Vorräte für empfindliche Winzlinge: Muttermilchbank versorgt Frühchen

Frühchen sind besonders auf die überaus gesunde Muttermilch angewiesen. Aber oft klappt das Stillen klappt nach einer frühen Geburt nicht. In Dortmund eröffnete nun eine Muttermilchbank.

Johans klitzekleine Hand umschließt gerade einmal den Daumennagel seiner Mutter. In der 25. Woche der Schwangerschaft kam er mit nur 740 Gramm viel zu früh zur Welt. Mit nun fast drei Monaten entwickelt er sich gut – auch weil seine Mutter Nadine Böke ihm die Muttermilch geben kann, die er benötigt. Ein großes Glück, wie die Mediziner auf der Frühchenstation des Klinikums in Dortmund wissen.

Denn oft sind Mütter von Frühchen nicht in der Lage, die wertvolle Nahrung selbst zu geben. Deshalb hat das Krankenhaus eine hauseigene Muttermilchbank eingerichtet. Böke (36) ist die erste Spenderin. Sie gehört zu jenen Frauen, bei denen die Milchproduktion trotz strapaziöser Frühgeburt klappt. Weil die Winzlinge noch nicht selbst saugen können, übernimmt dies am Anfang eine Pumpe. Doch Johans Bedarf war viel kleiner als die Menge, die die Brüste seiner Mutter hergaben. In den ersten Tagen reichte ihm ein Milliliter als Mahlzeit.

In der sogenannten Milchküche der Frühchenstation am Klinikum in Dortmund wuchs Bökes Vorrat an Milch. Bislang wurde sie dort nur zur Versorgung des eigenen Kindes eingefroren aufbewahrt. “Man sagte mir: ‘Ihre beiden Schubladen sind schon voll'”, berichtet Böke. Selbst zu Hause füllte ihre Milch das Tiefkühlfach. “Ich konnte sie nicht einfach wegschütten, weil ich um den Wert dieses kostbaren Saftes weiß.”

Wie wichtig Muttermilch ist, betonen auch Experten: Selbst wenn sie haltbar gemacht wird, sei sie industriellen Ersatzprodukten weit voraus und für die Entwicklung von Frühgeborenen besonders essenziell, sagt Prof. Michael Abou-Dakn, Geburtshilfe-Chefarzt aus Berlin und Mitglied der Nationalen Stillkommission.

Sein Kollege Prof. Dominik Schneider, Direktor der Kinderklinik in Dortmund, betont, Milch von Frühchenmüttern habe sogar einen eigenen Wert: “Noch mehr Eiweiß, mehr Antikörper, mehr Schutzenzyme.” Deshalb soll künftig Frühchenmuttermilch all seinen Kleinstpatienten zur Verfügung stehen. “Wir machen es wie die Eichhörnchen. Vorräte zu haben, ist immer gut.”

Denn: “Wir können nicht sagen: Brust, gib Milch”, sagt er. Kommt ein Kind zu früh, sei die Entwicklung der Mutterbrust nicht immer weit genug. Frühgeburten gingen zudem oft mit Krankheiten einher, die das Stillen unmöglich machen. Auch der enorme Stress und die Sorge um das Kind könnten den Milcheinschuss hemmen. 80 bis 100 Liter würden pro Jahr auf der Frühchenstation gebraucht, schätzt Schneider.

Auch an anderen Kliniken in Deutschland wird gesammelt – mit großen regionalen Unterschieden: Von den bisher 13 Frauenmilchbanken befindet sich nur eine in den alten Bundesländern, die 12 anderen liegen in Ostdeutschland. “Dort gibt es eine lange Tradition, wohl auch gesellschaftlich bedingt”, sagt Schneider. Weil Frauen in der damaligen DDR nach der Geburt schneller wieder arbeiteten, entstanden viele Sammelstellen aus der Notwendigkeit, trotzdem Milchversorgung sicherzustellen. Dortmund macht es jetzt nach München auch für die alten Bundesländer vor.

Gut zehn Liter überschüssiger Milch hatte Nadine Böke. Getestet und pasteurisiert wird sie so lange eingefroren, bis sie gebraucht wird. Für Böke war es eine Selbstverständlichkeit, zu helfen: “Meine erste Angst nach der frühen Geburt war: Oh Gott, hoffentlich klappt das mit der Milch.”

Von Florentine Dame (dpa)