Simsen und Twittern auf Lorm

© Design Research Lab, Berlin

© Design Research Lab, Berlin

Taubblinde Menschen kommunizieren unter anderem über die Berührung der Handinnenflächen. Gespräche mit Menschen, die diese Verständigungsform nicht beherrschen, sowie Gespräche auf Distanz oder in Gruppen sind daher kaum möglich. Ein Team von Designforschern der Universität der Künste Berlin (UdK) hat jetzt einen Handschuh entwickelt, der den Betroffenen die Kommunikation erleichtern soll.

Ein vorsichtiger Druck auf die Daumenspitze. Ein leichtes Streichen über den Zeigefinger. Das eine ist ein A, das andere ein B. Taubblinde Menschen kommunizieren mit ihrer Umwelt meist über das Lorm-Alphabet. Eine Sprache, die über einfache Berührungen der Handinnenflächen funktioniert und die auf der Straße kaum jemand, der keine Sinnesbeeinträchtigung hat, beherrscht. Am Design Research Lab der UdK haben die Doktoranden Tom Bieling, Tiago Martins und Ulrike Gollner jetzt einen mit Sensoren ausgestatteten Lorm-Handschuh entwickelt. Er soll Taubblinden den sozialen Kontakt erleichtern, indem er das Tast-Alphabet in Text umwandelt und umgekehrt.

„Anfangs konnte ich mir gar nicht vorstellen, dass Menschen, die weder sehen noch hören, überhaupt miteinander kommunizieren können“, sagt Bieling. Dass sie es durchaus können und wie dies funktioniert, haben er und sein Team bei der Entwicklung des Mobile Lorm Glove (Mobiler Lorm-Handschuh) im Rahmen des Projektes DesignAbilities erfahren.

Vom Lormen und Gebärden

In Deutschland leben Schätzungen zufolge etwa 6.000 taubblinde Menschen. Viele sind gehörlos geboren und erst im Laufe ihres Lebens erblindet, andere sind es seit ihrer Geburt. „Diejenigen, die in ihrer Kindheit sehen konnten, beherrschen oft die Gebärdensprache“, erklärt Dorothee Reinert vom Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin (ABSV). Anders als taube Menschen können sie die Antworten jedoch nicht sehen. Die Gesten ihres Gegenübers verstehen sie nur, wenn sie ihre Hände auf die ihres Gesprächspartners legen und seine Gebärden ertasten können.

Die zweite Möglichkeit der Verständigung ist das Lorm-Alphabet. Gerade für Menschen, die von Geburt an weder sehen noch hören können, sind Lormsignale oft die einzige Möglichkeit, um sich mit ihrer Umwelt zu verständigen. „Lormen ist eigentlich eine sehr einfache Sprache“, erklärt Reinert, „nur erlernt sie kaum jemand, der nicht eine taubblinde Person in seinem Bekanntenkreis hat.“ Viele taubblinde Menschen seien daher oft stark sozial isoliert.

DesignAbilities 

Der Lorm-Handschuh ist Teil des DesignAbilities”- Forschungsprojektes des Design Research Lab der UdK. Ziel des Projektes ist die Verbesserung von Informations- und Kommunikationstechnologien, um Menschen mit Behinderung den Alltag zu erleichtern und ihre soziale Teilhabe zu fördern.

Der mobile Lorm-Handschuh

Bielings, Martins und Gollners Handschuh soll taubblinden Menschen helfen, mit ihrer Umwelt leichter in Kontakt zu treten. Im Grunde ist ihr Handschuh eine einfache digitale Übersetzungsmaschine. “Für ein A drücke ich auf die Fingerspitze meines Daumens, also auf die Stelle, wo sich der Buchstabe beim Lorm befindet“, erklärt Bieling, „bin ich mit dem Tippen fertig, wird die Nachricht als SMS oder per E-Mail versendet.“

Vor dem Eintippen der Buchstaben, kann der Handschuhträger über eine bestimmte Druckkombination den Empfänger anwählen. Dann folgt das Tippen der Nachricht auf der Innenseite des Handschuhs. Die Drucksensoren bündeln Buchstabe für Buchstabe die Informationen und geben sie dann an ein Bluetooth-Gerät, das sich am Unterarm des Trägers befindet weiter. Ist der letzte Lorm-Satz eingegeben, werden die Daten übersetzt und als Textnachricht verschickt.

SMS- und E-Mail-Kommunikation für Taubblinde

Der Handschuh kann Nachrichten jedoch nicht nur versenden, er kann sie auch empfangen. Der Gesprächspartner kann einfach per SMS oder per Spracheingabe antworten. Die Mitteilung wird dann mit Hilfe einer eigens entwickelten App zurückübersetzt und an die Handschuhoberfläche weitergegeben, die dann an den entsprechenden Stellen, vibriert – ganz so, als würde tatsächlich jemand über Daumen und Zeigefinger streichen.

Mit dem Handschuh können taubblinde Menschen nicht nur über größere Distanzen und mit Lorm-Unkundigen kommunizieren, er ermöglicht ihnen auch Gespräche in der Gruppe zu führen. „Gerade für den Unterricht in Schulen kann das eine große Bereicherung sein“, glaubt Bieling. Zukünftig wollen er und sein Team den Handschuh so weit entwickeln, dass auch E-Books und Hörbücher auf ihm „gelesen“ werden können.

Bislang existiert der Handschuh nur als Prototyp. Die ersten Praxistests waren allerdings äußerst erfolgreich und die Reaktionen der Testpersonen positiv. „Der Handschuh ist momentan zwar noch ein bisschen unhandlich“ meint Bieling, „aber das werden wir ändern.“