es eine Produktpalette geben, mit der die Menschen ihren Rollator nach eigenem Gutdünken aufpeppen können. Hierfür arbeite ich an einem modularen Rollator, den sich jeder nach seinen ganz individuellen Ansprüchen zusammenstellen kann.

Was wird in dem Baukasten alles drin sein?

Der Begriff Baukasten gefällt mir gut. Ich habe einige Ideen. Aber konkret will ich das Produkt gemeinsam mit den Nutzerinnen und Nutzern entwickeln. Aus den Gesprächen, die ich geführt habe, weiß ich, dass sich viele beispielsweise Abstandssensoren oder Navigationshilfen wünschen, die wie beim Auto ein Signal abgeben, wenn der nächste Bordstein ansteht. Das könnte etwa ein Vibrieren der Griffe sein oder ein kleines Lämpchen.

Kein Piepen?

Wenn neben Ihnen gerade die Müllabfuhr ihrem Tagesgeschäft nachgeht, bleibt von so einem Piepen nicht mehr viel übrig. Da sind andere Feedbacks effektiver. Außerdem wird der Rollator durch das Piepen stigmatisiert. Was aber auf jeden Fall in den Baukasten kommt, sind ein paar gedämpfte Räder zum Wechseln.

Mit Innovationen in die Mitte der Gesellschaft

Widerspricht das nicht Ihrem Vorsatz, den Rollator so leicht wie möglich zu machen?

Die Frage ist, für welche Gelegenheit ich die Gehhilfe brauche. Die meisten Leichtgewichtrollatoren haben nicht nur einen Rahmen, der kaum noch was wiegt, sondern auch extrem dünne Reifen. Auf glattem Asphalt ist das super. Laufe ich mit dem jedoch über Kopfsteinpflaster, fehlt die Federung. Eine ältere Dame, die ich letztens getroffen habe, hatte einen tollen, nagelneuen Leichtgewichtrollator und so starke Schmerzen in den Händen, dass sie ihn wegstellen musste.

Auf Elektromotoren setzten Sie nicht?

Wenn wir es schaffen, einen leichteren Elektroantrieb zu entwickeln, bin ich dabei.

Jedenfalls scheint der Rollator in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein.

Das kann man wohl sagen. Nicht umsonst stellt ein ehemaliger Entwickler der niederländischen Firma Bugaboo, die vor allem für ihre stylischen Kinderwagen bekannt ist, jetzt auch Rollatoren her.