„Wenn’s im Schritt brennt: Ab zum Arzt!“

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Mit eindeutigen Aufforderungen versuchen die Gesundheitsbehörden, der Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten entgegenzuwirken. Ein Zentrum in Bochum geht dabei jetzt neue Wege.

Geschlechtskrankheiten verbreiten sich in Deutschland wieder stärker. Die Bundesregierung versucht, gegenzuhalten. Dazu gehört auch ein neues Modellprojekt in Bochum, das jetzt eröffnete „Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin“. Es ist offen für alle und will auch die Menschen erreichen, die Hemmschwellen haben, bei Geschlechtskrankheiten zum Arzt zu gehen.

„Die Menschen kommen meist zu spät“, sagt Professor Norbert Brockmeyer, ärztlicher Leiter des Zentrums und Präsident der Deutschen Gesellschaft für sexuell übertragbare Krankheiten (DSTIG). Deshalb sei dieser niedrigschwellige Ansatz geschaffen worden. Betroffene können direkt von der Straße ins Zentrum gehen und um Rat fragen.

Die Schwelle zum ungeschützten Sex sinkt

„Die Syphilis ist wieder zurück“, mahnt der Mediziner. Im vergangenen Jahr habe es eine Zunahme von fast 20 Prozent an Neuinfektionen auf rund 6800 Fälle gegeben. Auch andere sexuell übertragbare Infektionen hätten zugenommen, ausgenommen Aids. Brockmeyers Aussagen decken sich mit Einschätzungen vom Bundesgesundheitsministerium und vom Robert Koch-Institut (RKI).

„Wir haben ältere und sexuell sehr aktive Menschen, die Syphilis oder Gonokokken haben“, sagt Brockmeyer. Das sei aber nicht alles. Im Kommen seien auch Chlamydien, die bis zur Unfruchtbarkeit führen können, humane Papillomviren, die Krebs an Geschlechtsorganen und im Gebärmutterhals erzeugen können, oder Herpes simplex.

Gesundheitsexperten schätzen, dass das Internet vermehrt zu Bekanntschaften führt. Eine schnelle Vertrautheit verleitet dann zum Verzicht auf Kondome. Partydrogen täten ein Übriges, um die Schwelle zum ungeschützten Sex zu senken.

Das Modell könnte Schule machen

Viele Menschen wissen gar nichts von einer Infektion. „Wir haben eine nicht wirklich funktionierende Chlamydien-Vorsorge bei jungen Frauen“, sagt Brockmeyer. Nur zwölf Prozent würden Vorsorgeangebote wahrnehmen. Bei Impfungen gegen humane Papillomviren seien es auch nur 40 Prozent. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat inzwischen eine Aufklärungskampagne mit Comics gestartet. Beispiel: Eine nackte Männerfigur kippt sich einen Eimer Eiswasser über das entzündete Geschlechtsteil. Kommentar dazu: „Wenn’s im Schritt brennt – ab zum Arzt!“

Das Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin in Bochum – nach eigenen Angaben in dieser Form bisher einmalig in Deutschland – beherbergt sechs Einrichtungen von der Beratung bis zur Behandlung. Das Bundesgesundheitsministerium übernimmt die wissenschaftliche Begleitung. Mit dabei sind unter anderem das St. Josef-Hospital in Bochum, die Aids-Hilfe, Pro Familia und eine von der Kirche finanzierte aufsuchende Beratung für Prostituierte.

„Das Zentrum bietet für jeden Einzelnen für die jeweilige Situation ganz neue Möglichkeiten des Herangehens an eine medizinische, psychosoziale Versorgung und Beratung“, sagt Brockmeyer. Stellt sich heraus, dass die Kooperation im Zentrum Vorteile bringt, soll das System Schule machen.

Von Wolfgang Dahlmann (dpa)