Natur ohne Barrieren – Wandern im Rollstuhl

© mahp-barrierefrei/Hans-Peter Matt

Bereits vor rund einem Jahrzehnt wurde das Behindertengleichstellungsgesetz verabschiedet. Mittlerweile ist das Thema Barrierefreiheit in der Realität angekommen. Den größten Nachholbedarf gibt es tatsächlich in der freien Natur.

Hans-Peter Matt leitet ein Beratungs- und Planungsbüro in Baden-Württemberg. Er ist zertifizierter Landschaftsführer, fleißiger Wanderer – und er sitzt im Rollstuhl. Vor gut 25 Jahren, da war er gerade 18 geworden, hatte Matt einen Autounfall. Seitdem ist er querschnittsgelähmt. Sein Thema: Die Umsetzung von Barrierefreiheit im öffentlichen Raum.

Ganz im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes, dessen Umsetzung schon aufgrund oft langwieriger Planungsverfahren und hoher Kosten ein Generationenprojekt ist, geht es Matt auch im Wald um die gleichberechtigte Teilhabe. Nach der Absenkung von Bordsteinkanten und der Bereitstellung von U-Bahn-Rampen müsste auch allen ein gleichberechtigter Zugang zur Natur ermöglicht werden.

© mahp-barrierefrei/Hans-Peter Matt

© mahp-barrierefrei/Hans-Peter Matt

Hans-Peter Matt ist Gründer des Beratungs- und Planungsbüro mahp-barrierefrei. Der Leitgedanke: “Tourismus für alle”. Regionale Schwerpunkte seiner Projekte sind zwar die Region Baden-Württemberg und der Schwarzwald. Seit einigen Jahren ist Matt mit seinem Büro aber auch europaweit tätig.

Wichtig sind Informationen zur Route

Doch wie barrierefrei kann Natur überhaupt sein? Normen greifen hier nur sehr bedingt. Auf einem städtischen Gehweg kann jeder in etwa einschätzen, wo seine Belastungsgrenzen liegen. Das Wandern auf Waldwegen, erst recht in unebener oder wenig kultivierter Landschaft, ist sehr viel komplizierter.

Können die einen ihren Rollstuhl nur auf glattem Asphalt steuern, so kommen die anderen auch auf Kieswegen zurecht. Die bloße Bezeichnung “barrierefreier Wanderweg” reicht deshalb nicht aus. Für jemanden, der das erste Mal mit seinem Rollstuhl auf Tour geht, kann bereits eine Wegsteigung von sechs Grad zum Problem werden. Gut trainierte Rollstuhlfahrer können hingegen auch mit 10 bis 15 Grad Steigung umgehen, wenn sie richtig ausgerüstet sind.

Gibt es auf der Strecke kein barrierefreies WC, muss ein Rollstuhlfahrer entweder eine andere Route nehmen oder sich gegebenenfalls einen Katheter legen. “Alles Entscheidungen”, erklärt Matt, “die ich mit den richtigen Informationen selbst treffen kann.” Wie ist die Route an den Bahnhof angebunden? Wie ist der Boden des jeweiligen Weges beschaffen? Mit welcher Steigung müssen die Menschen bei der Tour rechnen? Und gibt es auf der Strecke eine rollstuhlgerechte Toilette?

“Wenn ich so was nicht weiß”, so Hans-Peter Matt, “ist es eine Tour ins Ungewisse”. Neben den Wegbeschreibungen geht es ihm aber auch um die Erschließung neuer Wanderwege sowie um den Umbau bereits bestehender Routen. Profi Matt berät deshalb die Natur- und Nationalparks im Schwarzwald. Er erstellt Wanderführer und unterstützt kommunale Projekte dabei, die Richtlinien zur Barrierefreiheit sinnvoll ein- oder umzusetzen.

Eine Vielzahl rollstuhlgerechter Touren gibt es beispielsweise schon im Nationalpark Sächsische Schweiz, und auch in der Eifel sind über die Jahre schöne Wege entstanden. Von der Beschreibung der Anfahrtsmöglichkeiten bis hin zum Grad der Steigung stehen alle nötigen Informationen zur Verfügung.

Barrieren gehören zum Leben

Auch Matt zieht regelmäßig los. Er hat für seine Touren ein eigenes Bewertungssystem entwickelt. Neuerdings übernachtet er mit einigen seiner Gruppen sogar im Wald. “Barrierefreie Toiletten gibt es da zwar nicht immer”, sagt er: “Aber solche Herausforderungen gehören zum Wandern halt dazu.”

 

Tipp

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