Der eine bekommt kalte Füße, der andere keinen Fuß in die Tür. Jemand steht auf eigenen Füßen oder ist mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden. Füße spielen eine tragende Rolle im Leben, trotzdem schenkt der Mensch ihnen kaum Beachtung. Zu Unrecht.
Hartmut Stinus ist sein ganzes Leben „mit dem Fuß verheiratet“. Schon sein Vater vertrat das Motto: „Wer gut geht, dem geht’s gut.“ Er arbeitete als Orthopädieschuhmacher, ein Beruf, den auch Stinus erlernte, bevor er Medizin studierte und Orthopäde wurde. In seine Praxis in Northeim kommen viele Patienten mit Fußproblemen, denen man vorbeugen oder die man zumindest gut behandeln kann. Und das sind nicht etwa nur alte Leute, sondern auch junge Menschen. Die Grundlage wird oft schon in der Kindheit gelegt.
„Früher sind die Kinder viel barfuß gelaufen, heute werden sie schnell in Schuhe gezwängt.“ Der Fuß ist eingesperrt wie im Gefängnis und die Muskulatur verlernt zu arbeiten, beklagt Stinus. Die Lösung ist einfach: mehr Bewegung. Kinder sollten auf weichen Böden barfuß laufen, denn durch das Erspüren mit den Füßen wird das sensomotorische System „gefüttert“.
Füße baden Schwächen von anderen Körperstellen aus
„Den Füßen Reize geben“, fordert auch Jens Wippert, Physiotherapeut mit eigener Praxis in München. „Je weniger Material zwischen dem Fuß und der Unterlage, desto besser.“ Für Wippert ist das Grundproblem eine Kombination aus Knick-, Senk- und Spreizfüßen. „Das ist eigentlich die Grundursache aller weiteren sich am Fuß entwickelnden Symptome.“ Zu denen gehören der Ballenzeh Hallux valgus ebenso wie der gekrümmte Hammerzeh und Folgeprobleme an Knie oder Schienbein.
Ursache ist laut Wippert manchmal der Fuß an sich, es kann aber auch sein, dass er die Schwäche einer anderen Körperstelle ausbadet. „Oft entsteht über Jahre eine Überbelastung, weil etwa die Muskulatur im Becken- oder Lendenwirbelsäulenbereich ihren Job nicht macht wie vorgesehen.“
Bei jüngeren Leuten sei das Problem allerdings eher Unterbelastung. Die Füße werden im Alltag wenig benutzt, dann aber – etwa bei einer Bergtour – über das Maß hinaus gefordert. Auch wenn Frauen von Fußproblemen mehr betroffen sind als Männer, will der Physiotherapeut Pumps und High Heels dagegen nicht verteufeln. Die Schuhe seien nicht das Grundübel, sie könnten ein vorhandenes Problem lediglich verstärken. „Frauen haben im Durchschnitt das schwächere Bindegewebe, die schwächere Muskulatur und ein breiteres Becken als Männer“, erklärt er. Kommen dazu hohe Schuhe, gebe es schneller Probleme mit der Fußstabilität.
Auch Fußmuskeln müssen trainiert werden
Wenn die Füße schmerzen, gehen Betroffene am besten gleich zum Facharzt, rät Orthopäde Stinus. Dieser kann zum Beispiel orthopädische Einlagen verschreiben, die die Kasse – meist mit Zuzahlung – übernimmt. „Die Einlagen hatten lange Zeit einen schlechten Ruf“, sagt er. Der Fuß, so meinte man, würde dann nicht richtig arbeiten. Die neuen Weichschaumeinlagen aktivieren jedoch das sensomotorische System, so Stinus. Nach seiner Erfahrung haben auch sensomotorische Einlagen und das dehnbare Kinesio-Tape eine gute Wirkung.
Jens Wippert bietet in seiner Praxis Spiraldynamik an, „ein dreidimensionales Bewegungs- und Therapiekonzept“. Es wurde vor einem Vierteljahrhundert in der Schweiz erfunden und sei vergleichbar mit einer Gebrauchsanweisung für den Körper. Der Physiotherapeut gleicht die Bewegungen des Patienten mit der Idee der „richtigen“ Bewegung ab. Stinus zufolge ist das Konzept gar nicht so neu, „aber in neuen Kleidern, modisch geschnitten und gut gemacht.“ Ähnliche Übungen hatte schon Pfarrer Kneipp in seinem Repertoire, sagt der Orthopäde. Er freut sich aber über das Comeback. Spiraldynamik macht den Patienten nämlich deutlich, was sie mit ihrer Fußmuskulatur anstellen können.
Wer seine Füße fit halten will, braucht dafür aber nicht zwingend einen Therapeuten. Auf der Website www.my-medibook.de, einer Plattform für Fußchirurgen, gibt es einen kostenfreien Patiententeil mit Basis-Fußübungen.
„Barfußlaufen ist extrem gesund“
Für Prävention plädiert auch der Dermatologe Gerhard Büttner aus Neumünster. Er versorgt in seiner Praxis schmerzende Druckstellen, meist Folgen von Fußfehlstellungen. Auch Hauterkrankungen wie Fuß- und Nagelpilze sowie Warzen sieht der Hautarzt häufig. Ihm zufolge haben jüngere Leute eher mit Warzen zu kämpfen, während in der zweiten Lebenshälfte die Neigung zu Pilzen zunimmt.
Der nicht sichtbare Fußbereich sei oft das „Stiefmütterchen“ des Fußes. Dabei brauchen gerade diese Partien Pflege. Sein Rat: „regelmäßig waschen, auch Seifen benutzen.“ Beim Waschen und Abtrocknen die Zehenzwischenräume nicht vergessen, denn dort siedeln sich bei Feuchtigkeit schnell Pilze an. Worin sich alle Experten einig sind: „Barfußlaufen ist extrem gesund.“ In Schwimmbädern, Saunen und Sportumkleiden heißt es aber: Latschen tragen. Denn hat man sich Warze oder Pilz erst einmal eingefangen, wird man sie nur mit sehr viel Mühe wieder los.
Von Christina Bachmann (dpa)