Kompression

© picture alliance/Eventpress

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Fleischfarbenes Quetschinstrument war gestern. Heute sind Kompressionsstrümpfe schick und salonfähig. Selbst die Models von Mode-Guru Wolfgang Joop stolzieren damit über den Laufsteg. Ihren therapeutischen Zweck erfüllen sie trotzdem.

Kompressionsstrümpfe sind medizinische Hilfsmittel. Das engmaschige Gewebe hilft bei Venenschwäche, beugt Thrombosen vor und soll uns vor fiesen Besenreißern bewahren.

… Wofür brauchen wir Kompressionsstrümpfe?

Auch wenn wir zuerst an unsere Beine denken, Probleme machen hier die Venen. Sie kümmern sich um den Rücktransport des nun sauerstoffarmen Blutes zum Herzen. Von den Füßen durch die Beine bis zur Brust ist es jedoch nicht nur ein langer Weg, es geht auch bergauf. Und das mit einer Durchflussmenge von umgerechnet einigen tausend Litern Blut täglich. Unsere Venen leisten also Schwerstarbeit.

Damit dieser Transport funktioniert, ist unser Herz auf die Unterstützung der Beinmuskulatur angewiesen. Egal ob Laufen, Treppensteigen oder Zehenwackeln – jede Kontraktion der Muskeln presst unsere Venen zusammen und drückt das Blut nach oben in Richtung Brust. Zudem gibt es in den Venen alle vier bis sieben Zentimeter kleine Schleusen, die sogenannten Venenklappen. Sie sorgen dafür, dass das Blut nicht zurückfließen kann.

Kompression versus Stützen

Stützstrümpfe (< Kompressionsklasse I) sind im Gegensatz zu Kompressionsstrümpfen keine medizinischen Hilfsmittel. Der Arzt kann sie deswegen auch nicht auf Rezept verordnen. Sie besitzen keinen vorab definierten Druck und werden in der Regel nicht individuell nach Fessel- oder Wadenumfang angepasst, sondern lediglich nach Schuhgröße ausgesucht. Um Venenbeschwerden vorzubeugen, sind sie jedoch durchaus geeignet.

Geschwächte oder besonders strapazierte Venen sind dieser Aufgabe nicht gewachsen. Die Venenwände können „ausleiern“. Die Venenklappen schließen nicht mehr ordentlich, Teile des Blutes fließen zurück, es kommt zum Stau. Ergebnis: Die Füße schwellen an und unsere Beine werden anfälliger für Entzündungen, Thrombosen und sogar Geschwüre.

Was machen die Strumpfkleider … ?

Kompressionsstrümpfe setzen ihre Träger unter Druck – und das sollen sie auch. Das feinmaschige Gewebe presst die Venenwände in den Beinen maßvoll zusammen und sorgt dafür, dass die Venenklappen ordentlich schließen. Das Blut wird wieder effektiv in Richtung Herzen gepumpt.

Netter Zusatzeffekt: Die medizinischen Strümpfe drücken das Unterhautfettgewebe zusammen. Dies verhindert Wassereinlagerungen und beugt Schwellungen vor. Von den Zehen aufwärts bleibt alles schlank.

… Wann sollte ich sie tragen?

Die textilen Druckhelfer gibt es in vier Kompressionsklassen (I-IV). Je höher die Zahl, desto stärker der Druck. Angewendet werden sie besonders in der medizinischen Behandlung von Krampfadern (Varizen), akuten Thrombosen (Blutgerinnsel) und bei ersten Anzeichen von Ödemen (Schwellungen). Zudem beugen die Strümpfe auch krankhaften Hautveränderungen vor – durch Varizen kann sich die Haut beispielsweise bräunlich verfärben und verhärten – und verhindern die Entwicklung eines Ulcus cruris, umgangssprachlich „offenes Bein“ genannt.

Achtung: Kompressionsstrümpfe sind keine Wundertäter. Sie unterstützen die jeweilige Therapie und lindern Beschwerden. Die Krankheit selbst können sie jedoch nicht heilen.

