Gesetz gegen Korruption: Bekommt der Patient, was er braucht?

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Das neue Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen gilt für alle Berufssparten. Doch es nimmt vor allem Ärzte und Pharmaindustrie ins Visier.

Lange empörten sich die Ärzte über das Ansinnen der großen Koalition, ein Antikorruptionsgesetz im Gesundheitswesen zu schaffen. Als es nichts half, setzten sie sich an die Spitze der Bewegung. Dass ein neues Gesetz nötig ist, ist heute nicht mehr strittig, zumal auch der Bundesgerichtshofs 2012 kritisierte, dass die freiberuflichen, niedergelassenen Ärzte nicht wegen Bestechlichkeit bestraft werden können.

Von welchen Summen ist die Rede?

Allein für verschreibungspflichtige Arzneimittel gibt die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im Jahr 30 Milliarden Euro aus. Und der Arzt entscheidet mit seinen Rezepten, wo die Pharmaindustrie ein Geschäft machen kann. Eine immense Summe, eine immense Machtfülle – und eine immense Versuchung. Ähnliches gilt übrigens für Medizinprodukte. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz verweist auf Schätzungen, wonach allein der GKV bei Gesamtausgaben von rund 200 Milliarden Euro durch Korruption, Abrechnungsbetrug und Falschabrechnungen Mehrkosten bis zu 18 Milliarden Euro entstehen.

Was droht bei Korruption im Gesundheitswesen?

Korrupten Ärzten, Apothekern, Physiotherapeuten oder Pflegekräften drohen nach dem Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) künftig bis zu drei Jahren Haft. Besonders schwere Fälle von Bestechung oder Bestechlichkeit werden sogar mit fünf Jahren Gefängnis geahndet. Und was die Ärzte besonders freut, denn bisher standen immer nur sie am Pranger: Die Strafe kann nicht nur die treffen, die bestochen wurden, sondern auch die, die bestochen haben – Pharmaindustrie und Medizinproduktehersteller in erster Linie.

Wann akzeptiert man unerlaubt einen Vorteil?

Die Annahme von Vorteilen soll laut Justizministerium künftig dann bestraft werden, wenn sie Gegenleistung für eine Bevorzugung ist. Beispiele sind Zahlungen von Pharmaunternehmen an Ärzte für die bevorzugte Verordnung von Medikamenten oder „Kopfgelder“ für die Zuweisung von Patienten an ein bestimmtes Krankenhaus. Das Ministerium stellt ausdrücklich klar, dass Vorteile, die im Rahmen zulässiger beruflicher Kooperationen gewährt werden, auch künftig nicht strafbar sind. Etwa wenn ein niedergelassener Arzt mit einem Krankenhaus vertraglich geregelt hat, dass er dort ambulant operieren kann. Die Ärzteschaft hätte gerne einen Katalog gehabt, der klar anzeigt, was korrupt ist und was nicht.

Wie reagiert die Pharmaindustrie?

Nach mehreren Skandalen ist die Pharmaindustrie um mehr Offenheit im Umgang mit ihren Zuwendungen insbesondere an Ärzte bemüht. Der Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) überwacht seit 2004 die Zusammenarbeit zwischen Pharmaunternehmen und Angehörigen der medizinischen Fachkreise. Unternehmen können sich ihm freiwillig anschließen, sind dann aber den Transparenzregeln und Sanktionsmechanismen des Vereins unterworfen. Die Strafen können bis zu 400 000 Euro betragen. Die dem FSA angeschlossenen Unternehmen repräsentieren nach eigenen Angaben 75 Prozent des deutschen Pharmamarkts. Spannend wird es, wenn der FSA im Juni seinen ersten Bericht über die Zuwendungen der Pharmaindustrie an Ärzte veröffentlicht.

Hilft das Antikorruptionsgesetz im Gesundheitswesen?

Der GKV-Spitzenverband geht davon aus, dass das Gesetz insgesamt greift. Geld sei aber auch nur ein Aspekt des Problems. Viel wichtiger ist das Vertrauen des Patienten. Der Patient müsse sicher sein können, dass er das bekommt, was er für seine Therapie benötigt – und nicht das, was Arzt und Pharmafirmen zum ökonomischen Vorteil gereicht.

Von Ruppert Mayr (dpa)