Osteoporose: Die vernachlässigte Volkskrankheit

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Es ist eine schleichende Krankheit, die Millionen ältere Menschen belastet: Osteoporose könnte besser diagnostiziert und therapiert werden, glauben Mediziner. Dabei kommt es auf Ärzte an und auch auf die Patienten selbst.

Reden und Austauschen hilft, da sind sich die Damen rund um die Kaffeetafel sicher. Vielleicht sogar mehr als alles andere. Denn Therapien, Sportprogramme und Diäten haben sie bereits ausprobiert, um ihre langsam voranschreitende Krankheit zumindest aufzuhalten. Manche mit und manche ohne Erfolg. Sie alle leiden an Osteoporose – jene auch als Knochenschwund bezeichnete Krankheit, der der Welttag am 20. Oktober mehr Aufmerksamkeit verschaffen soll.

Bei den überwiegend weiblichen Betroffenen funktioniert der Knochenaufbau nicht richtig, das Skelett wird brüchig. Einige Teilnehmerinnen der Osteoporose-Selbsthilfegruppe in Münster haben durch wiederholte Knochenbrüche sehr schmerzhaft erfahren, was das bedeuten kann. „Das sind Schmerzen, die das ganze Leben verändern. Man kann gar nicht mehr richtig teilnehmen”, sagt Anke, die ihren vollen Namen nicht veröffentlicht sehen will.

Die 48-Jährige leidet seit zehn Jahren, immer wieder hatte sie Rippenbrüche. Inzwischen kann sie auch ihrem Bürojob nicht mehr nachgehen. Dass die Krankheit wie bei ihr schon Jahre vor den Wechseljahren auftritt, kommt selten vor. Das Alter ist neben dem Geschlecht der wichtigste Risikofaktor: Nach Hochrechnungen von Krankenkassen-Daten ist eine von vier Frauen und einer von 17 Männern über 50 Jahren betroffen. Insgesamt haben rund 6,3 Millionen Deutsche die Krankheit.

Weit verbreitet und doch für viele ein Fremdwort

„Und trotzdem ist Osteoporose für viele noch ein Fremdwort”, ärgert sich Irene Buddendick, Leiterin der Selbsthilfegruppe. Sie selbst hat sich ihrer Diagnose so früh gestellt, dass es ihr inzwischen gelungen ist, den Knochenabbau soweit zu stoppen, dass sie die Medikamente absetzen konnte. Mit ihrem frühzeitigen Einschreiten ist sie ein mustergültiges Beispiel, das aus Sicht von Knochenexperten leider noch viel zu selten ist.

Trotz der weiten Verbreitung wird die Erkrankung in der Öffentlichkeit wenig thematisiert. „Es ist nicht sexy, über alte Knochen zu sprechen”, sagt Prof. Andreas Kurth, der Vorsitzende des Dachverbands Osteologie (DVO), einem Zusammenschluss von Wissenschaftlern, die sich mit Knochengesundheit beschäftigen.

Zwar ist Osteoporose nicht unmittelbar lebensbedrohend, doch wenn man nichts dagegen tut, kann sie die Lebensqualität erheblich einschränken. So kommen nach einer gebrochenen Hüfte nur die Hälfte der oft hochbetagten Patienten wieder auf die Beine, berichtet das Kuratorium für Knochengesundheit. Jeder Fünfte stirbt nach einer solchen Verletzung binnen eines halben Jahres.

Mangelnde Aufmerksamkeit auch bei Ärzten

In einer alternden Gesellschaft müssten diese Zahlen alarmieren. Doch Knochenexperten beklagen unisono eine mangelnde Aufmerksamkeit für das Krankheitsbild – bei Patienten und auch bei Ärzten. Einen Grund nennt Hermann Schwarz, Orthopäde und ebenfalls DVO-Vorstandsmitglied: Osteoporose ist eine relativ junge Krankheit – nicht alle Hausärzte erkennen die Anzeichen. „Wir haben erst seit den 1980er Jahren Therapiemöglichkeiten, bei vielen meiner Kollegen war Osteoporose in der Ausbildung kein Thema”, berichtet er. Junge Kollegen seien deutlich sensibilisierter.

Auch der Patient sei in der Pflicht, glaubt Kurth: Genauso wie man regelmäßig zur Zahnarztkontrolle gehe, sei es auch wichtig, das persönliche Osteoporose-Risiko zu kennen. Neben Alter und Geschlecht spielt es etwa eine Rolle, ob man Cortison oder andere Medikamente nimmt, die die Knochen schädigen können. Rauchen, Untergewicht und eine bestimmte genetische Veranlagung sind weitere Risikofaktoren. Ein Arzt könne feststellen, ob die Knochendichte oder ein geringer Vitamin-D-Spiegel Anlass zur Sorge sind.

Schwierige Suche nach der richtigen Behandlung

Doch selbst wenn Ärzte eine Osteoporose erkennen und eine Therapie anregen: Viele Patienten bleiben nicht dabei, setzen Medikamente schon im ersten Jahr wieder ab: „Es ist nicht wie bei einem Blutdruckmittel, dessen Erfolg man sofort sieht”, erklärt Kurth.

Frust mit Medikamenten und die Unsicherheit, ob eine Therapie der richtige Weg ist, kennen auch die Patientinnen in Münster. „Jeder Arzt sagt doch etwas anderes”, klagt eine. Doch dass sie hier um einen Tisch sitzen, zeigt eines: Sie sind fest entschlossen, dass die Krankheit sie nicht beherrschen soll.

Das gilt besonders für die Jüngste unter ihnen: „Ich tue alles, um einen weiteren Bruch zu vermeiden”, sagt die 48-jährige Anke. Die Suche nach der besten Behandlung ist für sie noch nicht vorbei.

Von Florentine Dame (dpa)