Der innere Arzt: Wie sich der Körper selbst heilt

Der innere Arzt: Wie sich der Körper selbst heilt

Stress abbauen stärkt unsere Selbstheilungskräfte. © picture alliance/Bildagentur-online

Er repariert, er erneuert, er heilt – der innere Arzt kann viel. Damit er richtig arbeiten kann, muss der Einzelne aber auch etwas tun. Und manchmal stoßen die Selbstheilungskräfte an ihre Grenzen.

Selbstheilungskräfte stecken in jedem. Das ist von Natur aus so. Der „innere Doktor“ ist fürsorglich – und rund um die Uhr im Einsatz. Wer sich versehentlich in den Finger geschnitten hat und blutet, kann beobachten, wie sich die Wunde mit der Zeit – ganz von allein – zusammenzieht und schließlich heilt. Der „Arzt im eigenen Körper“ schüttelt auch die lästige Erkältung ab, er lässt selbst gebrochene Knochen wieder zusammenwachsen. „Ein Großteil der Erkrankungen heilt von selbst aus“, sagt Rainer Stange. Der Internist ist Leitender Arzt der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin.

Ähnlich sieht es der Neurobiologe Professor Gerald Hüther: „Jede Heilung ist eine Selbstheilung“, sagt er und betont: „Niemand kann einen anderen Menschen gesund machen.“ Das heißt aber natürlich nicht, dass man bei Beschwerden oder Krankheiten nicht mehr zum Arzt gehen sollte. „Die ärztliche Kunst besteht darin, beim Erkrankten den Prozess der Selbstheilung zu unterstützen“, sagt Hüther. Entscheidend ist dafür nicht nur, dass der Arzt etwa eine offene Wunde versorgt oder einen gebrochenen Arm schient. Auch der Zuspruch des Mediziners kann die Selbstheilungskräfte stimulieren – genauso wie die Überzeugung des Patienten selbst.

Selbstheilungskräfte bewusst aktivieren

Die innere Einstellung spielt nicht nur bei der Genesung eine Rolle, sondern ist auch entscheidend dafür, ob jemand krank wird oder nicht. „Gefühle und Gedanken haben einen enormen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden“, erklärt Stange. Schon die kleinste seelische Störung bringt den Körper aus der Balance – und verstärkt das Risiko für Beschwerden, erklärt Hüther. Darum bekommt manch einer nach einem Streit mit dem Partner oder Ärger im Job Durchfall oder Kopfschmerzen.

„Frauen und Männer, die beruflich unter Druck stehen, haben ein viel höheres Risiko, sich eine Erkältung zu holen, als andere, die keinen Stress haben“, fügt der Neurobiologe hinzu. Das belegen Studien der Psychoneuroimmunologie, die sich mit dem Zusammenwirken von Seele und Körperabwehr beschäftigt. Der amerikanischen Psychologe Sheldon Cohen wies unter anderem nach, dass Menschen, die mehr Freunde, dafür aber weniger Stress haben, weniger anfällig für Erkältungen sind.

Aber wie stellt es der Körper an, sich selbst zu heilen, wenn er doch einmal beeinträchtigt ist? Der komplexe menschliche Organismus wird vom Gehirn gesteuert. Wie aus einer Kommandozentrale regelt es das Herz-Kreislauf-System, den Hormonhaushalt sowie das Nerven- und das Immunsystem. „Sobald das Hirn ein Signal bekommt, dass irgendwo im Körper etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist, aktiviert es die Selbstheilungskräfte“, erläutert Hüther. So repariert und erneuert der Körper beispielsweise permanent Zellen – ohne dass der Mensch es merkt.

Man kann seine Selbstheilungskräfte aber auch ganz bewusst aktivieren. Beispielsweise, indem man aktiv darüber nachdenkt, was einem in einer bestimmten Situation guttut, erklärt die Münchner Heilpraktikerin Ursula Hilpert-Mühlig vom Fachverbands Deutscher Heilpraktiker. Jemand, der unter Schlafstörungen leidet, kann sich zum Beispiel darüber Gedanken machen, was ihn am Schlafen hindert, und dann optimale Schlafbedingungen schaffen – anstatt zu Tabletten zu greifen.

Beziehungen zu anderen aufbauen

Dieser Ansatz nennt sich „Salutogenese“. Das lateinische Wort „salus“ bedeutet gesund, „genesis“ heißt Ursprung. Das Konzept beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern der Mensch selbst durch seine Gedanken seine Gesundheit erhalten oder wieder herstellen kann. Wer permanent unter starken Kopfschmerzen leidet, geht im Sinne der „Salutogenese“ in sich und stellt vielleicht fest, dass er sich schlicht zu wenig bewegt und deshalb einen verspannten Nacken hat. Die Konsequenz: mehr Sport treiben.

Selbstheilungskräfte stoßen aber auch an ihre Grenzen. „Wenn der Körper krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, zum Beispiel Insulin oder Schilddrüsenhormone zu produzieren, dann nützt der innere Arzt wenig“, sagt Stange, der Präsident des Zentralverbands der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin (ZAEN) ist. Und auch Erkrankungen wie Krebs heilen nicht von selbst. „Betroffene können aber mitunter ihre Situation verbessern, wenn sie ihre schwere Erkrankung bewusst annehmen und versuchen, ihr positive Gedanken entgegenzusetzen“, sagt Hüther.

Wer seine Selbstheilungskräfte stärken will, sollte achtsam gegenüber seinen Bedürfnissen sein, wie Hilpert-Mühlig erklärt. Entscheidend sind ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und Bewegung. „Was einem in welchem Ausmaß guttut, muss jeder für sich selbst herausfinden“, sagt die Heilpraktikerin. Auch gute Beziehungen zu anderen wirken sich ihr zufolge positiv auf das Wohlbefinden aus. „Ganz wichtig ist aber, Stress abzubauen“, so Hüther. Hilpert-Mühlig rät zu Entspannungsübungen, Meditation und Yoga. Denn: Unter Stress bleiben die eigenen Bedürfnisse auf der Strecke. Und dann kann auch der „innere Arzt“ nicht richtig arbeiten.

Von Sabine Meuter (dpa)