Italiens Ärzte verweigern Frauen die Abtreibungen

Italiens Ärzte verweigern Abtreibungen - oft aus Karrieregründen

Tausende von Pro-Life- und Anti-Abtreibungs-Demonstranten versammelten sich in Rom für den jährlichen “March for Life”, um gegen Abtreibung und Sterbehilfe zu protestieren und den universellen Wert des Rechts auf Leben in Rom zu verkünden. © picture alliance/Pacific Press Agency

Abzutreiben wird in Italien immer schwieriger. Frauen werden unter Druck gesetzt. Alarmierend viele Ärzte verweigern Schwangerschaftsabbrüche. Sogar die Vereinten Nationen haben sich schon eingeschaltet.

Giulia F. war in der 13. Woche schwanger, als eine vorgeburtliche Kontrolle ergab, dass ihr Sohn Missbildungen und keine Chance auf ein Leben nach der Geburt hatte. In mehreren römischen Krankenhäusern wurde sie abgewiesen, bevor sie einen der insgesamt sieben Ärzte fand, die den Eingriff in der umliegenden Region Latium überhaupt noch machen. Giulia musste im Krankenhaus zwei Tage die Feindseligkeit von Pflegepersonal und Ärzten ertragen, wurde als „unchristlich“ und „Mörderin“ bezeichnet, geriet unter immensen psychischen Druck. „Ich schämte mich so sehr. Noch heute habe ich das Gefühl, gesündigt zu haben“, sagt sie.

Im überwiegend katholischen Italien gilt eine Abtreibung oft als Tabu. Viele Ärzte verweigern Schwangerschaftsabbrüche, obwohl sie seit fast 40 Jahren legal sind. Zweimal hat der Europarat Italien bereits gerügt, weil er das Recht der Frau auf eine Abtreibung durch den Mangel an gewillten Ärzten gefährdet sah. Auch der UN-Menschenrechtsausschuss hat die italienische Regierung aufgefordert, dringend Maßnahmen zu ergreifen, die das Recht auf eine legale Abtreibung garantieren.

Das Bistum Rom verurteilt die Abtreibungspille als „ethisch unverantwortlich“

Dies versucht nun die Region Latium rund um die Hauptstadt Rom: Frauen können die Abtreibungspille RU-486 direkt von Familienberatungsstellen statt wie zuvor nur im Krankenhaus bekommen. Nach heftigen Protesten des Vatikans wurde das Mittel in Italien erst 2009 zugelassen. In Deutschland und anderen EU-Ländern ist es bereits seit 1999ern erhältlich. Mit der Verlagerung auf die Beratungsstellen werde der Zugang erleichtert, kündigte das Departement für Gesundheit der Region Latium an. Das Bistum Rom, dem Papst Franziskus vorsteht, verurteilte das als „ethisch unverantwortlich“. Die Abtreibung werde so als etwas Einfaches dargestellt, das menschliche Leben werde entwürdigt.

„Die Maßnahme ist ein Schritt nach vorne“, sagt dagegen Silvana Agatone, Frauenärztin in einem römischen Krankenhaus und Mitgründerin des Verbandes Laiga, der gleichgesinnte Ärzte vernetzt. Die Situation in Italien sei besorgniserregend. Landesweit verweigerten rund 70 Prozent der Ärzte eine Abtreibung, so der Verband. In den eher konservativen südlichen Regionen steige der Anteil auf bis auf 85 Prozent.

Wegen des Widerstandes der Ärzte kommt es vor, dass Frauen die dreimonatige Frist für legale Abbrüche verpassen und dann illegal mittels Abtreibungspillen aus dem Internet oder bei unqualifizierten Ärzten abtreiben. Wird eine Frau der illegalen Abtreibung angeklagt, droht ihr eine Strafe von bis 10.000 Euro.

In Italien haben Frauen das Recht, bis zum 90. Tag der Schwangerschaft nach einem Beratungsgespräch eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Will eine Frau ihre Schwangerschaft nach dieser Frist unterbrechen, ist dies nur möglich, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist oder der Fötus schwere Missbildungen zeigt. Jedoch erlaubt das Gesetz Ärzten auch, Abtreibungen aus religiösen oder ethnischen Gründen zu verweigern.

„Ärzte, die bereit sind, Abtreibungen durchzuführen, tun oft nichts anderes mehr“

Viele Ärzte verweigern den Eingriff, um ihre Karriere zu schützen. „Abtreibungen werden als schmutzige Arbeit angesehen. Nicht-Verweigerer arbeiten oft in einem feindseligen Umfeld. Manchmal verwehren andere Ärzte oder das Pflegepersonal ihre Hilfe oder behindern einen bei dem Eingriff“, erzählt Agatone. So bleibt die Arbeit, die von Gynäkologen gemeinsam getragen werden sollte, an einigen wenigen hängen. „Ärzte, die bereit sind, Abtreibungen durchzuführen, tun oft nichts anderes mehr.“ Und viele katholische Kliniken verweigerten Abtreibungen kategorisch.

Maurizio Silvestri, ein Gynäkologe aus der Region Umbrien, ist einer, der sich umentschieden hat. „Es ist nicht einfach, eine Schwangerschaft zu unterbrechen, wenn die Lebenszeichen des Fötus so offensichtlich sind“, sagt er. Er selber hat sich erst vor wenigen Wochen dazu entschlossen, kein „Verweigerer“ mehr zu sein, nachdem er mehrmals gesehen hatte, wie gefährlich illegale Abtreibungen für Frauen sein können. „Für mich war es schlussendlich die richtige moralische Entscheidung“ – auch wenn sein Ruf darunter leide.

Die Situation spitzt sich zu, denn immer mehr Nicht-Verweigerer nähern sich dem Pensionsalter und finden keine Nachfolger. „Nur eine der fünf Universitätskliniken, die in Rom Gynäkologen ausbilden, führt Abtreibungen durch“, sagt Agatone. Der medizinische Nachwuchs könne sich notwendiges Wissen daher kaum aneignen.

Von Dominique von Rohr (dpa)