Toben und Vorlesen: Enkelbetreuung hält Oma und Opa jung

Toben und Vorlesen: Enkelbetreuung hält Oma und Opa jung

Foto: Mascha Brichta/picture alliance/dpa Themendienst

Wer sich um seine Enkel kümmert, lebt womöglich länger. Allein deshalb sollte sich aber niemand in die Betreuung einbringen. Entscheidend ist die eigene Motivation fürs Kümmern.

Vielleicht liegt es an der Bewegung auf dem Spielplatz, die gut ist für das Herz-Kreislauf-System. Oder am Geschichten erzählen, das geistig fit hält. Jedenfalls sieht es so aus, als lebten Großeltern, die sich um ihre Enkel kümmern, länger. Allerdings gilt in dem Fall nicht: Viel hilft viel. Wer sich permanent einbringt, tut sich keinen Gefallen. Der Mittelweg ist wie so oft der beste.

Prof. Dr. Ralph Hertwig vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung hat gemeinsam mit Kollegen Daten der sogenannten Berliner Altersstudie ausgewertet. Dafür werden Menschen im Alter von 70 bis 103 Jahren regelmäßig zu ihrer Lebenssituation befragt. Das Ergebnis: Von den Großeltern, die sich um ihre Enkelkinder kümmerten, lebten zehn Jahre nach der ersten Datenerhebung noch die Hälfte. Von den Senioren, die sich nicht für Enkelkinder engagierten, war die Hälfte bereits nach fünf Jahren gestorben.

„Daraus aber zu schließen “Je mehr ich helfe, desto länger lebe ich”, ist falsch“, warnt Hertwig. So zeigten frühere Untersuchungen bereits: Für Großeltern, die ihre Enkelkinder rund um die Uhr betreuen, gilt der Effekt nicht. Denn im Übermaß erzeugt die Enkelbetreuung Stress. Der wirkt sich negativ auf die physische und psychische Gesundheit der Kümmernden aus – und damit auch auf die Lebenszeit.

Betreuung von Enkeln hält Körper und Geist fit

Wo die Belastungsgrenzen liegen, ist unterschiedlich. „Es gilt, das goldene Mittelmaß zu finden“, sagt Hertwig. Dann können Großeltern vom Kümmern um die Enkelkinder profitieren. Allerdings gilt auch dies vermutlich nur unter bestimmten Umständen: So sollte die Motivation zur Hilfe von innen heraus kommen. „Wer eine Gegenleistung erwartet, kann beim Ausbleiben dieser schnell frustriert sein“, sagt der Psychologe.

Erhard Hackler ist Geschäftsführer der Deutschen Seniorenliga und selbst Großvater. Er spricht aus Erfahrung und findet, dass die Betreuung von Enkelkindern Körper und Geist fit hält: „Man macht einfach alles mit. Egal, ob es Fangenspielen oder Schwimmengehen ist. Ohne Enkel würde man das eher nicht tun.“

Trotzdem ist es in Ordnung, wenn Großeltern sich nicht ständig um ihre Nachkommen kümmern wollen – sei es aus gesundheitlichen Gründen, aus Zeitmangel oder weil sie einfach keine Lust haben. Wer als Oma oder Opa nicht immer Sorge für seine Enkelkinder tragen möchte, sollte das gegenüber dem eigenen Kind offen zugeben, rät Hackler: „Man kann sagen: Wir lieben die Enkelkinder, aber wir haben schon dich großgezogen und brauchen jetzt unsere Freiräume.“

Umgekehrt kann auch profitieren, wer selbst keine Enkelkinder hat: Denn auch anderes soziales Engagement wird mit einer höheren Lebenserwartung in Verbindung gebracht. Als Alternative zur Enkelbetreuung bieten sich Ehrenämter an, in denen Senioren ebenfalls unter Leute und in Bewegung kommen. Das kann eine Tätigkeit in einer Kita, einem Krankenhaus oder einem Seniorenzentrum sein. Auch die Betreuung eines Kindes aus der Nachbarschaft oder die emotionale Unterstützung eines Freundes in Not kommt vielleicht infrage.

„Jeder will alt werden, aber keiner will es sein“

„Wichtig für ein gutes langes Leben ist vor allem das Gefühl, gebraucht zu werden“, sagt Prof. Dr. Christoph Englert vom Leibniz-Institut für Alternsforschung. Deshalb ist es wichtig, auch im Alter eine Aufgabe zu haben. Das kann die Enkelbetreuung sein – muss es aber nicht.

Wie ein Mensch altert, hängt stark vom Altersbild der jeweiligen Gesellschaft ab, erklärt Englert. Das sei in Deutschland im Gegensatz zu asiatischen Ländern eher schlecht – ganz nach dem Motto „Jeder will alt werden, aber keiner will es sein“. Die Alten gelten als Belastung, da die negativen Aspekte des Alterns in der öffentlichen Wahrnehmung im Vordergrund stehen.

Das wirkt sich negativ auf die Lebensqualität im Alter aus. Der Alternsforscher plädiert deshalb dafür, mit diesem Stereotyp aufzuräumen: „Auch im Alter kann man leistungsfähig sein – und seine Enkel im Memory schlagen oder etwas Neues lernen.“

Natürlich hängen Gesundheit und Lebenserwartung noch von weiteren Faktoren ab. Nicht alle lassen sich beeinflussen – aber einige schon: „Als erstes sollte man mit dem Rauchen aufhören – das befördert schnelles Altern“, sagt Englert. Wer sich dann noch gesund ernährt und aktiv bleibt, steigert seine Chancen auf ein langes Leben. Auch eine feste Partnerschaft erhöhe gerade bei Männern die Lebenserwartung.

Von Pauline Sickmann, dpa