Für Abtreibungen geworben? Prozess gegen Ärztin polarisiert

Eine Ärztin steht in Gießen vor Gericht: Sie soll unerlaubte Werbung für Schwangerschaftsabbrüche gemacht haben. Der Fall heizt die jahrzehntelange Debatte zwischen Befürwortern von Selbstbestimmungsrechten der Frauen und Abtreibungsgegnern an.

Weil sie für Schwangerschaftsabbrüche geworben haben soll, steht eine Gießener Ärztin am Freitag (9.45 Uhr) vor Gericht. Die Medizinerin soll auf ihrer Website nicht nur über das Thema informiert, sondern auch angegeben haben, Abbrüche gegen entsprechende Kosten durchzuführen.

Patientinnen konnten laut Staatsanwaltschaft über einen Link zu einem Dokument mit Details gelangen. Die Ermittlungsbehörde sieht darin einen Verstoß gegen den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches, der Werbung für Abtreibungen verbietet.

Er besagt: „Wer öffentlich (…) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, (…) anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Die Ärztin Kristina Hänel sagte der Deutschen Presse-Agentur, sie habe medizinische Informationen ins Netz gestellt, um Menschen aufzuklären und zu informieren. Sie betrachte das als ihre ärztliche Pflicht. „Ich mache das nicht, damit Frauen zu mir kommen. Die kommen sowieso. Ich brauche das nicht“, sagte die 61-Jährige, die nach eigenen Angaben seit über 30 Jahren Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.

Hänel selbst startete eine an den Bundestag gerichtete Online-Petition mit dem Titel „Informationsrecht für Frauen zum Schwangerschaftsabbruch“, die einen Tag vor ihrer Gerichtsverhandlung die Marke von 100.000 Unterstützern durchbrach.

Die SPD-Fraktion im Bundestag fordert inzwischen eine schnelle Reform des Abtreibungsrechts. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Eva Högl regte an, den entsprechenden Strafrechtsparagrafen „komplett zu streichen“. Die SPD-Fraktion werde „schnell die Initiative ergreifen“, sagte Högl den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche schaffe in der ärztlichen Praxis Unsicherheit.

Zwei Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion, Cornelia Möhring und Christine Buchholz, kündigten an, am Freitag nach Gießen zu kommen, um auf einer Kundgebung für das Informationsrecht von Frauen einzutreten. Das neu gegründete „Bündnis für körperliche Selbstbestimmung“ kündigte für den Freitag Aktionen in Gießen und Frankfurt an. Auf Internet-Seiten von Abtreibungsgegnern wird Hänels Name dagegen angeprangert.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde bereits vor einigen Jahren gegen die Ärztin wegen zwei ähnlicher Vorwürfe ermittelt. Die beiden Verfahren seien damals eingestellt worden. Nun muss sich die Ärztin vor dem Amtsgericht Gießen verantworten.

Quelle: dpa