Viele brauchen im Pflegefall trotz Versicherung Sozialhilfe

Ein Platz im Pflegeheim kann teuer werden. Die vor 20 Jahren eingeführte Pflegeversicherung soll Patienten vor zu hohen Kosten schützen. Tatsächlich müssen aber noch immer viele Pflegebedürftige Sozialhilfe beantragen, weil das Geld nicht reicht.

Viele Bundesbürger rutschen auch 20 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung im Pflegefall noch immer in die Sozialhilfe ab. Etwa 30 Prozent der Patienten in Pflegeheimen seien teils oder vollständig abhängig von Sozialhilfe, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Tews, am Dienstag in Nürnberg. Vor Einführung der Pflegeversicherung seien es etwa 40 Prozent gewesen, erläuterte er zu Beginn der Messe “Altenpflege 2015”. Das Bundesgesundheitsministerium geht dagegen von zwei Drittel aus.

“Wir bewegen uns derzeit wieder in diese Richtung”, sagte Tews. Dabei sei die Pflegeversicherung am 1. Januar 1995 mit dem ureigenen Ziel eingeführt worden, Pflegebedürftige vor Sozialhilfe zu schützen. Die Kassenleistungen seien unzureichend und müssten ausgebaut werden.

Nach den Worten von Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sollte die Pflegeversicherung “von Anfang an keinen Vollkostenersatz gewährleisten.” Mit steigenden Pflegekosten sei auch der Anteil der auf Sozialhilfe angewiesenen Pflegebedürftigen gestiegen, er liege aber immer noch unter dem Wert bei Einführung der Pflegeversicherung.

Den Beitrag zur Pflegeversicherung teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 1995 betrug der Beitragssatz noch 1 Prozent des Bruttoeinkommens. Seit Anfang 2015 liegt er bei 2,35 Prozent.

Kranken- und Pflegeversicherung streiten über Zuständigkeiten

Der Präsident des Deutschen Pflegerates, Andreas Westerfellhaus, sprach sich für die Zusammenlegung von Kranken- und Pflegeversicherung aus. Mittlerweile gebe es ein zunehmendes Gerangel, wer für welche Leistungen zuständig ist. “Jemand, der beispielsweise eine Urindrainage benötigt, wird dazu aus Budget- und Zuständigkeitsgründen ins Krankenhaus verlegt, obwohl das die Pflegekraft vor Ort genauso kompetent machen könnte”, sagte Westerfellhaus. Leidtragende seien die Pflegebedürftigen, die aus ihrem Alltag herausgerissen würden. “Und zwischen den Mühlen werden die Pflegekräfte zermahlen.”

Auch Vertreter von häuslichen Krankenpflegediensten kritisierten in Nürnberg die Vergütungen der Kassen. Der Leiter des Referats Gesundheits- und Altenhilfe des Caritasverbandes Hochrhein, Rolf Steinegger, geht davon aus, dass mindestens 40 Prozent der Sozialstationen unter kirchlicher Trägerschaft in ihrer Existenz gefährdet sind. “Die Steigerungen der Personalkosten durch Tarifanpassungen werden seit Jahren nicht vollständig von den Kassen gedeckt.” Um überhaupt noch über die Runden zu kommen, müssten ambulante Dienste im Schnitt pro Tour 25 Patienten betreuen. Vor zwölf Jahren seien es nur 17 gewesen. Steinegger: “Dadurch wird ein eigentlich schöner Beruf unattraktiv gemacht.”