„Dich hatte ich mir anders vorgestellt …“

© avant-verlag

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Wie fühlt sich ein Mann, der gerade Vater geworden ist und erfährt, dass seine neugeborene Tochter eine geistige Behinderung hat? Antwort auf diese Frage gibt Fabien Toulmé in seiner autobiografischen Graphic Novel (dt. illustrierter Roman) – und ist dabei erstaunlich offen.

Fabien Toulmés Frau Patricia ist zum zweiten Mal schwanger. Die beiden freuen sich und sind auf dem Weg zum ersten großen Ultraschall. Ein aufregendes Ereignis, denn bei der Untersuchung misst die Gynäkologin nicht nur das erste Mal den Herzschlag des ungeborenen Kindes, sondern auch seine Nackentransparenz.

Die Nackentransparenz ist ein Ödem, das sich während der ersten sechs Schwangerschaftsmonate am Nacken des Embryos bildet. Beträgt die Falte in der elften Woche weniger als 2,2 Millimeter, erklärt die Ärztin, geht das Risiko, dass das Kind das Down-Syndrom hat, gegen Null. Das Testergebnis besagt: alles normal. „Sie haben eine größere Chance, im Lotto zu gewinnen als ein Kind mit Trisomie 21 zu bekommen“, gratuliert die Gynäkologin.

Doch die Ärztin hat sich geirrt, ihre Tochter Julia hat das Down-Syndrom. Für den Vater Fabien bricht eine Welt zusammen. Wie sehr ihn die Diagnose schockiert und wie lange er braucht, Julia mit ihrer Behinderung als seine Tochter zu akzeptieren, davon handelt seine Graphic Novel „Dich hatte ich mir anders vorgestellt …“

Vielleicht hätte die Tochter nicht überleben sollen?

Fabien Toulmé hat Angst – vor den Blicken anderer Leute, aber auch vor der Verantwortung. „Werden wir uns ein Leben lang um sie kümmern müssen?“, fragt er sich. Schon wenige Wochen nach der Geburt muss Julia operiert werden. Sie hat einen Herzfehler, eine sogenannte Fallot-Tetralogie. Als Toulmé davon erfährt, ertappt er sich bei dem Gedanken, dass es vielleicht am Besten wäre, wenn Julia den Eingriff nicht überlebt.

Solche Gedanken erschrecken den Leser heute so wie sie den Vater damals erschreckt haben. Schrittweise und ohne jedes verschleiernde Pathos macht das Buch den Prozess der Annäherung des Vaters an seine Tochter erfahrbar. An keiner Stelle versucht Toulmé seine Gefühle zu verbergen, oder sich in ein besseres Licht zu rücken. Selbst, dass er Monate brauchte, bis er Julia auf den Arm nehmen und sie schließlich als sein Kind akzeptieren konnte, gibt der Vater offen zu.

Vom Spiel der Farben

Toulmés Gefühlschaos spiegelt sich in den Farben der Illustrationen. Die meisten Bilder der Kapitel – besonders die ersten – sind blau, grün, grau. Vor allem sind sie dunkel. Die bestimmenden Gefühle sind Angst und Selbstzweifel und das lassen die Illustrationen auch spüren.

Doch daneben gibt es auch schöne Momente: Als Familie Toulmé nach der Geburt aus den Pariser Banlieues (dt. Vorstadt) in das beschauliche Aix-en-Provence zieht, ist das für sie ein Neuanfang. Die Toulmés fühlen sich, als wären sie im Urlaub, sitzen gemeinsam mit ihren beiden Kindern im Café – hier strahlen die Zeichnungen in sattem Gelb. Als Toulmé seine Tochter das erste Mal alleine badet, leuchtet das Badezimmer in zartrosa.

 

In der Besonderheit eine neue Welt entdecken

Hilfreich ist auch Toulmés Humor – für ihn selbst wie für den Leser. Hadert er zu Beginn noch tränenreich und voller Selbstmitleid mit seinem väterlichen Schicksal, lässt er alsbald drei Chromosomen miteinander reden und überlegen, wer sich denn nun mit wem paaren darf.

Mit Hilfe einfacher Zeichnungen erklärt er, wie Trisomie 21 entsteht und welche unterschiedlichen Ausprägungen es gibt. Leicht verständlich – kinderleicht sozusagen. Überhaupt glaubt man in der oft spielerischen Auseinandersetzung, im unverstellten Blick auf Gefühle und Realitäten, das Kind Toulmé selbst zu sehen. Eines, das seine Gefühle nicht verbergen kann und das durch die Besonderheit seiner Tochter – wenn auch nicht ganz freiwillig – eine neue Welt für sich selbst entdeckt.

Am Ende ist Toulmé ganz vernarrt in seine Julia. Und das Schöne daran ist: Dieses Gefühl lässt sich begreifen. Es ist echt.

„Dich hatte ich mir anders vorgestellt“ ist im Avant-Verlag erschienen und kostet 24,95 Euro.

 

Verlosung_Buch

 

Wir verlosen das Buch!

Wir verlosen ein Exemplar der Graphic Novel „Dich hatte ich mir anders vorgestellt“. Um an der Verlosung teilzunehmen, schicken Sie einfach eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten an redaktion@igp-magazin.de. Betreff „Gewinnspiel: Dich hatte ich mir anders vorgestellt”. Einsendeschluss ist der 31. März 2016.

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, eine Barauszahlung ist nicht möglich. Teilnehmen dürfen alle, ausgenommen Mitarbeiter der beteiligten Firmen und deren Angehörige. Pro Person ist die Teilnahme nur mit einer einzigen E-Mail gestattet. Bei mehreren Einsendern entscheidet das Los. Der Gewinner des Preises wird benachrichtigt. Die personenbezogenen Daten werden nur zum Zwecke der Durchführung dieses Gewinnspiels gemäß der datenschutzrechtlichen Bestimmungen erhoben, verarbeitet und genutzt. Mit dem Absenden der E-Mail akzeptiert der Teilnehmer diese Teilnahmebedingungen.