Trauma Teeküche: Was Spülmuffel zur Sauberkeit bringt 

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Das Bild kennt fast jeder, der in einem Büro arbeitet: Man will sich schnell einen Kaffee oder Tee holen – doch statt sauberer Tassen wartet nur eine Arbeitsplatte voller versiffter Gefäße. Eine Lösung gibt es nur, wenn alle mit anpacken.

Jeder braucht sie, aber keiner fühlt sich für sie verantwortlich. Tee- und Kaffeeküchen sind in vielen Büros eine Quelle ständigen Ärgers. Wenn sich die schmutzigen Tassen stapeln und die Regale leerer werden, ist zwar eindeutig Gefahr im Verzug – denn bald ist kein Gefäß mehr da für das morgendliche Hallo-Wach-Getränk. Doch meistens reicht das noch nicht, dass sich ein Kollege erbarmt und die Spülmaschine einräumt. Und einschaltet. Mit Spülmittel.

„Aus Studien geht hervor: Teetrinken dient der Arbeit“, sagt Karriereberater Martin Wehrle, Autor des Ratgebers „Der Klügere denkt nach“. „Oft fließen die wichtigsten Informationen beim informellen Austausch. Chefs sollten sich freuen, wenn die Mitarbeiter oft in der Kaffeeküche sind.“

In der Kaffeeküche kommen oft alte Rollenklischees zum Tragen

Doch oft regiert da das Chaos, wie Autor Philipp Fischer* in seiner Sammlung „111 Gründe, seine Kollegen zu hassen“ festgestellt hat. „Es ist jeden Morgen das gleiche, und jeden Abend dann auch wieder“, sagt er. Lauter Tassen mit Kaffee- und Teeresten, obwohl die Kaffeeküche doch auch so ein beliebter Ort zum Ratschen und Tratschen ist. „Man sollte meinen, während dieser wichtigen Tätigkeit könnte man auch gleich das Geschirr in die Maschine räumen – aber das ist offenbar zu viel verlangt.“

Während Fischer sich in schöner Regelmäßigkeit selbst des Chaos annimmt, kommen anderswo oft alte Rollenklischees zum Tragen, hat Wehrle festgestellt: „In vielen Firmen bedeutet ‚Frauenförderung’, dass Frauen den Vortritt beim Teekochen haben.“ Männer hingegen ließen sich gern bedienen, indem sie so tun, als könnten sie keinen Tee kochen oder erst recht keine Tasse abwaschen.

Dabei geht es immer auch um Status und Macht, sagt der Experte: „Wer sich für mächtig hält, will sich bedienen lassen.“ Tätigkeiten wie das Ausräumen der Spülmaschine oder ein simpler Wechsel des Kaffeefilters gelten da nicht gerade als Chefsache.

Ein anderes Problem: der Tassenschwund. „Für die Mitarbeiter ist es jeden Tag von Neuem ärgerlich – peinlich wird es allerdings, wenn Kunden kommen und man ihnen nicht mal ein Getränk anbieten kann.“ So kann das interne Problem für ein Unternehmen sogar zu einem öffentlichen Ärgernis werden. Was also tun?

Etikette-Expertin Christina Tabernig rät zur einfachsten aller Lösungen: „So wie man einen Raum vorgefunden hat – nämlich sauber – so sollte man ihn auch wieder verlassen.“ Oft reicht das aber nicht, stattdessen braucht es klare Regeln und Putzpläne. „Die Zuständigkeit muss geklärt werden“, sagt Rita Schilke, die als Aufräum-Coach Ordnung in Privathaushalte und Büros bringt. „Es muss klar sein, wer für das Ein- und Ausräumen der Spülmaschine, das Zurückstellen der Tassen in den Schrank jeweils zuständig ist.“

Zuständigkeiten klären

Das könne im Turnus wechselnd immer eine andere Person oder ein anderes Team sein. „Oder es gibt eine Servicekraft, die dafür bezahlt wird.“ Allerdings muss auch jemand diese Aufgaben koordinieren, betont Schilke. „Diese Person muss im Notfall auch mal jemanden bezüglich seiner Zuständigkeit ansprechen können.“

So verhindert man eventuell Schlimmeres. Denn es gibt durchaus Eskalationsstufen in der Kaffeeküche, sagt Philipp Fischer: „Vom freundlichen Ansprechen der Kollegen über das Rumgebrüll bis zur Einmischung des Abteilungsleiters habe ich da schon alles erlebt.“ Und es gibt noch ein anderes Minenfeld, sagt Wehrle: „Oft übertragen sich Konflikte aus dem Alltag in die Teeküche: Weil der Kollege mein Projekt torpediert hat, schwärze ich ihn dafür an, dass er grundsätzlich fremde Kaffeetassen verwendet.“

Damit es gar nicht erst so weit kommt, lohnt es sich, bei allen Nutzern ein gemeinsames Sauberkeitsverständnis herzustellen. „Das muss kein großer Akt sein, schafft aber für alle Klarheit“, sagt Aufräum-Coach Schilke. Beispielsweise könne es eine kurze Einweisung bei Neueinstellungen oder bei der Verteilung der Zuständigkeiten geben. So entschärft man nicht nur den Krisenherd Spülmaschine – sondern auch den eventuell noch gefährlicheren Kühlschrank.

„Man lernt immer wieder neue Formen von Schimmel kennen und sieht Wesen, die man biologisch gar nicht einordnen kann“, sagt Autor Fischer. Je mehr Menschen das Gerät nutzen und ihre Lebensmittel darin vergessen, umso spannender wird es.

Auch die Kaffeesatzbehälter müssen geleert werden

Ausmisten, und zwar regelmäßig, ist da der Rat von Schilke. „Es sollte angekündigte Reinigungstermine geben, bei denen alle Nutzer aufgefordert werden, mal nach dem Rechten zu sehen.“ Wird in der Küche auch Essen zubereitet und im Kühlschrank aufbewahrt, sollte das einmal im Monat passieren. Sonst reicht ein vierteljährlicher Termin.

Und es gibt noch mehr Problemfelder: die Kaffeemaschine zum Beispiel. Nicht nur, dass der Wassertank dauernd leer ist, wenn das Gerät nicht gleich an die Leitung angeschlossen ist. „Auch die Kaffeesatzbehälter sind immer voll“, sagt Fischer. Auch hier fühlt sich natürlich niemand zuständig – man ist ja im Büro und nicht in der eigenen Küche.

„Man kann an der Büroküche verzweifeln“, sagt Fischer. Aber damit sei auch keinem geholfen. Also räumt er weiterhin die Spülmaschine ein und aus.

* Der Name Philipp Fischer ist ein Pseudonym.

Von Verena Wolff (dpa)