Seit gut sechs Jahren arbeitet die junge US-Amerikanerin Caitlin Doughty im Bestattungswesen. „Fragen Sie Ihren Bestatter“ ist ein Blick hinter die Kulissen der Branche. Es ist ein Buch, in dem Erschrecken und Witz Hand in Hand gehen.
Mit acht Jahren sah Caitlin Doughty das erste Mal einen Menschen sterben. Sie war mit ihrem Vater im Kaufhaus. Ein kleines Mädchen kletterte auf ein Geländer, verlor das Gleichgewicht und stürzte zehn Meter in die Tiefe. Das dumpfe Geräusch des Aufpralls hat Doughty auch heute, gut zehn Jahre später, noch im Ohr. In ihrer Familie wurde nie über diesen „Vorfall“ gesprochen und Doughty entwickelte eine unheimliche Angst vor dem Tod.
Um sich ihrer Angst zu stellen und das Trauma zu überwinden, ging sie nicht in Therapie, sondern fing an, im Krematorium zu arbeiten. Über ihre Arbeit im Bestattungswesen und die Erfahrungen, die sie dort machte, hat die 31-jährige Amerikanerin jetzt ein Buch geschrieben.
„Fragen Sie Ihren Bestatter. Lektionen aus dem Krematorium“ ist die sehr persönliche und erfrischend offene Auseinandersetzung einer jungen Frau mit dem Thema Tod, aber auch mit der Frage, warum wir diesen so sehr aus unserem Alltag verbannt haben.
Tote haben keinen Alabasterkörper
Früher starben die meisten Menschen zu Hause und wurden von ihren Lieben zur letzten Ruhe gebettet. Heute endet das Leben in der Regel im Krankenhaus. Was die Angehörigen danach zu Gesicht bekommen, ist eine mit Rosen verzierte Urne oder – wie es in den USA üblich ist – den hübsch einbalsamierten, mit Rouge und Lippenstift verschönerten Leichnam, so wie wir ihn aus Hollywoodfilmen wie „My Girl“ kennen.
Manche Bestattungsunternehmen, verrät uns Doughty in ihrem Buch, haben ihre Filialen sogar mit kleinen Toastöfen ausgerüstet: Der Duft frisch gebackener Kekse soll die Angehörigen von ihrer Trauer ablenken und trösten. Denn der Bestattungsindustrie geht es nicht nur um das sorgfältige Präparieren toter Körper, sondern vor allem um ihren Profit.
„Fragen Sie Ihren Bestatter“ ist sehr viel mehr als eine realistische Beschreibung vom Umgang mit den Toten – es blickt auch zurück. Anschaulich erzählt Doughty, was die Einbalsamierung mit dem Amerikanischen Bürgerkrieg zu tun hat und wie aus dem lange verpönten, „dahergelaufenen Sargtischler“ ein „hoch spezialisierter Hygiene-Profi“ – mit anderen Worten ein „Bestatter“ – werden konnte.
Morbider Humor
Der Tod, das macht Doughty deutlich, hat nichts mit Romantik zu tun. Den makellosen, toten Alabasterkörper, wie der englische Dichter Edgar Allan Poe ihn beschreibt, gibt es nicht.
Doughty macht den Tod für den Leser beinahe anfassbar. So lernen wir beispielsweise den toten Buchhändler Bryon kennen, dem sie mit einem pinkfarbenen Einwegrasierer die letzte Glattrasur verpasst und dessen Mund sich einfach nicht schließen lässt. Oder den 22-jährigen Jakob, der von einer U-Bahn überfahren wurde. Als er vor Doughty auf der Bahre liegt, glaubt sie anfangs, er hätte sich nur ein bisschen geprügelt und würde jede Sekunde die Augen öffnen und Hallo sagen – wüsste sie nur nicht, dass ihm unter den geschlossenen Lidern der linke Augapfel fehlt (der, so schätzt sie, noch irgendwo zwischen den Gleisen liegt).
Und es wird durchaus noch makabrer, etwa als Doughty das amputierte Bein einer noch lebenden Frau kremieren (Fachbegriff für „einäschern“) soll. „Vermutlich zum Vorglühen“, scherzt sie abgebrüht. Wer mit derlei Humor nichts am Hut hat, sollte besser die Finger von dem Buch lassen. Jedem anderen sei das Buch empfohlen.
“Fragen Sie Ihren Bestatter” ist im Beck C.H. Verlag erschienen und kostet 19,95 Euro.