Der Kater nach dem Sport

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Die meisten Menschen, die Sport treiben, kennen ihn: den Muskelkater. Er kann von leichten Schmerzen bis hin zum Verlust der Bewegungskontrolle reichen. Im Grunde ist er jedoch unbedenklich und lässt sich leicht therapieren.

Manchmal macht er sich nach besonders intensiven Läufen bemerkbar oder nach einer langen Bergwanderung, auch das Krafttraining im Fitnessstudio oder ein anstrengendes Volleyballspiel kann ihn auslösen: Muskelkater. „Er tritt auf, wenn ich bestimmte Muskelgruppen zu sehr beanspruche, also zu intensiv trainiere oder ungewohnte Bewegungen mache“, sagt Professor Herbert Löllgen, Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) aus Remscheid.

Die muskuläre Ursache sind meist sogenannte exzentrische Belastungen, erklärt Michael Behringer vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Im Unterschied zu einer konzentrischen Kontraktion, bei der sich der Muskel wie beim klassischen Bizepstraining mit der Hantel verkürzt, bremst er bei einer exzentrischen Kontraktion eine Dehnung durch äußere Kräfte ab. Ein Beispiel sind die Ausfallschritte beim Squash- oder Tennisspielen.

Mikrorisse in der Muskulatur

„Wenn also jemand ein guter Läufer ist, aber dann einen Berg hinunterrennt, wird er sich am nächsten Tag mit dem Laufen sicher schwertun“, sagt Behringer. Denn der normale Jogger, der auf eher flachen Strecken unterwegs ist, sei diese exzentrische Belastung durch die Abbremsbewegung bergab nicht gewöhnt. „Ungewohnt und exzentrisch: Das ist die Kombination, die Muskelkater macht“, sagt der Arzt und Leiter der Muskelforschung.

Zwar vermittele der Muskelkater vielen Hobbysportlern das Gefühl: Du hast etwas für Dich getan! Doch der Schmerz könne auch so stark sein, dass es einen Kontrollverlust gibt. „Das kann so weit gehen, dass Sie kaum noch die Treppe runter kommen“, sagt Behringer. Schwimmern passiert das übrigens in aller Regel nicht, bei ihnen gibt es keine exzentrische Belastung. Muskelkater tritt hier meistens nicht auf.

Was beim Muskelkater im Körper genau passiert, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Die These, es handele sich um eine Übersäuerung des Muskels durch Milchsäure (Laktate), gilt längst als widerlegt, betonen Löllgen und Behringer. Stattdessen geht man heute von Mikrorissen in der Muskulatur aus.

Wärme kann gegen die Schmerzen helfen

Aufgrund dieser Risse kommt es zu einer Schädigung struktureller Proteine in der Muskelzelle sowie der Zellmembran, erklärt Behringer. Dadurch wiederum strömen Enzyme und Proteine nach außen. Weil der Organismus während dieser Reaktion merkt, dass etwas nicht in Ordnung ist, schickt er Immunzellen in die gestörte Region. Diese geben einen Stoff frei, der aber den Schmerz verstärkt, indem er Nervenendigungen sensibilisiert. „Das ist die aktuelle Vorstellung davon, was hinter dem Muskelkater steht“, sagt Behringer.

Aus medizinischer Sicht ist er aber harmlos. Es handelt sich um eine leichte Form der Muskelverletzung, die keine dauerhaften Schäden verursacht, wie der Mediziner erklärt. Allerdings sei die betroffene Muskulatur in dieser Phase anfälliger für schwerere Verletzungen. „Daher sollte ich ihn nicht komplett ignorieren und genauso intensiv weitertrainieren. Das könnte nach hinten losgehen.“ Eine der besten Methoden, den Muskelkater zu therapieren, sei weiteres Training, also eine erneute Belastung, findet Behringer. „Die sollte aber nicht so sein, dass man den Muskel einer erneuten Verletzung aussetzt.“

Löllgen spricht daher vom „Regenerationstraining“: Man betreibt den Sport unter Muskelkater also weniger intensiv und hält sich mit dem Ehrgeiz etwas zurück, erklärt der frühere Chefarzt des Klinikums Remscheid. Auch Wärme in Form eines Bades oder Saunaganges helfe. Massagen seien nur ratsam, wenn sie nicht zu intensiv sind.

Aufwärmen nicht vergessen

Auch Fitnesstrainer, die häufig mit Breitensportlern zu tun haben, setzen sich mit dem Muskelkater auseinander. Den Rat, sich vor dem Sport ausgiebig zu dehnen, geben sie ihren Schützlingen heutzutage aber nicht mehr. „Besser ist es, sich vor dem Training aufzuwärmen“, sagt Michael Branke, Pädagogischer Leiter der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung (DFLV) in Baunatal.

Aufwärmen heißt zum Beispiel: laufen oder auf der Stelle hüpfen, um den Kreislauf anzuregen und leicht zu schwitzen. Zudem rät Branke dazu, sich auch sportartspezifisch vorzubereiten: Ein Fußballer sollte beim Aufwärmen mehr an die Beine denken, ein Handballer zudem etwas mit den Armen machen. Branke hat übrigens die Erfahrung gemacht, dass Muskelkater mit fortschreitendem Alter häufiger vorkommt. „Wenn ich nicht regelmäßig trainiere, bekomme ich ihn eher als früher“, räumt der 50-Jährige ein. „Dabei gibt es aber individuelle Unterschiede, das trifft also nicht auf jeden zu.“

Die unter Bodybuildern kursierende Auffassung, dass es ohne Muskelkater keinen Trainingseffekt in Form eines Muskelwachstums gibt, teilt Branke nicht. Stattdessen empfiehlt er, die Intensität beim Sporttreiben langsam zu steigern und regelmäßig zu üben. „Dann tritt Muskelkater eher selten auf.“ Oder wie es Behringer sagt: „Man sollte dem Körper Zeit geben, sich an die höhere Belastung anzupassen. Dann ist alles gut.“

Von Matthias Jung (dpa)