Schmerzen in der Sehne nicht ignorieren

Schmerzen in der Sehne nicht ignorieren

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Arbeit am Computer, immer gleiche Bewegungen beim Sport oder stundenlange Gartenarbeit – all das kann zu einer Sehnenscheidenentzündung führen. Wer die Schmerzen ignoriert, riskiert einen chronischen Verlauf.

In die Praxis des Orthopäden Christoph Eichhorn kommt eine Patientengruppe besonders häufig mit schmerzenden Handgelenken: „Es sind junge Mädchen, die mit dem Füllfederhalter Klassenarbeiten schreiben und eine sehr verkrampfte Handhaltung haben.“ Ihr Handgelenk tut weh, der Schmerz zieht in den Unterarm, an das Schreiben der nächsten Arbeit ist nicht zu denken. Die Diagnose lautet dann häufig Sehnenscheidenentzündung, lateinisch Tendovaginitis. Verursacht wird sie meist durch mechanische Überbelastung. Ist die Sehnenscheide entzündet, muss sie entlastet werden. Sonst drohen bleibende Schäden.

Neben Schreibkräften und Menschen, die am Computer arbeiten, sind Musiker und Sportler häufig betroffen. Auch wer ungewohnte Tätigkeiten wie plötzlich sehr viel Gartenarbeit erledigt, kann sich eine Sehnenscheidenentzündung zuziehen. „Sie entsteht durch zu hohe Belastung für zu schwache Muskeln“, fasst René Conrads, Orthopäde in Köln, das Problem zusammen. Sehnen verbinden Muskeln mit Knochen. An besonders stark beanspruchten Stellen verlaufen sie in Hüllen, sogenannten Sehnenscheiden. Sie sind mit einer Gelenkschmiere ausgestattet, in der die Sehne gut hin und her gleiten kann. Reibt sie zu stark an der Hülle, entzündet sich diese. Selbst kleine Bewegungen wie das Öffnen einer Wasserflasche werden dann zur Qual. Neben der mechanischen gibt es auch zwei nicht-mechanische Varianten der Entzündung: Sie werden durch Infektionen oder Verletzungen ausgelöst – oder entstehen im Rahmen einer rheumatischen Erkrankung. Beides kommt aber eher selten vor.

Die PECH-Regel

Kommt ein Patient mit schmerzendem Handgelenk in die Praxis, schaut sich der Arzt die Hand zunächst genau an, tastet sie ab und überprüft, wo genau sie wehtut. Außerdem lässt er den Patienten bestimmte Bewegungen machen, um zu testen, wann der Schmerz auftritt. Die Untersuchung kann durch einen Ultraschall ergänzt werden, der typischerweise mehr Flüssigkeit im Bereich der Sehnenscheide zeigt.

In seiner Kölner Praxisklinik behandelt Conrads Sehnenscheidenentzündungen nach der PECH-Regel. Das P steht für Pause. Das Gelenk muss geschont und die Belastung eingestellt werden. Das E stehe für Eis, denn mäßiges Kühlen (3×10 Minuten) lässt Schwellungen zurückgehen. C steht für Kompression und H für hochlegen. Zusätzlich können entzündungshemmende Salben aufgetragen werden, die der Patient vorher ins Eisfach legen kann. Auch entzündungshemmende Tabletten der COX-1- oder COX-2-Gruppe werden manchmal verschrieben. „Die klassischen Orthesen setzen wir kaum noch ein. Wir arbeiten lieber mit Kinesio-Tapes“, erklärt Conrads. Dabei wird ein selbstklebender Tapeverband so am Handgelenk fixiert, das die Sehnenscheide entlastet wird. Ruhiggestellt werden sollte auch das Gelenk, das durch die Sehne mitgebeugt wird.

Am besten warten Patienten gar nicht erst, bis die Sehnenscheide richtig entzündet ist. „Treten Druckschmerz oder Schwellungen auf, sollte man das immer abklären lassen“, sagt Professor Joachim Grifka, der an der Universität Regensburg lehrt. Denn: Ignoriert man den Schmerz, droht er chronisch zu werden. Eine knotige Verdickung oder „Schnellende Finger“ können die Folge sein. Bei dieser Erkrankung lassen sich die Finger nicht mehr richtig beugen und strecken. Eine vorgeschädigte Sehne ist außerdem anfälliger für Verletzungen: „Sie ist leichter von einem Sehnenriss betroffen“, warnt Grifka, der Direktor der Orthopädischen Klinik in der Asklepios Klinik Bad Abbach ist. Den Rat, die Belastung zu reduzieren, nimmt man also besser ernst.

Verhärtete Sehnen weichkneten

Auftreten kann eine Sehnenscheidenentzündung allerdings nicht nur am Handgelenk. Auch der Ellenbogen, die Schulter, der Bereich des Sprunggelenkes oder die Achillessehne sind manchmal betroffen. Tut die Achillessehne weh, kann der Betroffene ein weiches Fersenkissen in den Schuh legen. „Das stabilisiert und lindert Beschwerden“, sagt Grifka. Gegen die Schmerzen hilft manchem auch eine besondere Massage-Technik, die sogenannte Querfriktion. Dabei wird die verhärtete Sehne weichgeknetet. Die Prozedur ist allerdings unangenehm. Auch Akupunktur ist ein beliebtes Mittel. Zu Anfang sollten die Nadeln zwei Mal pro Woche gesetzt werden, erklärt Heilpraktiker Andreas Noll aus München. „Je nach Dauer der Beschwerden und nach individuell unterschiedlicher Reaktionsfähigkeit muss mit zehn Sitzungen gerechnet werden – oder etwas mehr.“

Damit die Sehnen gar nicht erst überlastet werden, achten Büromitarbeiter am besten immer auf eine gute Haltung: Die Tastatur sollte möglichst tief liegen, das Handgelenk in Höhe des Ellenbogengelenks, erklärt Grifka. Sportler sollten ihr Training nur langsam steigern. Sein Fachkollege Eichhorn, der Vorsitzender des Deutschen Orthopäden Verbandes ist, empfiehlt zudem, den Körper zum Beispiel beim Yoga oder Pilates regelmäßig zu dehnen. Musiker profitieren von längeren Aufwärmübungen.

Die fleißigen Mädchen aus Eichhorns Praxis sind meist nach kurzer Schonung fit für ihre nächste Klassenarbeit. Sie müssen aber eine Pause einlegen, wenn die Hand sich verkrampft. Monotone Tätigkeiten unterbrechen oder die Hand ausschütteln – so einfach ist das Vorbeugen.

Von Stefanie Maeck (dpa)