Tollwut

Louis Pasteur rettet dem kleinen Joseph Meister mit der ersten Tollwutimpfung das Leben. © picture-alliance/MAXPPP

Louis Pasteur rettet dem kleinen Joseph Meister mit der ersten Tollwut-Impfung das Leben. © picture-alliance/MAXPPP

Hat sich ein Mensch mit Tollwut infiziert, gab es für ihn lange Zeit keine Heilung. Aber keine Panik: Heute können wirkungsvolle Impfstoffe den Ausbruch der Krankheit verhindern – sogar nach der Infektion.

Als der spanische Neurologe Juan Gómez-Alonso den Film „Bram Stroker’s Dracula“ sah, fiel ihm etwas Überraschendes auf: Viele Eigenschaften, die Stroker dem Vampir zuschrieb, stimmen mit den Symptomen der Tollwut überein. Zudem spielen viele Vampirgeschichten in Regionen, in denen früher häufig Fälle von Tollwut auftraten.

Seine These: Dracula und seine Artverwandten waren weder notorische Blutsauger noch das Weihwasser scheuende Untote – sie waren schlicht und ergreifend Tollwütige. In der Wissenschaft ist das freilich umstritten.

Was ist Tollwut?

Eine tödlich verlaufende Infektionskrankheit, die das Nervensystem befällt. Auslöser ist das sogenannte Rabiesvirus (lat. rabies „Wut“, „Raserei“). Am häufigsten kommt es bei Fledermäusen, streunenden Hunden und Füchsen vor. Durch den Biss eines infizierten Tieres wird das Virus auf den Menschen übertragen. Eine Infektion ist auch über kleinere Hautverletzungen und Kratzer möglich.

Tollwut in Deutschland

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben weltweit jährlich rund 55.000 Menschen an Tollwut. Deutschland gilt in Bezug auf Wild- und Haustiere als tollwutfrei. Hierzulande wird die Infektion eigentlich nur noch über Fledermäuse übertragen. Allerdings tragen Fledermäuse einen Virustyp in sich, der uns Menschen weniger gefährlich wird. Nach dem Infektionsschutzgesetz muss in Deutschland jeder Verdacht auf Tollwut dem Gesundheitsamt gemeldet werden.

Da tollwütige Tiere oft ihre Scheu vor Menschen verlieren, ist Vorsicht geboten: Fuchs und Fledermaus nähern sich nicht, um zu kuscheln.

Wie verläuft die Krankheit?

Das Virus vermehrt sich zunächst im Bindegewebe und in den Muskelzellen um die Wunde herum. Die ersten Symptome ähneln meist der einer Grippe, dazu gehören Kopfschmerzen, Übelkeit und Appetitlosigkeit. Fieber kann auftreten, muss es aber nicht. Außerdem brennt die Bisswunde stark, juckt und tut weh. Wie die Krankheit weiter verläuft, hängt von Verlauf der Infektion ab.

… die „wilde Wut“

In rund 80 Prozent der Fälle gelangt das Virus über das Innere der Nervenfaser in das Rückenmark und schließlich ins Gehirn. Normalerweise ist unser Gehirn ein Hochsicherheitstrakt und wehrt unerwünschte Eindringlinge effektiv durch seine Blut-Hirn-Schranke ab. Das Rabiesvirus hält dieser Schutzfilter jedoch nicht auf. Im Gehirn angekommen, schädigt es das Nervengewebe. Es kommt zu Entzündungen, die sich dann über das zentrale Nervensystem (ZNS) bis hin ins periphere ausbreiten. In der Fachsprache heißt diese Phase auch enzephalitische Tollwut (altgriech. Enzephalitis „Entzündung des Gehirns).

Betroffene können oft nicht mehr richtig schlucken und entwickeln eine starke Angst vor Wasser (griech. Hydrophobie) – nicht nur vor geweihtem. Bereits der bloße Anblick einer Sprudelflasche oder das Geräusch der Toilettenspülung lösen Unruhe und Krämpfe aus. Viele Erkrankte reagieren überempfindlich auf starken Luftzug oder Licht, sind verwirrt, aggressiv oder halluzinieren. Nach wenigen Tagen fallen die mit Tollwut Infizierten meist ins Koma und sterben an Atemlähmung.

… die „stille Wut“

In rund jedem fünften Fall einer Tollwutinfektion lassen die Krämpfe und Unruhezustände mit der Zeit nach und das Virus greift das Rückenmark an. Das Rückenmark ist die Verbindung zwischen unserem Gehirn und dem zentralen Nervensystem. Es gibt die Signale des Gehirns an Muskeln und Organe weiter und informiert das Gehirn, was der Rest des Körpers so treibt. Die Virusinfektion stört diesen Informationsfluss.

Die Impfung

Beißt mich ein infiziertes Tier, sollte die nachträgliche Impfung am besten innerhalb der ersten Stunden erfolgen. Wie schnell der Virus das Gehirn oder das Rückenmark erreicht, hängt stark von der Virusmenge ab, aber auch von der Stelle und Art des Bisses. Bei einer Kopfwunde treten die ersten Symptome meist viel schneller auf als bei einer Beinverletzung. Gelangt der Virus durch den Biss direkt in die Blutbahn, ist die Inkubationszeit – die Zeit zwischen Infektion und Ausbruch der Erkrankung – ebenfalls um einiges kürzer. Vorbeugend impfen lassen müssen sich in der Regel nur Menschen, die häufig Kontakt mit Tieren haben, etwa Förster oder Tierärzte. Aber auch Touristen, die in Länder reisen, in denen die Tollwut nach wie vor verbreitet ist, wird vorab zur Impfung geraten. Zu diesen Regionen zählen etwa Indien oder Südamerika.

Um die Bissstelle herum breitet sich eine Muskelschwäche aus. Darauf folgt eine sogenannte schlaffe Lähmung. Sie beginnt meist an Armen und Beinen, weitet sich dann immer mehr aus und legt schließlich auch den Schließmuskel von Blase und Mastdarm lahm. Daneben treten Symptome wie ein gestörtes Temperaturempfinden, Schlaflosigkeit und Angst auf. Die Organe versagen in der Regel bereits nach wenigen Tagen, ähnlich wie bei der „wilden Wut“ fällt der Infizierte schließlich ins Koma und stirbt an Atemlähmung. Mediziner nennen diese Form der Krankheit auch die paralytische Tollwut (griech. parálysis παράλυσις „Lähmung“, „Erstarrung“).

Gibt es wirklich keine Heilung?

Ist die Krankheit einmal ausgebrochen, führt sie innerhalb weniger Tage bis Wochen zum Tod. So alt wie Dracula (dessen Sterbealter wir freilich gar nicht genau kennen) werden Menschen mit Tollwut also nicht.

Dank Louis Pasteur, dem genialen Chemiker und Mikrobiologen, gibt es heute aber wirkungsvolle Impfstoffe gegen die Tollwut. Besonders wichtig: Sie verhindern selbst einige Zeit nach dem Biss den Ausbruch der Krankheit. Hierfür werden dem Betroffenen Antikörper verabreicht, die das Virus unschädlich machen (passive Impfung). Danach folgt meist eine zweite Impfung mit dem abgetöteten Virus, damit der Mensch Antikörper entwickelt (aktive Impfung).

Wer also gebissen worden ist und das Tätertier der Tollwut verdächtigt, sollte möglichst schnell zum Arzt gehen und sich impfen lassen. Was für ein Fortschritt: Zu Zeiten Draculas brauchte man zur „Virenbekämpfung“ schließlich noch einen Holzpflock – und der musste mitten ins Herz!