Mit dem Bänderriss unters Messer?

Mit dem Bänderriss unters Messer?

© picture alliance/dpa Themendienst

Sie tun sehr weh, bleiben in vielen Fällen aber ohne Folgeschäden: Bänderrisse. Bei Sportlern treten sie häufig im Sprunggelenk und dem Knie auf. Außenbandrisse am Knöchel verheilen in der Regel von selbst, beim Kreuzband ist aber der Chirurg gefragt.

Die deutsche Fußball-Nationalspielerin Simone Laudehr stand in Rio de Janeiro nur 14 Minuten auf dem Platz, da war das Olympische Turnier für sie schon vorbei. Eine Verteidigerin des Gegners Simbabwe trat der Stürmerin in der ersten Vorrundenpartie so heftig auf den linken Knöchel, dass das Außenband im Sprunggelenk riss. Auf eine Operation wird an diesem Band aber meistens verzichtet. So war es auch bei Laudehr, erklärt der deutsche Mannschaftsarzt Ingo Tusk, Chefarzt der Sportorthopädie und Endoprothetik in den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken. „Nach einigen Wochen fing sie schon wieder an zu trainieren.“

Was Laudehr passierte, kann auch jedem Breitensportler widerfahren, denn eine Außenbandruptur ist eine der häufigsten Sportverletzungen. Bänderrisse sind sehr schmerzhaft und kommen im Sport, aber auch im Alltag, an unterschiedlichen Stellen vor. Besonders oft dort, wo viel Gewicht auf den Gelenken lastet – etwa am Knie oder Fuß, erklärt Patrik Reize, Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Klinikum Stuttgart. „Das heißt am oberen Sprunggelenk, gefolgt vom Kniegelenk und hier besonders dem vorderen Kreuzband.“ Manchmal knickt auch der Daumen ab, und das innenseitige Seitenband reißt. Im Volksmund spricht man dann vom Skidaumen. Auch am Ellenbogen gibt es häufig Bänderrisse.

Bei der OP wird das Außenband durch eine körpereigene Sehne ersetzt

Wenn man nicht gerade wie die Fußballerin Laudehr gefoult wird, reißen Bänder als Folge spontaner Traumata, erklärt Reize: Man knickt beim Volleyballspielen um, bleibt beim Kicken im Rasen hängen, rutscht auf Glatteis aus und stürzt dabei auf Hand und Ellbogen. Manchmal aber hätten die Patienten schon zuvor mehrfach kleinere Bandverletzungen erlitten, die irgendwann zum Riss führten.

Als Erste-Hilfe-Maßnahme nach einem Bänderriss empfiehlt Reize, der „PECH-Regel“ zu folgen: sofort pausieren (P), um dem Gelenk Ruhe zu verschaffen. Dann den verletzten Bereich mit Eis (E) kühlen und mit einer Binde komprimieren (compression: C), um der Schwellung entgegenzuwirken. Dabei das Bein oder den Arm hochlegen (H).

Ob danach operiert werden muss oder der Patient ohne Eingriff davonkommt, hängt besonders vom Typ des Bands ab – aber auch davon, ob es Begleitverletzungen am Knochen gibt. „Die meisten Bänderrisse im Sprunggelenk heilen eigentlich von selbst, wenn es nicht gerade das Innenband betrifft“, sagt Tusk. Der klassische Außenbandriss wird in der Regel konservativ mit einem Tapeverband behandelt. „Beim Kreuzband geht das aber gar nicht. Es heilt in den wenigsten Fällen von alleine“, sagt der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP). Um eine OP kommt der Verletzte dann nicht herum.

Bei dem Eingriff werden die Bänder nur in wenigen Fällen direkt zusammengenäht, sagt Reize. Ist das Außenband im Sprunggelenk gerissen, wird es durch eine körpereigene Sehne ersetzt. Ärzte sprechen von einer Ersatzplastik. „Hierzu nimmt man entweder Knochenhaut des Wadenbeins oder Sehnen von der Fußaußenseite“, sagt Reize. „Diese stabilisieren dann Wadenbein, Sprung- und Fersenbein.“ Ist das Kreuzband gerissen, gehen Ärzte einen ähnlichen Weg: Sie entnehmen eine Sehne von der Knieinnenseite, die dort nicht zwingend gebraucht wird. Diese Sehne zieht der Operateur durch das Kniegelenk und befestigt sie am Knochen. Wenn das gut gelingt, fühlt sich das Knie nach einer Rehaphase für den Patienten fast wieder normal an.

Eine Bandruptur kann Langzeitfolgen haben

Die anschließende Krankengymnastik dauert nach einer OP allerdings länger als ohne Eingriff. „Das Gelenk wird ja eine Zeit lang ruhig gestellt“, sagt Michael N. Preibsch vom Deutschen Verband für Physiotherapie. Dadurch bauen die umliegenden Muskeln stärker ab. Auch die Wundheilung braucht Zeit. Insgesamt dauert es dem Physiotherapeuten zufolge mindestens ein halbes Jahr, bis ein Kreuzbandriss vollständig verheilt ist.

Anders ist es nach einem Bänderriss im Sprunggelenk. Die sind nämlich in Gelenkkapseln eingebettet und wachsen normalerweise von allein wieder zusammen. Daher sollte der Betroffene in diesem Fall früh mit Physiotherapie anfangen. Das Gelenk wird dabei mobilisiert, und der Therapeut zeigt dem Patienten Gleichgewichtsübungen, die er zu Hause weitermachen kann. In der Regel verheilt die klassische Sprunggelenksverletzung – der Außenbandriss – nach sechs bis zwölf Wochen.

Manchmal kann eine Bandruptur aber auch Langzeitfolgen nach sich ziehen. Sei ein Band komplett gerissen und wachse unzureichend zusammen, verliert das Gelenk an Stabilität, erklärt Reize. Zudem kann es zur Abnutzung des Knorpels und damit einer Arthrose kommen. „Wenn aber alles schön verheilt und das Band nicht über eine große Strecke gerissen war, kann man über viele Jahre Ruhe haben.“

Sportler können aber auch etwas tun, um ihr Risiko für einen Bänderriss zu verringern. Tusk und Reize raten, sich vor dem Sport immer gut aufzuwärmen. Koordinationstraining schult die Körperwahrnehmung. Wer seinen Körper gut beherrscht, verletzt sich seltener. Auch Kraft- und Ausdauertraining helfen, weil sie den Körper stabilisieren.

Von Matthias Jung (dpa)