„Mann oh Mann, mein Testosteron!“

Prof. Dr. Sommer © maennergesundheit.info

Prof. Dr. Sommer © maennergesundheit.info

Männer trinken etwa sechsmal so viel Bier wie Frauen und essen fast doppelt so viel Fleisch. Trotzdem gehen nur verschwindend geringe 13 Prozent von ihnen zur Vorsorge. Die Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit (DGMG) will nun Männer anders ansprechen. Der Präsident der DGMG Frank Sommer erklärt, was das bedeutet und verrät, warum der Penis einer der wichtigsten Indikatoren für die Gesundheit des Mannes ist.

Redaktion: Warum sterben Männer im Schnitt immer noch fünf Jahre früher als Frauen?

Frank Sommer: Das liegt an den Genen, aber auch am persönlichen Lebensstil. Wie genau die Anteile zwischen der DNA und den äußeren Faktoren, also Ernährung, Bewegung oder Stress, verteilt sind, lässt sich bislang allerdings nicht sagen. Sicher ist jedoch, dass wir Männer aufholen – zumindest statistisch.

Was meinen Sie mit „zumindest statistisch“?

Früher starben Männer in den Industrienationen sogar noch gut sieben Jahre eher. Dass der Abstand heute geringer ist, liegt allerdings auch daran, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen in den letzten Jahren abgenommen hat. Ihr Risikoverhalten gleicht sich gewissermaßen dem der Männer an. Ihr Vorteil ist allerdings, dass Frauen allgemein ein besseres Körpergefühl haben und ab der Pubertät daran gewöhnt sind, zum Gynäkologen zu gehen und auf ihre Gesundheit zu achten. Eine Frau, die über Wochen niedergeschlagen ist oder ständig Reizhusten hat, geht in der Regel zum Arzt.

Und ein Mann tut das nicht.

Die meisten Männer erdulden ihre Leiden tatsächlich so lange, bis es nicht mehr geht.

Viele Männer wollen nicht warten

Ist das nicht ein Klischee?

Ja, aber eines das zutrifft. Viele von uns verwenden ihren Körper, um Ziele zu erreichen. Geht es um die Karriere, verzichten wir auf ordentliche Mittagspausen, trösten uns mit Junkfood, ignorieren, dass wir immer dicker werden und dass der Blutdruck von Monat zu Monat steigt.

Schon gecheckt?

Diese Vorsorgeuntersuchungen werden für Männer empfohlen:

Hautkrebs-Screening – ab 35 Jahren
Der Arzt untersucht den ganzen Körper. Das Screening sollte alle zwei Jahre, am besten in Verbindung mit der zweijährlichen Gesundheitsuntersuchung (Check-up 35) durchgeführt werden. Beim Check-up geht es darum, chronische Erkrankungen wie Diabetes auszuschließen bzw. ihnen vorzubeugen.

Krebsfrüherkennung ­– ab 45 Jahren
Mit den Händen tastet der Arzt die äußeren Genitalien, Prostata und Lymphknoten ab. Empfohlen wird eine jährliche Tastuntersuchung.

Darmkrebsprophylaxe – ab 50 Jahren
Der Arzt untersucht den Stuhlgang auf okkultes Blut, also auf Blut, das mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen ist. Ab 50 jährlich; ab 55 alle zwei Jahre.

Dickdarmspiegelung – ab 55 Jahren
Der Dickdarm wird auf Polypen und Dickdarmkrebs untersucht. Polypen sind zunächst gutartige Schleimhautwucherungen, die über die Jahre jedoch oft bösartig werden. Die Untersuchung sollte zweimal im Abstand von zehn Jahren durchgeführt werden.

Ist das Leugnen von gesundheitlichen Problemen wirklich der einzige Grund, weshalb Männer den Arztbesuch meiden?

Ein Großteil fürchtet sich zudem vor schlechten Nachrichten und nahezu jeder Zweite hat schlicht keine Lust zu warten. Das ist zumindest das Ergebnis einer repräsentativen Studie, die wir 2011 durchgeführt haben.

Wenn im Oktober die Reifen gewechselt werden müssen, haben Männer doch auch kein Problem, mal eine Stunde im Foyer zu sitzen.

Und genau hier müssen wir ansetzen. Der Erfahrung nach erreichen wir Männer nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit Themen, die sie wirklich interessieren.

Und das ist nicht die Gesundheit?

Das sind Sport, Autos, der Job – und Sexualität. Ich hatte mal einen Patienten, der war Anfang 40, Hochleistungssportler und super fit. Dann wechselte er in die Wirtschaft, ging nicht mehr laufen, nahm binnen eines Jahres gut zehn Kilo zu und bekam Erektionsstörungen. Als ich ihm sagte, dass er – wenn er so weitermacht – Risiko läuft, in den nächsten Jahren einen Herzinfarkt zu bekommen, interessierte ihn das herzlich wenig.

Was überzeugte ihn?

Ich erzählte ihm von einer Studie, die zeigte, dass wir Männer durch eine Lebensstiländerung auch unsere Potenz wieder steigern können. Das Argument zog. Er hörte zu, kramte zu Hause seine Laufschuhe heraus und war nach einem Jahr wieder fit – nicht nur beim Joggen, sondern auch im Bett.

„Auch ein Ferrari muss mal zum Boxenstopp“

In der Wochenzeitung „Die Zeit“ wurden Sie mit den Worten zitiert, dass der Penis einer der wichtigsten Indikatoren für die Gesundheit des Mannes ist. Was heißt das konkret?

Im Penis sitzen die kleinsten und leistungsfähigsten Gefäße unseres Körpers. Durch ihn fließt bis zu 100-mal mehr Blut als durch andere Organe. Sind die Arterien verstopft, steigt das Risiko, in den nächsten vier bis acht Jahren einen Schlaganfall zu bekommen. Oft ist mangelnde Potenz auch ein Zeichen für eine Depression. Wie es uns Männern im Bett geht, sagt daher viel über unsere Gesundheit aus.

Ist Männern das bewusst?

Wohl eher nicht. Doch in den letzten Jahren ist die Hemmschwelle, wegen Erektionsstörungen zum Arzt zu gehen, glücklicherweise gesunken. Dieser muss dann schauen, was die Ursache des Problems ist und wie es sich beheben lässt. Mit unserer aktuellen Aufklärungskampagne „Mann oh Mann – Mein Testosteron“ versuchen wir Männer zusätzlich für das Thema zu sensibilisieren.

Die Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit fordert eine „Spezialsprache“, um Männer anzusprechen. Wie soll die aussehen?

Klare Ansagen machen und wie gesagt auf Themen setzen, die Männer tatsächlich interessieren. Um Männer zur Vorsorge zu motivieren, nutzt das Portal Männergesundheit der BKK Landesverbände Bayern und Süd beispielsweise den Slogan „Auch ein Ferrari muss mal zum Boxenstopp“. Ich finde das super.