Leben mit HIV: Annähernd normale Lebenserwartung ist möglich

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Dank moderner Therapien hat eine HIV-Infektion viel von ihrem Schrecken verloren. Medikamente helfen, den Ausbruch der Krankheit Aids zu verhindern. Infizierte können oft ein weitgehend normales Leben führen.

Wie viele Menschen sind mit HIV infiziert?

In Deutschland leben nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) rund 83 400 Menschen mit HIV/Aids. Die meisten von ihnen wohnen in Großstädten wie Berlin, München, Hamburg, Frankfurt/Main und Köln.

Wer infiziert sich mit dem Virus?

Männer, die Sex mit Männern haben, bilden mit geschätzt 53 800 Fällen die größte Gruppe. Etwa 10 500 Menschen haben sich nach RKI-Daten bei heterosexuellem Verkehr infiziert. Bei rund 7900 Betroffenen waren verunreinigte Spritzen beim Drogengebrauch die Ursache. Etwa 450 Menschen infizierten sich über kontaminierte Blutkonserven oder andere Blutprodukte, vor allem bis Mitte der 1980er Jahre. Darüber hinaus haben sich 400 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene vor, während oder nach der Geburt bei ihrer Mutter angesteckt.

Wie viele Menschen wissen nichts von ihrer Infektion?

RKI-Experten schätzen, dass in Deutschland etwa 13 200 Menschen mit HIV nichts von ihrer Infektion wissen. Das ist etwa jeder sechste Betroffene. „Die Gründe, warum HIV erst spät bekannt wird, sind vielfältig“, sagt Annette Haberl vom Vorstand der Deutschen Aids-Gesellschaft. Dazu zählten Angst vor einem positiven Ergebnis und vor Ausgrenzung. „Erfährt man im Krankheitsfall in der Regel spontan Mitgefühl und Unterstützung, ist das bei einer HIV-Diagnose nicht immer der Fall“, so die Ärztin. Sogar im Gesundheitssystem würden Menschen mit HIV noch immer diskriminiert.

Weitere Zahlen und Fakten

Die Immunschwächekrankheit Aids kostet noch immer mehr als eine Million Menschen im Jahr das Leben. Nach Schätzungen der UN-Organisation UNAIDS waren 2015 weltweit 36,7 Millionen Menschen mit dem Aids-Erreger HIV infiziert, die meisten von ihnen leben in afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Insgesamt starben 1,1 Millionen Menschen an den Folgen von Aids, 2005 waren es noch zwei Millionen. In Deutschland gibt es nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) rund 83 400 HIV-Infizierte (Stand November 2015), etwa 13 200 von ihnen wissen aber noch nicht davon. Die Sterberaten sind vergleichsweise gering: 2014 gab es etwa 480 HIV-Tote.

Aids ist eine relativ neue Krankheit, sie wurde erstmals 1981 von Forschern beschrieben. Bislang haben sich geschätzte 78 Millionen Menschen mit HIV infiziert, knapp die Hälfte ist an den Folgen von Aids gestorben.

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Zahl der Neuansteckungen zwischen 2000 und 2015 um 35 Prozent zurückgegangen. UNAIDS geht weltweit von 2,1 Millionen Neuinfektionen im Jahr 2015 aus. In Deutschland steckten sich laut RKI 2014 schätzungsweise 3200 Menschen mit HIV an.

HIV lässt sich mittlerweile gut mit Medikamenten eindämmen. Im vergangenen Jahr waren nach UNAIDS-Angaben 46 Prozent aller HIV-positiven Erwachsenen in einer sogenannten antiretroviralen Therapie. Im Jahr 2010 waren es den Angaben zufolge nur 23 Prozent.

Wie viele Menschen werden behandelt?

Von den HIV-Infizierten, bei denen eine Diagnose gestellt wurde, sind 82 Prozent in einer antiretroviralen Therapie, die die Vermehrung der Viren eindämmt und den Ausbruch von Aids verhindern kann. Die Weltgesundheitsorganisation rät, möglichst früh mit der Therapie zu beginnen.

Steigern andere sexuell übertragbare Krankheiten das Risiko, sich mit HIV zu infizieren?

„Generell steigt durch alle sexuell übertragbaren Krankheiten das Risiko, sich mit HIV zu infizieren“, sagt Norbert Brockmeyer, Leiter des Zentrums für Sexuelle Gesundheit und Medizin in Bochum. Infektionen mit Chlamydien, Humanen Papillomviren, Herpes-Simplex-Viren, Syphilis und Gonorrhoe verbreiten sich laut Brockmeyer verstärkt. Der Experte sieht eine Ursache in den vervielfachten Datingmöglichkeiten über Internetportale. Sie ermöglichten mehr und schnellere Sexualkontakte. „Viele Leute verzichten dabei auf Kondome, weil sie das Gefühl haben, sich aus dem Internet zu kennen“, sagt Brockmeyer.

Wo kann man einen HIV-Test machen lassen?

Unter anderem bieten Gesundheitsämter, Präventionsprojekte und Ärzte HIV-Tests an. Die Deutsche Aids-Hilfe hat im Internet eine Adressliste  veröffentlicht. Der Verband warnt vor Tests für den Hausgebrauch aus dem Internet, da die Qualität nicht geprüft werden könne. Außerdem könnten Laien schnell Fehler unterlaufen.

 

Welche Therapien stehen zur Verfügung?

Nach Angaben der Deutschen Aids-Gesellschaft gibt es inzwischen mehr als 30 Medikamente für die HIV-Therapie, darunter eine zunehmende Zahl von Kombinationspräparaten. Sie können die Virusvermehrung dauerhaft hemmen. „HIV ist dadurch heute zu einer gut behandelbaren chronischen Erkrankung geworden“, sagt Annette Haberl. Patienten könnten dank moderner Therapien ein normales Leben führen.

Was kostet eine Therapie?

Die Kosten für moderne Kombinationstherapien schwanken laut Haberl zwischen 1200 und 1700 Euro pro Monat. Komplexe antiretrovirale Mittel könnten auch deutlich teurer sein. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten.

Mit welchen Nebenwirkungen müssen Patienten rechnen?

Moderne HIV-Therapien sind laut Haberl generell gut verträglich. Zu Beginn der Behandlung könnten Magen-Darm-Probleme, Kopfschmerzen und Hautreaktionen auftreten. Klinisch bedeutsamer seien mögliche Langzeitnebenwirkungen wie Stoffwechselveränderungen, zu denen es nach Jahren der Einnahme kommen könne. Um rechtzeitig gegensteuern zu können, müsse man den Therapieverlauf bei HIV-Patienten beobachten.

Wie alt kann man mit HIV in Deutschland werden?

„Bei frühzeitiger Diagnose und rechtzeitigem Therapiebeginn haben Menschen mit HIV heute eine annähernd normale Lebenserwartung“, sagt Annette Haberl.

Quelle: dpa