In Großbritannien dürfen Wissenschaftler künftig Erbgut menschlicher Embryonen verändern. Das soll den Erfolg nach künstlicher Befruchtung steigern. Experten befürchten einen Schritt hin zu Designer-Babys.
In Großbritannien sollen Forscher künftig das Erbgut menschlicher Embryonen gezielt verändern dürfen. Die zuständige Behörde für menschliche Befruchtung und Embryologie (HFEA) erlaubte dem Londoner Francis Crick Institute, solche Versuche an Embryonen bis zum Alter von sieben Tagen vorzunehmen. Damit wollen die Wissenschaftler die Erfolgsrate künstlicher Befruchtungen steigern. Die Erlaubnis gelte nur zu Forschungszwecken, betonte die Behörde am Montag. Veränderte Embryonen dürften keiner Frau eingepflanzt werden. Deutsche Experten bewerteten den Vorstoß skeptisch.
Bevor das Team starten kann, muss noch eine britische Ethikkommission zustimmen. Deren Sprecherin sagte, die Entscheidung falle normalerweise nach 30 Tagen, höchstens aber nach 60.
In Deutschland ist das Verändern der DNA verboten
Die Forscher in London wollen die Erfolgsraten künstlicher Befruchtungen erhöhen. Insbesondere interessiert die Gruppe um Kathy Niakan, warum es zu Fehlgeburten kommt und wie diese verhindert werden können. Dazu müsse man „verstehen, welche Gene menschliche Embryonen brauchen, um sich erfolgreich zu entwickeln“, sagte Niakan. Die Embryonen sollen von Paaren gespendet werden, die nach künstlicher Befruchtung nicht alle befruchteten Eizellen benötigen.
Konkret zielt die Genehmigung auf das Verfahren mit der Gen-Schere CRISPR/Cas9 ab. Damit können Forscher wesentlich präziser als bisher Teile der DNA ausschneiden oder einsetzen. Dass diese Methode nun genehmigt sei, sei das Neue, sagte ein Sprecher des Francis Crick Institute. Die Embryonalentwicklung erforschten Mitarbeiter des Instituts bereits seit längerem, betonte er.
Aktives Verändern der menschlichen DNA ist äußerst umstritten und in vielen Ländern – auch in Deutschland – verboten. Kritiker befürchten, dass sogenannte Designerbabys geschaffen werden könnten.
Experten kritisieren den Vorstoß der Briten
Erst im Frühjahr hatten internationale Wissenschaftler ein Moratorium für diese Forschung gefordert. Auch die Miterfinderin der Gen-Schere CRISPR/Cas9, Emmanuelle Charpentier, forderte 2015 ein Verbot von Keimbahn-Experimenten – also Versuchen an Zellen, die sich später zu Spermien oder Eizellen entwickeln. „Ich finde das nicht gut. Welchen Zweck hat es, menschliche Keimbahnzellen zu manipulieren?“, sagte die Forscherin, die jetzt in Berlin arbeitet. Es sei besser, Keimbahn-Experimente zu untersagen als umständlich einzuschränken.
Mehrere britische Wissenschaftler begrüßten dagegen die Entscheidung der Behörde. Damit würden neue Einblicke in grundlegende Gen-Mechanismen gewonnen, sagte der Gynäkologe Peter Braude vom Londoner King’s College. Der Biotechnologe Bruce Whitelaw vom Roslin Institute der Universität Edinburgh sagte, mit Hilfe des Projekts könnten Wege ausgelotet werden, unfruchtbaren Paaren zu helfen.
Der deutsche Experte Professor Hans Schöler bewertet die Entwicklung mit Skepsis: „Diese Forschung hat eine neue Qualität. Sie öffnet eine Tür, gezielt in die Keimbahn eines menschlichen Embryos einzugreifen“, sagte der Leiter des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin in Münster. „Dass solche Eingriffe nicht durchgeführt werden, war bislang internationaler Konsens. Die Briten wollen offenbar eine Vorreiterrolle einnehmen.“ Letztlich werde die Forschung darauf abzielen, Krankheiten zu vermeiden.
Auch in China finden Manipulationen an menschlichen Embryonen statt
Nach Ansicht des Direktors des Instituts für Wissenschaft und Ethik (Bonn), Professor Dieter Sturma muss man sorgsam abwägen. „Wenn ich schon riskante Wege gehe, dann muss das Risiko in einem Verhältnis zum erwartbaren Nutzen stehen. Bessere künstliche Befruchtung ist zwar wünschenswert, aber es ist fraglich, ob dies zu den wichtigsten Zielen zählt.“
Das Thema hatte schon im Mai für Aufsehen gesorgt: Damals berichteten chinesische Forscher im Fachblatt „Protein & Cell“, dass sie mit CRISPR/Cas nicht lebensfähige menschliche Embryos genetisch manipuliert hätten. Dabei ging es um das Gen, das die Blutstörung Beta-Thalassämie verursacht. Ihr Fazit: Das Verfahren müsse vor einem klinischen Einsatz noch verbessert werden.
Von Teresa Dapp und Walter Willems (dpa)