Beschneidung von Mädchen: Nicht wegsehen

Cornelia Strunz, ärztliche Koordinatorin des "Desert Flower Center" mit einer Patientin / © dpa

Cornelia Strunz, ärztliche Koordinatorin des “Desert Flower Centers” in Berlin, mit einer Patientin / © dpa

Niemand mag gerne beim Frühstück über Genitalverstümmelung lesen. Doch wer wegschaut, macht sich schuldig. Vor allem, wenn die Gefahr besteht, dass in Deutschland lebende Mädchen in den Ferien im Ausland dieser Tortur unterzogen werden.

Die Mythen, mit denen die Verstümmelung der weiblichen Sexualorgane gerechtfertigt werden, sind zahlreich. Die Frauen, so heißt es, seien dann „reiner“ und „schöner“. Dabei geht es vor allem darum, ihren Sexualtrieb zu beschneiden und ihnen das Lustempfinden zu rauben. Damit sie keinen anderen Mann anschauen, als denjenigen, den die Familie für sie ausgewählt hat. Damit es für sie keine guten oder schlechten Liebhaber geben kann.

Wenn betroffene Frauen zu Cornelia Strunz in die Sprechstunde kommen, klagen sie oft über Schmerzen beim Wasserlassen. Einige von ihnen sind von der Beschneiderin so zugenäht, dass Geschlechtsverkehr kaum möglich ist, andere fürchten sich vor der Entbindung. „Manche Frauen möchten operiert werden, damit sie Kinder bekommen können, andere wollen einfach ihre Weiblichkeit zurückhaben“, sagt die Ärztin. Im Berliner Krankenhaus Waldfriede berät die Generalsekretärin der Desert Flower Foundation Deutschland Opfer weiblicher Genitalverstümmelung. Ein Mal pro Monat treffen sich im Krankenhaus Frauen in einer Selbsthilfegruppe.

Genitalverstümmelung gilt in Deutschland als gefährliche Körperverletzung

Weibliche Genitalverstümmelung, also die Amputation von Klitoris und/oder Schamlippen, gilt in Deutschland seit 2013 als gefährliche Körperverletzung. In der Regel wissen Zuwanderer aus Somalia, Ägypten und anderen Staaten, in denen diese brutale Tradition immer noch verbreitet ist, dass die „Mädchenbeschneidung“ hierzulande verboten ist. Was viele aber nicht wissen, ist, dass jemand, der in Deutschland lebt, seine Tochter auch nicht im Ausland verstümmeln lassen darf. „Sehr viele meinen, dass es, wenn sie es in ihrem Herkunftsland tun, nicht verboten ist“, sagt Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Bundesfamilienministerium.

Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes sagt, durch den Zuzug der Flüchtlinge in den vergangenen zwei Jahren sei nicht nur die Zahl der betroffenen Frauen hierzulande gestiegen. Auch das Risiko, dass Mädchen, die hier leben, diese Tortur erleiden müssen, sei gewachsen. Deshalb müsse jetzt mehr unternommen werden, um sie zu schützen.

Die Bundesregierung setzt auf den Dreiklang „Aufklärung, Prävention und Strafverfolgung“. Ärzte und andere Fachkräfte, die beruflich mit Migranten zu tun haben, sollen Informationen erhalten. Frauen, deren Familien selbst aus Ländern stammen, in denen die weibliche Genitalverstümmelung praktiziert wird, sollen in den Exilgemeinden über die körperlichen und seelischen Schäden sprechen.

In Guinea sind etwa 97 Prozent der Frauen „beschnitten“

Einfach ist das nicht. Genitalverstümmelung sei „ein absolutes Tabu-Thema“, sagt Tiranko Diallo, vom Verein Mama Afrika. Ihre Eltern stammen aus Guinea, wo etwa 97 Prozent der Frauen „beschnitten“ sind.

Oberärztin Strunz hat viele Patientinnen aus Somalia. In dem ostafrikanischen Land wird vor allem die sogenannte Typ-Drei-Verstümmelung praktiziert, bei der nur noch eine winzige Öffnung bleibt. Sie sagt: „Die Frauen haben keine Sexualerziehung gehabt.“ Deshalb wüssten sie oft gar nicht so genau, wie der Körper einer nicht verstümmelten erwachsenen Frau aussieht.

Von Anne-Beatrice Clasmann (dpa)