Die Haare grau, im Gesicht Falten, die Augenlider Opfer der Schwerkraft. Der Blick in den Spiegel zeigt: Man ist nicht mehr 20. Doch wo liegt das Problem? Im Alter gelten einfach neue Maßstäbe für Schönheit.
Jung und schön. Alt und hässlich. Die Begriffspaare scheinen unzertrennlich zusammenzugehören. Denn für viele Menschen ist Schönheit und Jugend gleichbedeutend. „Man verwechselt gerne das eine mit dem anderen“, sagt Frieder Lang, Gerontopsychologe an der Universität Erlangen. Dabei sind unser Bild vom Alter und unsere Vorstellung von Schönheit eigentlich ganz unterschiedliche Dinge.
Das Vorurteil, dass mit zunehmendem Alter die Schönheit kontinuierlich abnimmt, trifft vor allem Frauen. „Während bei Frauen das Altern als hässlich wahrgenommen wird, gilt es bei Männern zunächst als attraktivitätsfördernd.“ Das sei durch zahlreiche Studien belegt, sagt Lang. „Double Standard of Aging“ – doppelte Bewertung des Alterns – nennen Forscher dieses Phänomen.
Die eigenen Stärken betonen
Der Psychologe widerspricht allerdings der These, dass dies für alle Frauen ein echtes Problem darstellt. Die meisten sehen das Älterwerden eher als Herausforderung. Sie merken, dass sich ab einem gewissen Alter die Maßstäbe verschieben. „Attraktivität wird nicht mehr an einem möglichst jugendlichen Aussehen gemessen, sondern an der Gepflegtheit der äußeren Erscheinung“, sagt Lang. Kosmetik, Stil und Pflege treten in den Vordergrund.
Viele Frauen, die in ihrer Jugend nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprochen haben, erleben diese neuen Maßstäbe sogar als befreiend. „Wir wissen aus zahlreichen Studien: Wer mit 20 oder 30 mit dem eigenen Aussehen unzufrieden war, kann sich mit 50 oder 60 dann auf einmal doch sehr attraktiv fühlen“, erklärt der Psychologe.
Stilberater, Frauenzeitschriften und Beauty-Blogs haben seit einigen Jahren die Zielgruppe „50 plus“ für sich entdeckt. Sie werben für einen selbstbewussten Umgang mit dem Älterwerden. „Die Zahl 50 ist nicht mehr der Angstfaktor, wie er das noch vor zehn Jahren war“, sagt die Stil-Expertin Martina Berg, die den Mode- und Lifestyle-Blog „Lady 50plus“ betreibt. Ihr Credo: „Wenn man schon ein bisschen länger auf der Welt ist, ist es wichtig, dass man das Beste aus sich herausholt und nicht irgendeinem Jugendideal hinterherrennt.“
Ältere Frauen sollten nicht das Ziel haben, mit ihren Töchtern die Kleidung zu tauschen, sie dürfen ihre eigenen Stärken betonen. Die habe jeder – egal ob Kleidergröße 38 oder 48. „Auch bei Rundungen oder kurzen Beinen kann man mit dem richtigen Schnitt viel erreichen“, sagt Berg.
Schönheitsoperationen sind anerkannter als früher
Bei der Kleidung empfiehlt die Stilberaterin ganz allgemein mehr Mut zur Farbe. Auch die Lippen können ein kräftigeres Rot vertragen. Grundsätzlich solle man beim Schminken im Alltag aber nicht übertreiben. „Weniger ist hier mehr. Auf Glitzer und Glamour sollte man verzichten.“ Berg rät zu Lippenstift, Wimperntusche und Rouge. Wer kein Make-Up mag, kann auch mit Bräunungspuder ein wenig Farbe ins Gesicht bringen. Ganz wichtig für die Style-Beraterin: sich nicht gehen lassen. Eine gewisse körperliche Fitness und natürlich Gesundheit sind wichtige Voraussetzungen.
Doch auch mit der besten Pflege kann man keine Falten zum Verschwinden bringen. Manchen Frauen gelingt es, sie als Zeichen von Reife zu akzeptieren. Andere haben damit Schwierigkeiten. Wer sich sehr an den eigenen Falten stört, dem bietet die modernde Medizin Möglichkeiten. Schönheits-Operationen sind heute viel selbstverständlicher als früher. „Die allgemeine Akzeptanz in der Bevölkerung hat sich gewandelt“, sagt Riccardo Giunta, Chefarzt für Plastische Chirurgie am Klinikum der Universität München.
Die Patienten kämen inzwischen sehr selbstbewusst und aufgeklärt in die Sprechstunde. Der Vizepräsident des Bundesverbandes der Plastischen Chirurgen warnt allerdings vor unrealistischen Erwartungen: „Mit ästhetischen Operationen kann man einzelne Alterungserscheinungen abmildern und ein deutlich frischeres Aussehen erreichen.“ Aus einer 70-Jährigen wird so aber sicherlich keine 20-Jährige.
Zeichen der Zeit akzeptieren
Da der Begriff „Schönheitschirurg“ in Deutschland im Gegensatz zum „Plastischen Chirurgen“ keine geschützte Berufsbezeichnung ist, rät Giunta dringend, sich die Qualifikationen des behandelnden Arztes vorher genau anzusehen. Einen seriösen Operateur erkenne man daran, dass er eine mehrjährige Weiterbildung absolviert hat, genau über Chancen und Risiken aufklärt und den Eingriff nicht verharmlost. Jede Vollnarkose birgt ein gewisses Risiko. Wenn Schnitte gemacht werden, können Gefäße und Nerven verletzt werden, es kann zu Narbenbildungen und Wundinfektionen kommen.
Auch wer sich lediglich Hyaluronsäure unterspritzen lässt, um einzelne Gesichtspartien ein wenig aufzupolstern, muss wissen: Der Effekt verschwindet nach sechs bis sieben Monaten, da der Körper die Substanz aufnimmt. „Und wenn man zu viel ausfüllt, entstehen unnatürliche Gesichter, die wie ein Ballon aufgeblasen aussehen“, erklärt Giunta. Es gilt, ein gutes Gleichgewicht zwischen Auffüllen und Straffen zu finden.
Und nicht für jeden sei eine Operation das richtige, sagt der Chirurg: „Ein alter Mensch kann sehr schön sein, auch wenn er viele Falten hat.“
Von Caroline Mayer (dpa)