Rund 1,5 Millionen Ugander leben mit HIV. Jahrzehntelange Kampagnen haben die Zahl der Ansteckungen reduziert – doch Diskriminierung in der Gesellschaft besteht weiterhin. Ein ungewöhnlicher Wettbewerb in Ugandas Hauptstadt Kampala geht dagegen vor.
Eine Uganderin läuft mit einem Kleid aus Federn über den beleuchteten Catwalk. In ihrer Hand ein Regenschirm, ebenfalls übersäht mit Vogelfedern. Eine weitere junge Frau präsentiert stolz ihren selbstgebastelten Rock aus etlichen Medizinfläschchen, dazu eine passende Kette. In dieser Runde des Schönheitswettbewerbs sollen die Kandidaten Charakter und Kreativität zeigen. Denn bei dem ungewöhnlichen Wettbewerb in Ugandas Hauptstadt Kampala geht es weniger um Schönheit, sondern darum, wie die jungen Menschen mit ihrer wohl größten Herausforderung umgehen: HIV.
„Ich habe in meiner Heimat schwer gelitten, weil das ganze Dorf erfahren hat, dass ich HIV habe, und mich ausgelacht hat“, sagt die frisch gekrönte Siegerin des Abends, Gloria Nawanyaga, die strahlend das Feder-Outfit präsentiert hatte. „Ich wurde verachtet.“ Die 23-Jährige will verhindern, dass andere HIV-positive Menschen ähnliches durchmachen müssen. „Als zukünftige Anwältin werde ich mit dieser Krone für die Rechte junger Menschen mit Aids kämpfen.“
Mehr als 400 Zuschauer jubeln den Kandidaten zu
Mit dem Schönheitswettbewerb „Mr & Miss Y+“ will der Veranstalter, die Aidshilfe-Organisation UNYPA, das mit einer HIV-Infektion verbundene Stigma bekämpfen. Y+ steht für „youth positive“ („Jugend positiv“). Im ostafrikanischen Uganda mit einer Bevölkerung von mehr als 41 Millionen Menschen leben der UN-Organisation gegen Aids zufolge rund 1,5 Millionen HIV-Infizierte. Dank entsprechender Medikation können sie den Ausbruch einer Aids-Erkrankung vermeiden und weitgehend ein normales und langes Leben führen. Die gesellschaftliche Diskriminierung von HIV-Positiven besteht jedoch weiter, bis hinein in die Familien.
„Das Leben war immer schwer für mich, vor allem in der Schule, wo die anderen mich auslachten, weil ich HIV hatte“, sagt der neu gekrönte „Mr Y+“, Huzairu Nyanzi. Heute leitet der 21-Jährige eine Aids-Gruppe in Kampala. „Ich habe das Trauma bewältigt. Und jetzt bin ich stolz, diesen Wettbewerb gewonnen zu haben.“
18 Ugander im Alter von 13 bis 24 Jahren hatten es beim diesjährigen Wettbewerb ins Finale geschafft. In einem Hotel in Kampala laufen die jungen Männer und Frauen am Samstagabend zu Live-Musik und bunten Lichtern über den Laufsteg. Stolz präsentieren sie kreative Outfits oder elegante Abendroben. Jeder Kandidat muss Fragen beantworten, etwa: „Wie hast du das HIV-Stigma überwunden?“. Mehr als 400 vor allem junge Zuschauer klatschen und jubeln den Kandidaten zu.
Bereits seit 2014 veranstaltet UNYPA den Wettbewerb. Vorbild war eine ähnliche Kampagne in Botsuana, einem der Länder mit den höchsten HIV-Infektionsraten im südlichen Afrika. «Wir wissen, dass dieser Schönheitswettbewerb das effektivste Mittel im Kampf gegen das HIV-Stigma und die Krankheit Aids ist», sagt UNYPA-Direktor Jacquelyn Alesi. Demnach nahmen in diesem Jahr rund 500 Ugander teil, im vergangenen Jahr waren es 350.
„Ich bin mit HIV geboren“
Uganda war einst schwer von HIV/Aids betroffen. Dank Kampagnen, die unter anderem für die Verwendung von Kondomen beim Geschlechtsverkehr warben, sanken die Infektionszahlen erheblich. Derzeit haben rund 7,1 Prozent der 15- bis 49-Jährigen HIV. „Ugandas Epidemie hat sich stabilisiert“, teilten die US-Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention mit. Doch noch immer infizieren sich rund 100.000 Menschen pro Jahr. „HIV und Aids sind nach wie vor eine sehr große Herausforderung für die öffentliche Gesundheit“, heißt es in einem Bericht der nationalen Aids-Kommission.
Die Veranstalter des Schönheitswettbewerbs wissen, dass der Kampf längst nicht vorbei ist. In der Gesellschaft das Bewusstsein für HIV/Aids zu stärken, ist dabei mit das Wichtigste – und Hauptziel von „Mr & Miss Y+“. „Ich bin mit HIV geboren“, sagt die 22-jährige Zuschauerin Prossy Nassanga. Ihre Tochter sei auch infiziert. „Ich habe gemerkt, wie sehr dieser Schönheitswettbewerb hilft, die Diskriminierung von HIV-Positiven zu reduzieren.“
Von Henry Wasswa (dpa) und Gioia Forster (dpa)