Was Großeltern für Teenager bedeuten

© picture alliance/blickwinkel

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Liebevolle Babysitter, unermüdliche Vorleser mit viel Zeit, Geduld und dem besten Pudding: Viele Großeltern haben eine enge Beziehung zu ihren Enkeln. Was aber, wenn die Enkel ins Teenager-Alter kommen? Wenn Freunde, Musik, Mode und Smartphone immer wichtiger werden?

Noch nie war eine Großelterngeneration so fit. Oma und Opa erleben mit, wie die Enkel heranwachsen, sind oft eng ins Familienleben eingebunden. Viele Kinder genießen das Zusammensein: Oma und Opa haben Zeit, sind vertraut – und lassen manches durchgehen, was bei den Eltern verboten ist. Und dann kommt der Tag, an dem die Enkel – mittlerweile zu Teenagern herangewachsen – plötzlich keine Lust mehr auf die sonntägliche Kaffeerunde bei Oma und Opa haben.

In der Pubertät verschieben sich die Interessen. “Die Enkel sind dann für die Großeltern oft wichtiger, als es umgekehrt der Fall ist”, sagt Familiensoziologin Corinna Onnen, Direktorin des Instituts für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Vechta. “Während viele Großeltern nach wie vor großen Wert auf einen engen Kontakt legen, rücken sie für die Enkel mehr in den Hintergrund. Bei den Themen, die Jugendliche in dieser Zeit beschäftigen, werden die Großeltern kaum gefragt, da sind Gleichaltrige wichtiger.”

Prioritäten verschieben sich, die Bindung bleibt

Sich nun zurückzuziehen, weil die Enkel offenbar kein Interesse mehr an gemeinsamen Aktivitäten haben, wäre trotzdem der falsche Weg, sagt Familienberater Jan-Uwe Rogge aus Bargteheide bei Hamburg. Eine über die Jahre gewachsene Beziehung zwischen Großeltern und Enkeln bleibe auch in der Pubertät stabil, nur zeigten das die Enkel vielleicht nicht mehr so offen wie als kleine Kinder.

“Die Großeltern repräsentieren Wurzeln. Sie zeigen, woher man kommt”, betont Rogge. Und sie zeigten auch, “was möglich ist”. Denn die Älteren haben viel erlebt, blicken manchmal auch auf einen Lebensweg mit Schlenkern und Umwegen zurück: “Als Jugendlicher kann man nur in die Welt hinausziehen, wenn man weiß, wie man mit Stürmen klar kommt”, sagt Rogge. “Großeltern können den Enkeln genau das zeigen.”

Möglicherweise finden sie mit ihren Ratschläge sogar mehr Gehör als die Eltern: “Die Schwellen, die wir Alten setzen, können die Jugendlichen manchmal eher akzeptieren”, ist Schriftsteller Peter Härtling überzeugt. Der Großvater von acht Enkelkindern erzählt in seinem Jugendbuch “Hallo Opa – Liebe Mirjam”, wie sich ein Großvater und seine 14-jährige Enkelin Mirjam via E-Mail über ihr Leben, über Träume, über Probleme, Sehnsüchte und Erwartungen austauschen. “Großeltern sind sehr nützlich für die jungen Leute”, ist Härtling überzeugt, “weil sie, wenn die Jugendlichen Konflikte mit ihren Eltern ausfechten, als Schiedsleute fungieren können. Denn sie sind nicht so unmittelbar verletzbar.”

Großeltern sind gelassener

Auch ihre Lebenserfahrung ermöglichet ihnen diese größere Gelassenheit, ist Soziologin Corinna Onnen überzeugt: “Eltern sehen sich heutzutage enormen Anforderungen an die Erziehung ausgesetzt – und sie machen das alles zum ersten Mal.” Die Großeltern dagegen sind schon eine Generation weiter “und wissen, dass von einer Fünf in Mathe die Welt nicht untergeht”, sagt Onnen. “Sie sind nicht verantwortlich für ihre Enkelkinder – auch das macht es leichter, gelassen zu bleiben.”

Eines allerdings ist wichtig, wenn die Großeltern in Konflikten zwischen Eltern und Kindern vermitteln: “Sie dürfen nicht in Konkurrenz zu den Eltern stehen und den Eindruck vermitteln, sie könnten es besser”, warnt Familienberater Rogge. Denn dann geraten die Kinder in einen Loyalitätskonflikt, der dem Familienfrieden schadet.

Großeltern und ihre heranwachsenden Enkel – das kann eine sehr intensive Wechselbeziehung sein. “Beide können voneinander lernen”, sagt Rogge. Zum Beispiel, wenn es um den Umgang mit Computer und Smartphone geht: “Da zeigen die Enkel oft sehr viel Geduld und Einfühlungsvermögen.” Aber die Bindung zwischen den Generationen geht weit darüber hinaus: “Unsere Enkel geben uns Neugier, Wärme, Zärtlichkeit”, sagt Schriftsteller Peter Härtling. “Sie geben uns Großeltern eine Nähe zurück, die erst einmal weg ist, nachdem die eigenen Kinder erwachsen sind.”

Manchmal tut Distanz gut

Dass man sich ständig sieht, sei dabei gar nicht unbedingt erforderlich, findet Härtling: “Eine gewisse Distanz kann sogar sehr hilfreich sein: Sie trägt dazu bei, dass man Atempausen gewinnt.” Dass der pubertierende Enkel keine Lust mehr auf den Sonntagnachmittag bei Oma hat, heißt nämlich noch lange nicht, dass er von den “Alten” nichts mehr wissen will.

Von Eva Dignös (dpa)