Mittelohrentzündung kann gefährlich sein

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Was harmlos anfängt, kann böse ausgehen: Deshalb sollten Betroffene mit Ohrenschmerzen zum Arzt. Steckt eine Mittelohrentzündung hinter den Beschwerden, kann das unbehandelt im schlimmsten Fall zum Hörverlust führen.

Am Anfang steht oft eine harmlose Erkältung. Nach ein paar Tagen macht sich ein starker stechender Schmerz im Ohr bemerkbar, eventuell hört man auch schlecht. Spätestens jetzt sollte man zum Arzt gehen. Denn eine Mittelohrentzündung ist nicht nur unangenehm – wird sie nicht behandelt, können schwere Komplikationen auftreten.

Eine akute Mittelohrentzündung entsteht, wenn Viren oder Bakterien aus dem Nasen-Rachen-Raum ins Mittelohr gelangen. Jeder kennt das: Bei einem starken Schnupfen geht auch das Ohr zu. Denn der Nasen-Rachen-Raum und das Ohr sind über die Ohrtrompete, die Eustachische Röhre, miteinander verbunden. „Die typische Entwicklung der Erkrankung verläuft so“, erklärt Professor Holger Sudhoff, Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde am Klinikum Bielefeld: „Man bekommt einen Virusinfekt, dabei schwillt die Schleimhaut in der Ohrtrompete an, und darauf setzt sich eine bakterielle Superinfektion, weil das Mittelohr nicht mehr ausreichend belüftet wird.“

Virale versus bakterielle Infektion

Anzeichen einer akuten Mittelohrentzündung sind vor allem starke Ohrenschmerzen, die häufig mit einem Hörverlust einhergehen, sagt Michael E. Deeg, Sprecher des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte. Eine virale Infektion könne man mit Schmerzmitteln und entzündungshemmenden Medikamenten behandeln. Wird eine bakterielle Infektion nachgewiesen, verschreiben HNO-Ärzte in Deutschland in der Regel ein Antibiotikum – spätestens wenn sich die Symptome nach zwei bis drei Tagen nicht gebessert haben. So sollen Komplikationen verhindert werden.

Wie Professor Roland Laszig, Direktor der Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik in Freiburg erläutert, kann eine unbehandelte Mittelohrentzündung nämlich schwerwiegende Folgen haben. Es sei möglich, dass die Entzündung auf das Gleichgewichtsorgan übergreift, den Gesichtsnerv schädigt oder zu einem Abzess im Warzenfortsatz führt – einer sogenannten Mastoiditis, die operiert werden muss. Wenn die Entzündung ins Innenohr vordringt, kann das zum Verlust des Hörvermögens führen, ein Durchbrechen bis ins Hirn ist sogar lebensbedrohlich.

Zwiebelsäckchen reichen zur Behandlung meist nicht aus

Laszig warnt daher davor, bei einer bakteriellen Entzündung zu lange mit der Antibiotika-Gabe zu warten. „Wir sehen bei uns in der Klinik mindestens einmal in der Woche eine Mastoiditis, weil eine Mittelohrentzündung unzureichend, unterdosiert oder falsch behandelt wurde“, berichtet der HNO-Arzt. Auch Deeg rät davon ab, Ohrenschmerzen nur mit Hausmitteln wie Zwiebelsäckchen zu behandeln, ohne einen Arzt zu konsultieren. „Wenn es wehtut, weiß man nicht, warum es wehtut. Ein gerötetes vorgewölbtes Trommelfell mit einem eitrigen Sekret weist auf eine bakterielle Entzündung hin. Das kann nur der Arzt sehen, wenn er ins Ohr schaut.“

Besonders häufig kommen akute Mittelohrentzündungen bei Kindern vor. In einigen Fällen ist eine vergrößerte Rachenmandel – besser bekannt als „Polypen“ – die Ursache. „Betroffene Kinder sind daran zu erkennen, dass sie ein schläfriges Gesicht machen, den Mund ständig offen halten und eine Schnarchatmung haben“, erklärt Deeg. Um wiederkehrende Entzündungen zu vermeiden, hilft oftmals eine Operation der betroffenen Rachenmandel.

Manchmal geht es nicht ohne Operation

Manche Menschen leiden jahrelang an wiederholten Mittelohrentzündungen und einer ständig verschlossenen Ohrtrompete. Abhilfe kann unter anderem eine Methode schaffen, die vor einigen Jahren am Klinikum Bielefeld entwickelt wurde: Dabei wird ein mit Flüssigkeit gefüllter Ballon-Katheder in der Ohrtrompete gedehnt, damit das Mittelohr besser belüftet wird. „Die Operation dauert nur fünf Minuten, sie muss aber unter Narkose und unter stationären Bedingungen durchgeführt werden“, sagt Holger Sudhoff, der die Methode maßgeblich mitentwickelt hat.

Wie Sudhoff berichtet, ist die Methode auch bei chronischen Mittelohrentzündungen anwendbar. Chronische Mittelohrentzündungen treten in Form einer chronischen Schleimhauteiterung oder in Form einer chronischen Knocheneiterung auf. Beide Formen heilen nicht von alleine aus, sie müssen operativ behandelt werden. „In der vorantibiotischen Ära ist so etwas ziemlich häufig vorgekommen“, sagt Deeg. „Seitdem akute Mittelohrentzündungen konsequent behandelt und Mandeln operiert werden, ist das hochsignifikant seltener geworden.“

Hochziehen statt schnäuzen

Am besten ist es natürlich, erst gar keine Mittelohrentzündung zu bekommen. Wer zum Beispiel bei Schnupfen nicht ständig ins Taschentuch schnäuzt, sondern eher die Nase hochzieht, vermindert laut Laszig das Risiko. „Wenn man ausschnaubt, hält man die Nase zu und erhöht dadurch den Druck. So drückt man über den Nasenrachen die Erreger durch die Ohrtrompete in das Mittelohr – das kann dann eine Mittelohrentzündung begünstigen.“ Er empfiehlt bei einer Erkältung außerdem abschwellende Nasentropfen, sich warm zu halten und eine Mütze aufzusetzen.

Von Caroline Mayer (dpa)