Peter Härtling hat sich mit Biografien eine große Lesegemeinde erschrieben. Acht Monate nach seinem Tod erscheint sein letztes Buch. Es ist eine schonungslose Lektüre übers eigene Leben – und den Umgang mit einer schweren Krankheit.
Seinem letzten Roman hat Peter Härtling einen Spruch von Goethe (1749-1832) vorangesetzt: „Die Summa Summarum des Alters ist eigentlich niemals erquicklich.“ Seitdem der Dichterfürst vor fast 200 Jahren gestorben ist, hat sich daran nicht viel geändert. Allerdings wird heute so manche Qual im Alter durch den medizinisch-industriellen Komplex verlängert.
Davon handelt das Buch „Der Gedankenspieler“, das acht Monate nach dem Tod des bei Jung und Alt populären Autors jetzt posthum veröffentlicht wurde. Härtling hatte das Manuskript des Romans schon beendet, als er am 10. Juli vergangenen Jahres im Alter von 83 Jahren an seinem Wohnort nahe Frankfurt starb. Das Datum war überraschend. Der Tod war es jedoch nicht, da Härtling seit vielen Jahren herzkrank war. An Diabetes und Urämie leidend, war er außerdem auf die Dialyse angewiesen.
Härtlings Alter Ego im Roman ist ein in Frankfurt lebender 80-jähriger Architekt und Journalist – der alleinstehend anders als der Autor selbst keine große Familie hat. Nach einem Sturz ist Johannes Wenger auf Rollstuhl und Pflege angewiesen. Das macht den Eigenbrötler noch einsamer und zutiefst melancholisch. Wengers Hausarzt, der auch sein bester Freund ist, holt ihn zusammen mit seiner jungen Familie immer wieder ins richtige Leben zurück.
Daraus entspinnt sich ein Nachdenken über Vergänglichkeit und letzte Freuden – zu denen für Härtling neben der Beschäftigung mit Musik, Literatur, Politik vor allem auch gutes Essen gehörte. Und der Kontakt zu liebenswerten Menschen. Wichtiger Strang im Buch ist auch die Architektur, über die Härtling kundig zu schreiben weiß.
Das macht der Autor mit der ihm eigenen Leichtigkeit und Selbstironie. Eine bewegende Lektüre ist der schmale Band aber deshalb, weil Wenger – und damit Härtling – seine eigenen Ängste als Patient in der Klinik schonungslos thematisiert. Die Scham, wenn die Schwestern ihm auf der Intensivstation die Windeln wechseln. Und die daraus resultierende Verunsicherung: „Die Pflegerinnen verschlissen ihre Freundlichkeit an ihm. Wenn es ihm danach war, forderte er sie durch eine Bemerkung oder eine unerwartete Bewegung auf, grob zu sein“, schreibt Härtling ironisch-elegant über sein Alter Ego.
Es geht um die Frage, wie man trotz Alter und Gebrechen noch seine Würde bewahren kann. Es fehlt auch nicht die Gedankenspielerei über ein selbst gesetztes Ende des irdischen Daseins. Im Buch trifft Wenger zum Schluss den von ihm bewunderten Schweizer Schriftsteller Hermann Burger (1942-1989), der sich durch eine Überdosis Medikamente das Leben nahm.
Härtling wollte sein Buch eigentlich „Schwefelgelbes Endspiel“ nennen – das hätte zum bitter-ironischen Charakter dieses Alters-Werks eigentlich gut gepasst. Schade, das der Verlag dann den Titel mit Einverständnis der Witwe geändert hat.
Von Thomas Maier (dpa)