… Kompression zum Vorbeugen?

Sind unsere Venen erst einmal ausgeleiert, bilden sie sich nicht mehr zurück. Stütz- und Kompressionsstrümpfe (< Kompressionsklasse I) eignen sich hier zur Prävention. Generell empfehlenswert sind sie für Menschen, die hauptsächlich im Sitzen oder Stehen arbeiten. Aber auch Sportler, Schwangere und Jetsetter können von der Kompression profitieren.

Kurz erklärt:

  • Während der Schwangerschaft sind Frauen anfälliger für Venenerkrankungen. In den neun Monaten erhöht sich das Blutvolumen im Körper, das zusätzliche Gewicht belastet die Beine und das Schwangerschaftshormon Progesteron weitet die Venen.
  • Jogger profitieren davon, dass ihre Muskeln schneller regenerieren; zudem verringert sich das Risiko, böse umzuknicken.
  • Auf Langzeitflügen sitzt man nicht nur lange still, durch den niedrigen Luftdruck vergrößern sich die Blutgefäße, in der Folge gibt’s dicke Beine.
  • Steht jemand durch seinen Job den ganzen Tag, sind die Venen einem stärkeren Druck ausgesetzt. Hier hilft es, die Füße hochzulegen.

Flach- versus Rundstrick

Rundgestrickte Kompressionsstrümpfe (Langzugstrümpfe) sind nahtlos und sehr dehnbar. Sie üben einen niedrigeren Arbeitsdruck aus als flachgestrickte und werden hauptsächlich zur Behandlung von Venenerkrankungen genutzt. Flachgestrickte Kompressionsstrümpfe (Kurzzugstrümpfe) sind kaum dehnbar und erzeugen einen hohen Kompressionsdruck. Sie werden zuvorderst in der Versorgung von Ödemen eingesetzt.

Rundstrick-Strümpfe gibt es in verschiedenen Standardgrößen, sie können in bestimmten Fällen aber auch nach Maß angefertigt werden. Die Flachstrickvariante wird hingegen nur als Maßanfertigung angeboten. Abhängig von der Indikation der Behandlung gibt es Rund- wie Flachstrick in unterschiedlichen Varianten (Shop-Glossar) mit den jeweiligen Benennungen, wie „AD“ für Kniestrumpf oder „AT“ für Strumpfhose.

… Welcher Strumpf passt zu mir?

Ob der Strumpf knallig bunt oder – in Erinnerung an die gute alte Zeit – blickdicht-fleischfarben sein soll, entscheidet der Träger. Richtig anpassen lässt man ihn aber möglichst in einem Sanitätsfachgeschäft oder in einer Apotheke, sofern es dort eine geschulte Fachkraft gibt.

Kompressionsstrümpfe werden bei einer entsprechenden Indikation vom Arzt verschrieben. In der Erstversorgung bezahlt die gesetzliche Krankenkasse in der Regel zwei Paar Strümpfe oder zwei Strumpfhosen. Ab dann gibt es alle sechs Monate einen neuen Satz.

Waschen und Anziehen … gewusst wie!

Da die Stümpfe richtigerweise eng sind, lassen sie sich mitunter schwer anziehen – Experten sprechen hier sogar vom „Anlegen“. Wer Probleme hat, in seinen Strumpf zu kommen, für den gibt es sogenannte Anziehhilfen. Angefangen bei der simplen Gleithilfe bis hin zum vornehmen „Butler“ mit ergonomischen Griffen.

Wer seine Kompressionstrümpfe regelmäßig trägt, sollte sie täglich waschen – nicht nur aus hygienischen Gründen. Ohne die Wäsche verlieren sie ihre Spannkraft und werden nutzlos. Wichtig: Nicht wärmer als 30 Grad. Auch das Verwenden von Weichspüler ist tabu. Ansonsten gehen die Fasern kaputt.