Hatschi

Ein Baby sitzt in den 1960er Jahren auf dem Boden und muss niesen / © picture alliance/Mary Evans Picture Library

Ein Baby in den 1960er Jahren muss niesen / © picture alliance/Mary Evans Picture Library

In der Antike glaubte man, kräftiges Niesen würde die Menschen vor Wahnsinn und Epilepsie schützen. Heute halten wir uns bei dem kleinen Anfall lieber die Hand vors Gesicht. Doch wozu braucht unsere Nase diese Mini-Explosion überhaupt? 

Zur Reinigung der Nasenschleimhaut. Niesen (lat. sternutio) ist ein Schutzreflex des Körpers sowie der lautstarke Versuch unseres Riechorgans, Staub, Viren und lästige Bakterien loszuwerden.

Wer gibt den Befehl zum Niesen?

Kommandiert wird die Niesaktion von unserem Hirnstamm. Der ist daumengroß, geht nahtlos ins Rückenmark über – weswegen er oft auch als verlängertes Rückenmark bezeichnet wird – und sitzt im Dreiländereck zwischen Zwischen-, Groß- und Kleinhirn. Die Information, dass unser Näschen etwas kitzelt oder dass es mal wieder von überflüssigen Pollen befreit werden muss, bekommt unser Hirnstamm vom Drillingsnerv (lat. Trigeminus).

Der Trigeminus ist der stärkste unserer Hirnnerven und ein echtes Sensibelchen. Er informiert unseren Herrn Gehirnstammvater über alles, was in unserem Gesicht vor sich geht. Hierfür besitzt der zartbesaitete Nerv drei Äste (Nervenbahnen). Einer führt zu den Augen, einer zum Ober- und einer zum Unterkiefer. Über seine Nervenenden erfühlt er alles, was in Auge, Nase, Mund oder auf unserer Gesichtshaut passiert – egal, ob die Zunge leicht prickelt oder die Nase kurz juckt – und leitet die Information an den Hirnstamm weiter.

Was passiert dann im Körper?

Was folgt, ist ein tiefes Luftholen. Das Gaumensegel (umgangssprachlich auch „Zäpfchen“ genannt) hebt sich und schließt so die Verbindung zwischen Nase und Rachen, daraufhin spannen sich die Bauch- und Brustmuskulatur an und die Luft, die sich in diesem Moment in Lunge und Rachen befindet, wird komprimiert. Druck baut sich auf – und wenn wir diesen nicht mehr aushalten können, heißt es nur noch: „Hatschi!“. Nebenbei katapultiert unser Näschen (oft auch der Mund) Schnodder, Pollen und andere unliebsame Fremdkörper mit einem kleinen Tröpfchenregen in die freie Natur.

Die Geschwindigkeit, mit der das geschieht, kann sich sehen lassen: Bis zu 160 Kilometer pro Stunde kann unser Nasensekret bei dem Schleudervorgang schnell werden. Menschen, die ein großes Lungenvolumen haben und deren Zwerchfellmuskulatur gut trainiert ist, erreichen sogar Spitzenwerte von 900 Stundenkilometer – von unserem Lungenvolumen und der Stärke unserer Zwerchfellmuskulatur hängt übrigens auch der Klang unseres Niesens ab.

Was bringt unsere Nase zum Niesen?

Ziemlich viel! Egal, ob Staub, Pollen, allergene Stoffe, ein verirrtes Insekt oder eine ordentliche Ladung Pfeffer – alles, was unsere Nasenschleimhaut reizt, kann die explosionsartige Reaktion hervorrufen. Bei manchen Menschen lösen sogar Licht, das Zupfen von Augenbrauen oder ein Orgasmus das Niesen aus.

Niesen durch Licht

Bei sogenannten Sonnenniesern – zu denen gut jeder Vierte von uns gehört – liegt der Drillingsnerv vermutlich näher am Sehnerv als bei anderen Menschen. Schauen die Betroffenen ins Licht, reizt die Helligkeit nicht nur die Nervenenden in den Pupillen, sondern auch die im Oberkieferast und löst auf diese Weise den Niesreflex aus. Wissenschaftler haben sich für diesen Vorgang sogar einen eigenen Namen ausgedacht. Sie nennen ihn den photischen Niesreflex.

Wie das?

Genau wissen Wissenschaftler das nicht. Schuld ist vermutlich der Drillingsnerv. Da er seine Äste nahezu überall in unserem Gesicht hat, kann es leicht zu Fehlreaktionen kommen. Das Ergebnis: Der schmerzhafte Reiz vom Augenbrauenzupfen etwa springt auf die benachbarten Nervenbahnen über. Landet er dann auf der Nervenbahn, die für das Niesen zuständig ist (Oberkieferast), wertet unser Hirnstamm das Augenbrauenzupfen als eine Reizung der Nasenschleimhaut und gibt den Befehl zur Schnodderschlacht.

Was passiert mit den Viren und Bakterien, die beim Niesen in die Flucht geschlagen werden?

Wären sie kleine Menschlein, hätten sie nach dem Niesvorgang sicherlich ein ordentliches Schleudertrauma. Da sie es nicht sind, macht ihnen der turbulente Ritt durch die Luft herzlich wenig aus. Das bedeutet: Wer ungeschützt niest, versprüht nicht nur Schmutz und Pollen durch die Luft, sondern beglückt sein Umfeld gegebenenfalls auch mit zahlreichen Erkältungs- und Grippeviren. (Mehr zum Thema „Viren“)

Wie lässt sich das verhindern?

Um zu vermeiden, dass sich andere Menschen per Tröpfcheninfektion mit ihnen anstecken, existieren unterschiedliche Strategien:

  • Der Hand-Nieser: Keine so gute Idee. Sind wir beispielsweise in der U-Bahn, können wir uns nach dem Niesen nicht die Hände waschen. Fassen wir dann irgendetwas oder irgendwen an, verteilen wir die Viren.
  • Der Ärmel-Nieser: Können wir machen – aber nur, wenn wir das Kleidungsstück abends in die Wäsche werfen. Das Gute dabei ist, dass die Nasensekrete auf dem Ärmel schneller trocknen als auf der hohlen Hand und dass die Armbeuge seltener mit Menschen in Kontakt kommt. Bei Kleidung aus Wolle, die man nicht so oft waschen darf, ist das Niesen allerdings nicht zu empfehlen. Gänzlich verhindern kann der Ärmel den Tröpfchenflug in keinem Fall.
  • Der Taschentuch-Nieser: Unser Gewinner. Laut einer Studie der Medizinischen Fakultät der University of Alberta (Kanada) ist das gute alte Papiertaschentuch die sicherste Methode, um die aus der Nase geschleuderten Viren einzufangen.

… und was sagt der Knigge zu all dem Niesen?

Laut Knigge sollten sowohl der Niesende als auch die anwesenden Personen die nasale Reinigungsaktion still und höflich überhören. Wenn sich einer der Anwesenden durch den Laut erschreckt, sei jedoch eine „Entschuldigung“ angebracht.