Im Alter kommen Sehstörungen oft über Nacht

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Zuerst bemerken Betroffene bei der Altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) des Auges gar nichts. Oft erscheinen erst in einem späteren Stadium zum Beispiel gerade Linien krumm. Bei ersten Anzeichen sollte man unbedingt zum Augenarzt gehen.

Der Verlust der Sehschärfe kommt häufig über Nacht: Gerade Linien erscheinen plötzlich krumm, der Fensterrahmen hat einen Knick, oder die Gesichtszüge des Nachbarn sind nicht mehr zu erkennen. Wer an der Spätform einer bestimmten Netzhaut-Erkrankung leidet – der sogenannten Altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) –, nimmt seine Umgebung nur noch verschwommen oder verzerrt wahr.

Etwa 4,5 Millionen Menschen in Deutschland sind nach Schätzungen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft an einer frühen oder späten Form der AMD erkrankt. „Der wichtigste Risikofaktor ist das Alter“, erklärt Professor Frank Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn. Mit dem Alter werden Ablagerungen im Auge wahrscheinlicher, die Entzündungen auslösen und die Zellen der Netzhaut schädigen. Ein besonders sensibler Bereich der Netzhaut ist die Makula. Das ist der Bereich, der für das scharfe Sehen verantwortlich ist. Sterben hier Zellen ab, kommt es zu blinden Flecken im Sichtfeld.

Mit der Spritze direkt ins Auge

Viele Betroffene bemerken lange Zeit nichts von ihrer Erkrankung, denn „bei den frühen Formen gibt es meistens nur geringfügige Seheinschränkungen“, sagt Frank Holz. In der Regel schreitet die Krankheit aber voran. Die Folge sind massive Beeinträchtigungen der Sehfähigkeit. Die Makuladegeneration kann sich in zwei Richtungen entwickeln: eine trockene Form, bei der sich die Sehschärfe langsam verschlechtert, und eine feuchte Form, die sehr aggressiv verlaufen kann. „Bei der trockenen Form gehen die Zellen unmittelbar zugrunde“, erklärt Frank Holz. „Bei der feuchten Form wachsen undichte Gefäße ein, die zu einer Schwellung der Netzhautmitte führen.“

In der Vergangenheit wurden alle Patienten mit einer feuchten Makuladegeneration innerhalb weniger Jahre blind. Mittlerweile kann man die Krankheit in vielen Fällen behandeln. Dazu spritzt man – unter örtlicher Betäubung – ein Medikament in das betroffene Auge. „Das ist erst einmal kein sehr angenehmer Gedanke“, sagt Holz. „Die Therapie wird von den Patienten aber sehr gut toleriert.“ Allerdings muss das Medikament in vielen Fällen häufig und über einen langen Zeitraum verabreicht werden. Eine Injektion wirkt etwa vier Wochen lang. Wie oft man eine Spritze braucht, hängt vom Einzelfall ab.

„Bei manchen Patienten verbessert sich die Sehfähigkeit wieder, in anderen Fällen lässt sich der Krankheitsverlauf weniger gut beeinflussen“, erklärt Holz. Je früher man mit dem Spritzen beginnt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Therapie gut wirkt. Daher rät Holz den Betroffenen dringend, möglichst rasch einen Augenarzt aufzusuchen, wenn sie erste Symptome bemerken. Generell empfiehlt Holz allen über 50-Jährigen, in gewissen Abständen Früherkennungsuntersuchungen beim Augenarzt wahrzunehmen – auch um andere altersbedingte Augenerkrankungen rechtzeitig zu erkennen.

Verhindern lässt sich der Ausbruch der Krankheit nicht

Um eine AMD zu diagnostizieren, prüft der Arzt die Sehschärfe und setzt verschiedene bildgebende Verfahren ein. Zur Verlaufskontrolle steht die hochauflösende Optische Kohärenztomografie (OCT) zur Verfügung. Dabei wird die Netzhaut mit Laserstrahlen abgetastet, ohne dass das Auge berührt wird. So lässt sich erfassen, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist.

Während die feuchte Form der AMD gut behandelt werden kann, gibt es gegen die trockene Form noch keine anerkannte Therapie. „Die Diagnose lässt Betroffene zunächst einmal in ein tiefes Loch fallen“, sagt Gretel Schmitz-Moormann von der Selbsthilfe-Organisation Pro Retina. Die 78-Jährige, deren eigene Sehkraft inzwischen nur noch bei zwei Prozent liegt, berät seit Jahren Menschen mit einer Makuladegeneration. Sie habe ihre Krankheit angenommen: „Für mich kann ich sagen, dass ich dadurch viel Gutes erfahren habe. Ich habe viele beeindruckende Menschen kennengelernt, neue Freundschaften sind entstanden“, sagt die AMD-Patientensprecherin. „Manchmal muss ich aufpassen, dass ich Anrufer, die gerade erst von ihrer Krankheit erfahren haben, mit meinem Optimismus nicht überfordere. Sie haben noch einen weiten Weg vor sich.“

Verhindern lässt sich der Ausbruch nicht. Denn neben dem Alter sind vor allem genetische Faktoren entscheidend. Allerdings kann man durch seinen Lebensstil das Erkrankungsrisiko und den Verlauf der Krankheit ein wenig beeinflussen. Rauchen und vitaminarme Ernährung erhöhen das Risiko und verschlechtern die Symptome.

Die Datenlage ist widersprüchlich

Umgekehrt gibt es Hinweise, dass sich eine besondere Ernährung bei einer trockenen AMD positiv auswirkt. Dabei spielt der vitaminähnliche Stoff Lutein, der vor allem in grünem Gemüse enthalten ist, eine wichtige Rolle. An der Universität Jena kam eine Langzeitstudie mit 240 AMD-Patienten zu dem Ergebnis, dass luteinreiche Kost zu einem Anstieg des Makula-Pigments im Auge führe. „Die Patienten spüren effektiv eine Stabilisierung des Sehvermögens und eine Verbesserung des Kontrastsehens“, erklärt der Initiator der Studie, Professor Jens Dawczynski.

Es gibt auch Hinweise, dass es hilft, häufig Seefisch zu essen. Nahrungsergänzungsmittel, die Omega-3-Fettsäuren enthalten, bringen aber wohl eher nichts. „Hier ist die Datenlage widersprüchlich“, erklärt Dawczynski. Er empfiehlt daher, Omega-3-Fettsäuren vor allem mit der natürlichen Nahrung zu sich zu nehmen: „Lachs mit Spinat oder Hering mit Grünkohl sind beispielsweise hervorragende Augenmahlzeiten“, sagt der Experte.

Von Caroline Mayer (dpa)