Fit bleiben mit dem Barre-Workout

Fit bleiben mit dem Barre-Workout

Foto: Eric Audras/picture alliance/Photo Alto

In Hollywood halten sich Models und Schauspielerinnen seit einiger Zeit an der Ballettstange fit – mit beachtlichen Ergebnissen. Nun hat sich das Training auch in Deutschland etabliert. Die Übungen haben es in sich. Das Barre-Training hat aber auch einen Nachteil.

Wer beim Stichwort Ballett an rosafarbene Tutus und ein bisschen Gehüpfe denkt, dürfte schon am Empfang des Berliner Studios „Becycle” skeptisch werden. „Nimm ein Handtuch mit rein, du wirst es brauchen”, bekommt zu hören, wer zum ersten Mal am Barre teilnimmt. Morgen nicht zu viel vornehmen, denn das Laufen wird schwerfallen, könnte man ergänzen. Das Training an der Ballettstange ist alles andere als ein Spaziergang.

Bekannt wurde Barre, als weibliche Hollywoodstars vor ein paar Jahren begannen, Fotos von sich beim Training an der Stange in sozialen Medien zu posten. Von Kalifornien aus kam der Trend nach Deutschland – wo sich vor allem die Tanzstudios über den Hype freuten. Klientel, das sie einst an die Fitnessstudios verloren haben, kehrt nun zurück an die Stange.

Auch Neueinsteiger fühlen sich angesprochen. Fürs Barre brauchen sie keine Voraussetzungen – weder Rhythmusgefühl noch die Fähigkeit, sich Choreografien zu merken. „Die Schwelle ist viel niedriger als beim Tanzen”, bestätigt Tessa Temme vom Institut für Tanz und Bewegungskultur an der Kölner Sporthochschule.

Im Trainingsraum in Berlin geht es nach einem kurzen Aufwärmprogramm direkt an die Stange. Den Blick zum Spiegel gerichtet, die Füße leicht nach außen gedreht, beugen die jungen Frauen ihre Knie. Rauf auf die halbe Spitze, in die Kniebeuge und wieder zurück. Noch einmal und noch einmal – bis es brennt. In den Füßen, den Waden, den Oberschenkeln. Hat das wirklich etwas mit Ballett zu tun? „Ich bezeichne es eher als Fitnesstraining an der Ballettstange”, sagt Victoria Henze, die als Sportlehrerin und Tänzerin arbeitet und nebenbei den Barre-Kurs bei „Becycle” gibt.

Ein Gefühl für den Körper und die Bewegung entwickeln

Und tatsächlich liegt der Fokus der ganzen Stunde eher darauf, den Körper zu formen. Die Stange dient als Hilfe – etwa, um den Oberkörper darauf abzulegen, während die Teilnehmerinnen ihre Pomuskeln mit abwechselnd nach hinten gehobenem Bein stählen. Zum Einsatz kommen auch weiche Gymnastikbälle, die etwa bei der Kniebeuge zwischen die Beine geklemmt werden. Oder spezielle Gummis, die man an den Füßen befestigt, um die Beinmuskulatur noch mehr zu fordern. Nach dem Stangentraining geht es in Henzes Stunde noch zum Bauchmuskeltraining auf die Matte. Danach folgt eine kurze Entspannung.

Wie genau das Training aufgebaut ist, hängt sehr vom Lehrer ab. Feststehende Übungen gibt es nicht, sagt Barbara Heiner, die ein Buch zum Barre-Training geschrieben hat und in München selbst Stunden gibt. Heiner hat eine Yogalehrer- und eine Pilates-Ausbildung und richtet ihr Barre-Training auf einen Bewegungsfluss aus. Ihr Fokus ist weniger die Ausbildung einer perfekten Silhouette als vielmehr ein gesunder Körper, sagt sie. Die Stange habe einen ganz entscheidenden Vorteil: „Sie bringt uns in eine aufrechte Haltung.” Und man kommt in Positionen, die ohne Festhalten nicht so ohne weiteres möglich wären.

Tessa Temme von der Sporthochschule freut sich einerseits über den Trend. Denn anders als etwa beim Crossfit oder hochintensivem Intervalltraining geht es beim Barre nicht in erster Linie um Schweiß, sondern um ein Gefühl für den Körper und die Bewegung. Ein großer Vorteil ist zum Beispiel, dass barfuß trainiert wird. Allein: So richtig löst das Barre-Training sein Versprechen nicht ein. „Problematisch ist der Umgang mit der Stange”, sagt Temme.

Im Tanztraining ist sie dafür gedacht, Dinge zu üben, für die man noch Unterstützung braucht – „immer mit dem Ziel, sich irgendwann von der Stange zu lösen.” Barre dagegen erhebt das Training an der Stange zum Konzept. „Die Teilnehmer lernen also nie, die Übungen frei im Raum zu schaffen.” Eine bedauerliche Einschränkung, findet die Tänzerin und Sportwissenschaftlerin.

Niemals den Schmerz ignorieren

Wer aber einfach etwas für sich und seinen Körper tun will und sich vom Training an der Ballettstange angesprochen fühlt, für den kann Barre durchaus das Richtige sein. Das gilt ausdrücklich nicht nur für Frauen. Genauso wenig wie das Tanzen ist Barre per se ein weiblicher Sport.

Barbara Heiner rät Einsteigern, ruhig eine Weile nach dem optimalen Kurs zu suchen. Manche Lehrer verwenden schnelle Musik und legen den Fokus eher auf Fitness, andere gestalten das Training sehr tänzerisch. „Aus meiner Sicht lohnt es sich, mehrere Angebote auszuprobieren”, sagt Heiner.

Achten sollten Beginner auf die Qualifikation des Lehrers. „Das ist beim Barre besonders wichtig”, sagt Temme. Dreht jemand etwa die Füße weiter nach außen als seine Hüften es zulassen, drohen Knieprobleme. Idealerweise ist der Trainer gelernter Gymnastiklehrer, Sportwissenschaftler oder wurde an einer Kunsthochschule oder staatlich anerkannten Akademie zum Tänzer ausgebildet.

Ein Stück weit kann sich der Trainierende aber auch selbst schützen: „Niemals sollte man Schmerz ignorieren, nach dem Motto: Tänzer müssen da durch”, sagt Temme. Heiner rät, sich eine Klasse zu suchen, die mindestens 60 Minuten dauert. „Sonst hetzt man durch das Training und hat nicht so viel davon.”

Obwohl sich auch Ausdauerelemente ins Barre-Work-out integrieren lassen, ist es den Expertinnen zufolge ratsam, nebenbei etwas für Herz und Kreislauf zu tun. „Das Barre-Training findet ja drinnen statt, deswegen bietet es sich an, für die Ausdauer draußen walken oder joggen zu gehen”, sagt Heiner.

Von Teresa Nauber (dpa)