Stand-Up-Paddling ist ein Balanceakt

Stand-Up-Paddling ist ein Balanceakt

Stand-Up-Paddeling auf dem Bodensee | Foto: Felix Kästle/dpa

Ein Board, ein Paddel, ein Gewässer – mehr braucht es nicht, um sich beim Stand-Up-Paddling fit zu halten. Einzige Voraussetzung für den Sportler: Er muss schwimmen können. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, ins Wasser zu fallen, nicht so groß, wie man meinen könnte.

„Die Kulisse der Stadt mitten auf dem Wasser stehend zu sehen, das hat mich geflasht.“ Das erzählt Robin Kassel, wenn er an seine erste eigene Tour als Stand-Up-Paddler auf dem Main in Frankfurt zurückdenkt. Vor zehn Jahren war das. Er arbeitete in einem Shop für Wassersportartikel, das einzige Board für Stand-Up-Paddling, kurz SUP, war aber ein Ladenhüter. Also hat er es selbst ausprobiert. Der Beginn einer Leidenschaft für das Stehpaddeln, die schnell auch seine Frau infizierte.

„Man kann SUP wunderbar gemeinsam betreiben, auch für Kinder geht das oder für Menschen, die sich gar nicht für so sportlich halten oder lange keinen Sport mehr gemacht haben – wenn sie schwimmen können“, erklärt Kassel. Denn das ist für alle Teilnehmer unbedingt die Voraussetzung, um mit Brett und Paddel losziehen zu dürfen.

An der Ausrüstung sollte man nicht sparen

Obwohl an den Standorten von Kassels SUP-Schule mittlerweile rund 2000 Menschen pro Jahr paddeln, ist sie für ihn bisher nur ein Nebenerwerb. Christian Hahn aus Berlin, Präsident der erst 2014 gegründeten „German Stand Up Paddle Association“ (GSUPA), spricht zwar von der „am schnellsten wachsenden Wassersportart der Welt“. Dass sich jemand alleine mit SUP den Lebensunterhalt verdienen kann, hält er aber derzeit für unmöglich. Die GSUPA kooperiert mit den Wellenreitern und dem Deutschen Kanu-Verband, hat selbst aber nicht genügend Mitglieder, um in den Deutschen Olympischen Sportbund aufgenommen zu werden.

Die SUP-Szene wird aktuell von vielen kleinen kommerziellen Anbietern bestimmt. Der Kanu-Verband reklamiert für sich eine Führungsrolle und hat schon vorletztes Jahr ein Positionspapier veröffentlicht, in dem er seine 1300 Vereine aufruft, mehr zu tun. Dank SUP hofft man auf neue, jüngere Mitglieder. Ulrich Clausing, Geschäftsführer Freizeitsport des Kanu-Verbandes in Duisburg, sagt: „SUP ist kein kurzfristiger Trend, sondern zeigt eine stabile Entwicklung, gerade in Großstädten mit geeigneten Gewässern und einer jungdynamischen Bevölkerung, also in Berlin als Hochburg, Hamburg, Frankfurt, München. Aber auch im ländlichen Raum gibt es Angebote.“

Der Verband will mit seiner Ausbildung zum „SUP-Instructor“ sicherstellen, dass auf Sicherheit und Naturverträglichkeit des Sports geachtet wird.

Robin Kassel konzentriert sich auf Freizeitsportler. Deshalb arbeitet er vor allem mit aufblasbaren Boards, weniger mit den Hard-Boards aus der Rennserie. Wer sich selbst eines zulegen möchte, sollte nicht unbedingt zur Discounterqualität greifen: „Ein billiges Brett kann für Kinder mit geringem Körpergewicht durchaus funktionieren. Aber um wirklich dauerhaft Spaß an SUP zu haben, sollte man an der Ausrüstung nicht sparen.“

Ein Board braucht eine hohe Steifigkeit, die Nase den richtigen Shape, damit die Wellen nicht übers Brett laufen. Nicht zu vergessen das Paddel, dient es doch der Beschleunigung, dem Bremsen und dem Lenken. Länge und Breite des Boards werden nach dem Körpergewicht ausgesucht.

Bevor es aber aufs Wasser geht, kommt für den Neuling an Land ein bisschen Theorie. Man lernt das Board mit Finnen und Halteleinen sowie das Paddel kennen, die Einstellung der passenden Paddellänge, die Paddeltechnik und die richtige Körperhaltung. Nach Trockenübungen und Sicherheitseinweisungen startet der praktische Teil.

Für Gruppen gibt es ein Event-Boards

Zwei Stunden dauert in der Regel so eine Einführung. Sie ist wichtig, denn viele Flüsse sind auch Schifffahrtsstraßen. Zum Verkehr der Tanker und Lastschiffe kommen noch Ausflugsdampfer, Sportboote sowie Strömungen und Untiefen. Zur eigenen Sicherheit müssen Regeln und Risiken beachtet werden, auch auf Seen und natürlich am Meer.

Eine der am meisten gestellten Fragen von Anfängern: „Was passiert, wenn ich ins Wasser falle?“ Zunächst gilt: rasch wieder aufs Brett! SUP-Boards sind länger und breiter als Surfbretter und dadurch kippstabiler. Die Wahrscheinlichkeit, ins Wasser zu purzeln, ist bei ruhigem und umsichtigem Verhalten geringer als gedacht. Die Grundzüge des SUP beherrscht man schneller als in den meisten anderen Wassersportarten.

Qualifizierte und zertifizierte Anbieter achten darauf, dass Kinder immer eine Schwimmweste tragen, für Erwachsene sollten ebenfalls Westen im Angebot sein. Bei kühlem Wetter schützen Neopren-Anzüge und auch -Füßlinge. Für Gruppen gibt es oft größere Event-Boards, die mehrere Personen gleichzeitig tragen. Und Yoga auf dem SUP-Brett taugt nicht nur für schöne Fotomotive, es ist auch ziemlich effektiv, weil man den Körper immer wieder ausbalancieren muss.

Robin Kassel ist überzeugt, dass sich SUP zu einem ernstzunehmenden Breitensport mausert. Er selbst kooperiert schon mit Vereinen und Betriebssportgruppen und strebt für die Zukunft noch die Zusammenarbeit mit Krankenkassen an. SUP ist in seinen Augen auch ein hervorragender Präventionssport.

„Stehpaddeln ist als Kombination aus Wellenreiten und Kanufahren ein hervorragendes Ganzkörper-Workout“, sagt Ulrich Clausing von Deutschen Kanu-Verband. Und nicht zu vergessen: Als Sport, der draußen in der Natur betrieben wird, ist SUP für jene, die sonst im Büro hocken, ein schöner Ausgleich.

Von Jörg Hahn (dpa)