Von Zement und Demenz

zement_S1zement_S2Mit seinem Kinderbuch “Oma isst Zement” führt Autor Daniel Kratzke seine kleinen Leser vorsichtig an die Krankheit Demenz heran. Einfühlsam erklärt er, warum die Großmutter plötzlich so viele Dinge vergisst und mitunter selbst die eigene Enkelin nicht mehr erkennt.

“Oma isst Zement” hört das Mädchen (dessen Name unbekannt bleibt) ihren Vater eines Tages sagen. Was hat das zu bedeuten? Hat die Großmutter vom Zementessen so viele graue Haare bekommen? “Aber nein!”, erklären die Eltern: “Oma isst nicht Zement, sie ist dement.” Und was heißt das nun wieder? Autor und Zeichner Daniel Kratzke gibt Antwort auf diese Frage. Einfühlsam und gleichsam mit einem Lächeln erklärt er, woran es liegt, dass die Oma ihre Enkelin plötzlich nicht mehr erkennt und was es mit der Krankheit Demenz auf sich hat.

Oma ist die Beste

Noch befindet sich die Demenz der Großmutter im Anfangsstadium und scheint der Leidensdruck der Familie nicht besonders groß zu sein. Die Oma wohnt zwar bereits in der Seniorenresidenz “Sonnenschein”, doch können die Eltern ihre Tochter noch den ganzen Nachmittag mit ihr allein lassen – und das tun sie auch.

Oma und Enkelin verlassen die Residenz und gehen in den Park. Gemeinsam ärgern sie die Passanten, rülpsen heimlich vor sich hin und spielen mit den Enten am Teich. Dabei sieht Oma aus wie immer.

Ab und zu macht sich die Erkrankung allerdings doch bemerkbar. “Du hast aber einen hübschen Schal”, sagt die Oma, als sie mit ihrer Enkelin auf der Bank sitzt. “Aber den hast du mir doch gestrickt!” “Ach ja? Ich wusste gar nicht, dass ich so gut stricken kann.” In solchen Momenten trübt sich die Stimmung. Die Oma sieht traurig aus und das Mädchen weiß nicht, wie es reagieren soll. Die Eltern haben ihr zwar erklärt, dass Oma hin und wieder Dinge vergisst, doch wenn es passiert, kann sie nur abwarten und darauf hoffen, dass die Großmutter sich wieder erinnert oder das Thema wechselt. So auch, als die Oma unvermittelt anfängt, von den fliegenden Fahrrädern am Himmel zu berichten. Was soll man dazu sagen? Glücklicherweise geht die Verwirrung schnell vorüber. Die Oma bekommt Durst und beiden machen sich auf ins Café. Sie bestellen eine Portion Eis und alles scheint wieder in Ordnung.

Trotz der Schwere des Themas ist die Erzählung heiter, die Stimmung fröhlich und positiv. Entsprechend farbenfroh erscheinen auch Kratzkes Zeichnungen. Die Oma ist von Kopf bis Fuß in Lila gekleidet, das Mädchen trägt einen gelben Pullover, die Sonne scheint und das Grün der umliegenden Wiesen leuchtet freundlich.

Daniel Kratzke © privat

Daniel Kratzke © privat

Daniel Kratzke studierte visuelle Kommunikation in Krefeld. Aktuell arbeitet er als Grafiker sowie als Autor und Illustrator von Bilderbüchern.

Schaut man sich die Bilder jedoch genauer an, merkt man, dass sich in Kratzkes Zeichnungen noch mehr verbirgt. Immer wieder durchbricht er den Duktus seiner Darstellung mit realistisch wirkenden fotografischen Elementen – meistens sind es die Häuser, die sich irgendwo im Hintergrund der Bilder tummeln. Hier trifft die sonnige Kinderwelt auf die Realität. Eine Realität, die zum Glück noch in weiter Entfernung liegt.

Nicht die Krankheit steht im Vordergrund

“Oma isst Zement” soll zwar erklären, was es mit der Diagnose Demenz auf sich hat, trotzdem steht in der Geschichte nicht die Krankheit im Vordergrund. Viel wichtiger scheint Kratzke die Beziehung zwischen Oma und Enkelin. Denn auch, wenn die Großmutter immer vergesslicher wird und sich mitunter nicht mal mehr an die eigene Enkelin erinnert, so bleibt sie doch die Oma – und die beiden hatten einen schönen gemeinsamen Tag. Noch während sie Abschied voneinander nehmen, freut sich das Mädchen auf den nächsten Besuch.

 

zement_TitelInformation: Das Buch “Oma isst Zement” ist für 12,95 Euro mit einem Nachwort des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) bei arsEdition erschienen.