Kinder-Notfallkurs für Oma und Opa

Großmutter mit Enkel

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Großeltern sind immer häufiger in die Betreuung der Kleinsten eingebunden. Sie wollen gerüstet sein, falls mal etwas Ernstes passiert. Die Uniklinik Bonn reagiert auf die große Nachfrage.

Das Leben ist gefährlich. Auch schon für die Kleinsten. Säuglinge fallen vom Wickeltisch, wachsende Neugier lässt Kleinkinder Spülmaschinen-Tabs schlucken oder in den heißen Backofen greifen, sie fallen und stoßen sich andauernd. Manchmal wird es riskant, im Extremfall kann es um Wiederbelebung gehen.

Etwa die Hälfte der Großeltern hilft bei der Betreuung der Enkelkinder. Und sie wollen gerüstet sein für den Ernstfall. “Vor einem halben Jahr bin ich Opa geworden und in drei Monaten komme ich in die Phase, alleine das Babysitting zu übernehmen. Da möchte ich für Notfälle gewappnet sein”, sagt Kurt Pries (60).

Angst überwinden

Er gehört zu den Teilnehmern des ersten Kinder-Notfallkurses der Uniklinik Bonn nur für Omas und Opas. Die Nachfrage ist groß, viele Interessenten aus einem großen Einzugsbereich mussten für die Auftaktrunde abgewiesen werden. “Eltern und Großeltern sind vorsichtiger geworden. Wir haben weniger Kinder in Deutschland, und sie kommen immer später. Die Erwachsenen wollen alles richtig machen”, erläutert Professor Andreas Müller von der Kinderheilkunde. “Wir möchten, dass die Großeltern kompetent mit ihren Enkeln in Notfallsituationen umgehen können.” Gerade die ersten Minuten nach dem Notfall sind oft entscheidend.

An Simulationspuppen üben die Senioren die Wiederbelebung von Säuglingen und Kindern. “Ich krieg’ schon Schweißausbrüche, wenn ich nur dran denke, in eine solche Lage zu kommen. Aber ich denke, ich würde es mich jetzt trauen”, sagt Ries. Atemspende über Mund und Nase, dann mit zwei Fingern in der Mitte des Brustbein schnell und tief in den kleinen Körper drücken, um den Herzmuskel zu erreichen. “Ich hätte Angst, bei einem echten Baby so tief zu in den Brustkorb zu drücken, höre aber erleichtert, dass die Rippen noch zu weich sind, um zu brechen.”

Die Hemmschwelle, zu reanimieren, ist hoch. Ganz besonders, wenn es um ein Kind geht, weiß Müller. Zu ein bis drei Wiederbelebungen bei Jungen und Mädchen komme es tagtäglich in Deutschland. Aber nur 20 Prozent der Bevölkerung würden Reanimationsmaßnahmen einleiten, in Skandinavien seien es 60 bis 70 Prozent. Und so schärfen Kursleiter Till Dresbach und Silvia Poralla allen ein: “Handeln Sie auf jeden Fall! Haben Sie keine Angst, etwas falsch zu machen.”

Übung macht den Meister

Eberhard Neffgen (69) ist extra aus dem Westerwald angereist: “Ich habe viele Enkel, jetzt ist noch ein Säugling dazugekommen. Mein Enkeltöchterchen ist vor kurzem unglücklich gestürzt und hat sich kompliziert den Arm gebrochen. So ein Kurs kann nur sinnvoll sein.” Die 70-Jährige Wiltraud schaut öfters nach ihrem einjährigen Enkel. “Sie ist als Frühchen zur Welt gekommen. Ich passe schon mal über Nacht auf. Da hat man schon so seine Ängste. Ich habe ja doch vieles vergessen – und wohl auch manches falsch gemacht damals.”

Mit der Zeit hat sich eben einiges verändert. Kinderarzt Dresbach: “Wenn Ihr Enkel Putzmittel oder Medikamente geschluckt hat: Keine Milch geben, auch wenn man das früher immer gesagt hat. Und auch nicht zum Erbrechen bringen, so wie Sie es als Eltern vielleicht einmal gelernt haben.” Tabu ist heutzutage auch: Niemals Mehl oder Butter auf verbrannte Hautflächen – wie es einst zu Großmutters Zeiten empfohlen worden war.

Was damals wie heute gilt: “Immer schön Ruhe bewahren.” Ein Schluck Spüli oder Shampoo, ein Stückchen Lippen- oder Buntstift seien selten problematisch, beruhigt Dresbach. Und: “Sie brauchen nicht Mediziner werden, sondern Sie sollen im Ernstfall richtig agieren, bis der Notarzt kommt.” Neffgen will den Kurs ab und zu wiederholen, um sich ganz sicher zu sein: “Das kann weiß Gott nicht schaden. Man mag aufgeregt sein, aber wird nicht kopflos handeln.”

Von Yuriko Wahl-Immel (dpa)