Diabetes – Leben mit einer unsichtbaren Krankheit

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Es gibt Krankheiten, die fallen auf den ersten Blick nicht auf. Eine davon ist Diabetes. Das Problem: Geht es einem Diabetiker schlecht – etwa durch erhöhte Blutzuckerwerte –, können Freunde oder Arbeitskollegen das oft nicht nachvollziehen, weil dem Betroffenen äußerlich nichts anzumerken ist. llka Gdanietz ist Typ I-Diabetikerin und erzählt uns, was es heißt, mit einer „unsichtbaren“ Krankheit zu leben.

Klartext. Generell finde ich, dass man mit Diabetes heute ziemlich gut leben kann. Es gibt mittlerweile allerlei technische Möglichkeiten, die uns ermöglichen den Alltag mit der Erkrankung angenehmer und mehr easy peasy zu gestalten. Aber wir alle wissen, Diabetes geht weit über Blutzuckermessen und Insulinspritzen hinaus.

Manchmal, wenn ich so durch die Straßen gehe, dann frage ich mich wie viele Diabetiker sich wohl gerade in meinem Umfeld bewegen (Ich gebe zu, manchmal ertappe ich mich dabei den Leuten einfach auf den Arsch zu glotzen, nur um zu gucken ob da eine Insulinpumpe in der Tasche ist. In den meisten Fällen sind es allerdings Zigarettenschachteln. Auch nicht viel besser). Oder ich frage mich, wie viele Menschen mit Krankheiten unterwegs sind, die man nicht sieht. Wie Diabetes eben. Diabetes ist unsichtbar. Und genau das macht es für die Außenwelt so schwer zu begreifen, was es eigentlich heisst, mit Diabetes an der Backe zu leben.

Gut aussehen, aber sich scheiße fühlen

Hohe Blutzuckerwerte lassen mich fühlen wie ausgekotzt. Diese innere Erschöpftest, Hämmern im Kopf, unerträglicher Durst, Trägheit … einfach ein beschissenes Gefühl und eine Situation, in der ich mich oft einfach nur nach meinem Bett und einer Mütze Schlaf sehne.
Äußerlich merkt man mir das gar nicht, oder nur kaum an. Außer vielleicht Menschen, die mich gut kennen. Vielleicht aber auch ein wenig, weil ich über die Jahre gelernt habe das alles zu überspielen. Diabetiker sind Meister im Vertuschen. In einem solchen Moment zu sagen, man fühle sich nicht gut, oder könne Dies & Das gerade nicht machen, weil es einem nicht gut geht, stößt oft auf Unverständnis. Man sieht ja schließlich blendend aus. Im schlimmsten Fall wird man auch noch beschuldigt, man würde nicht die Wahrheit sagen … Alles schon erlebt.

Schlaflose Nächte

Miesen Blutzuckerwerten, besonders Unterzuckerungen, ist es ziemlich egal wann sie vorbeischauen. Mal abgesehen davon, dass man sie zu keiner Zeit gebrauchen kann, schauen sie gern mal nachts vorbei. Nächtliche Unterzuckerungen sind für meinen Körper wie ein Zehn-Kilometer-Lauf mit Schlusssprint. Machbar, aber untrainiert ziemlich anstrengend und kraftraubend. Ein unschönes Körpergefühl und mitten in der Nacht essen zu müssen, obwohl man keinen Hunger hat … ätzend! Das Einschlafen fällt mir dann schwer und die Nacht ist durchzogen von Schlaf- und Wachphasen und manchmal auch Übelkeit und Bauchschmerzen. Den Morgen nach einer solchen Hypo-Nacht kann ich meist knicken. Oft fällt es mir schwer dieses Gefühl für Menschen mit noch funktionierenden Bauchspeicheldrüsen zu beschreiben. Es ist irgendwie wie krank sein. Eine Mischung aus einer leichten Grippe, mit einem Schuss Kreislauf und einem Spritzer Kater. So in etwa. Auch wenn der Blutzucker schon längst wieder im Normalbereich ist. Äußerlich sieht man mir diese Nacht jedoch nicht an.

Statt Bad Hair Days gibt’s den Bad D-Day

Diabetes läuft nie nach Plan und es gibt gute und schlechte Tage. So wie Bad Hair Days. Nur eben Bad D-Days. Die schlechten sind für mich besonders dann frustrierend, wenn ich einfach keine Lösung für das Problem habe, oder eine Lösung habe, diese aber keine Wirkung zeigt. Diabetes zu haben ist eine Sache, ihn zu verstehen eine ganz andere. Und auch nach über 25 Jahren ist er für mich oft ein undurchschaubares Etwas. Sich ständig den Kopf zu zerbrechen und wohl möglich auch noch das Gefühl haben alles falsch zu machen oder zu doof zu sein oder einfach ein schlechter Diabetiker zu sein, kann oft ganz schön an die Substanz gehen.

Über Dinge nachdenken, die für andere völlig normal sind

Hier geht es speziell ums Essen und Trinken. Nicht, ob ich etwas darf oder nicht darf. Denn Diabetiker dürfen alles essen. Es geht um Kopfarbeit. Während es für stoffwechselgesunde Menschen völlig normal ist, sich nach Lust und Laune am Buffet zu bedienen, hier und da mal was zu snacken, einfach zu essen wann und wie viel man Bock hat, beginnt in meinem Kopf die große Rechnerei. Wie viele Kohlenhydrate hat dieses und jenes? Habe ich noch aktives Insulin intus? Habe ich Sport gemacht oder noch vor mich in den nächsten Stunden körperlich zu betätigen? Werde ich jetzt alles essen oder in Etappen? Welche Bolus-Art ist die richtige? Normal, dual oder verzögert? Brauche ich noch extra Insulin für Fett und Proteine? Und und und … Und hat man dann auch noch krumme BE-Faktoren, Prost Mahlzeit! Diabetes ist Kopfarbeit. Jeden Tag und jeden Bissen.

 

Diabetes – Leben mit einer unsichtbaren Krankheit

Ilka Gdanietz © privat

 

Die Autorin

llka Gdanietz hat seit ihrer Kindheit Diabetes Typ I. Damals hantierte sie noch mit Einwegspritzen, um auf herkömmliche Weise den Blutzucker am Finger zu messen. Heute trägt sie eine moderne Insulinpumpe. Auf „Mein Diabetes-Blog“ berichtet sie zusammen mit ihrem Freund Finn Köster (auch er ist Typ I-Diabetiker) darüber, wie sie mit der Krankheit umgehen. Dieser Beitrag ist zuerst auf „Mein Diabetes-Blog“ erschienen.