Versteckte Kalorien – Süße Getränke im Fadenkreuz

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Erfrischungsgetränke mit viel Zucker können negative Folgen für die Gesundheit haben. Kann das Bewusstsein dafür noch mehr geweckt werden – und wie?

Erfrischungsgetränke enthalten oft große Mengen Zucker. Bei einem Test waren in einer Dose Energydrink zum Beispiel 26 Stück Würfelzucker „versteckt“. Fragen und Antworten zu den Folgen:

Wie hoch ist der Konsum von Süßgetränken?

Nach Angaben von Foodwatch ist Deutschland ein Land mit einem hohen Pro-Kopf-Verbrauch von Softdrinks und anderen gesüßten Getränken. Im Schnitt seien es 84 Liter im Jahr. Besonders junge Männer griffen gern zum Süßgetränk in Flasche oder Dose. Sie könnten so am Tag 40 Gramm Zucker zusätzlich aufnehmen, den man nicht sehe. Nach Daten der Kinder- und Jugendgesundheitsstudie Kiggs trinke ein deutsches Kind im Schnitt mehr als zwei Gläser der Zuckerbomben pro Tag, ergänzt Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte.

© Ihre Gesundheitsprofis MAGAZIN

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Warum ist viel Zucker in Getränken wenig gesund?

„Das Problem ist, dass Haushaltszucker sehr schnell ins Blut übergeht, aber keinen Sättigungseffekt hat“, sagt Andreas Pfeiffer, Ernährungswissenschaftler am Berliner Uniklinikum Charité. „Es sind einfach zusätzliche Kalorien, die wir unkontrolliert aufnehmen.“ Das trage bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung zur Fettleibigkeit bei, die wiederum Diabetes fördere. „Bei Kindern lässt sich dieser Zusammenhang mit dem Dickwerden bislang am besten nachweisen.“ Vielen Eltern sei nicht klar, wie gesundheitsschädlich Süßgetränke seien, ergänzt Fischbach. Vor allem Migranten und Menschen mit wenig Schulbildung verstünden die komplizierten Angaben auf den Flaschen nicht.

In Großbritannien sollen Getränkehersteller ab 2018 ab fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter eine Abgabe zahlen. Ist dieser Grenzwert sinnvoll?

Foodwatch hält diese Grenze für gut und plädiert für eine Zahlung auch in Deutschland. „Wir wollen mit der Abgabe nicht in erster Linie erreichen, dass die Preise für Erfrischungsgetränke steigen“, sagt Kampagnenleiter Oliver Huizinga. Es gehe darum, dass Hersteller die Zuckermenge reduzierten, um keine Abgabe zahlen zu müssen. „Auch ich halte mehr als 50 Gramm pro Liter für überzuckert“, urteilt Ernährungsexperte Pfeiffer. Eine Abgabe müsse aber an Prävention gekoppelt werden. Und es müsse wissenschaftlich nachgewiesen werden, ob die Steuer das Kaufverhalten wirklich beeinflusse. Wieland Kiess, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikums Leipzig, plädiert dafür, zumindest Fruchtsäfte und Schorlen völlig ohne Zuckerzusatz zu verkaufen.

Vier Fakten zum Zucker

Ein hoher Zuckerkonsum kann unter anderem das Risiko für Karies und Übergewicht erhöhen. Deutsche nehmen im Schnitt zu viel Zucker auf. Ein paar Fakten:

  1. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, dass weniger als zehn Prozent der Nahrung freier Zucker sein sollen. Damit sind nicht nur zugesetzte Zucker gemeint, sondern auch die natürlich in Honig, Sirup und Fruchtsäften enthaltenen.
  2. Im Durchschnitt nehmen Deutsche knapp über 100 Gramm Zucker pro Tag zu sich, pro Jahr ergibt das 36 Kilogramm. Das entspricht rund 22 Prozent der Nahrung – das Doppelte von dem, was die WHO und auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung raten.
  3. Nicht jedes Lebensmittel, das viel Zucker enthält, ist eine Süßigkeit. Die Verbraucherzentralen fanden in einer Studie Fleischsalat mit 6,5 g Zucker pro 100 Gramm, Krautsalat mit 12,3 g und Soßenbinder mit 31 g.
  4. Das Wort „Zucker“ stammt vom Sanskrit-Wort sarkara, das Geröll oder Kiesel bedeutet. Araber brachten das Zuckerrohr aus Indien in den Mittelmeerraum, von dort aus gelangte es später in die Karibik. Rüben werden erst seit dem 19. Jahrhundert für die industrielle Zuckergewinnung genutzt.

Gibt es guten und schlechten Zucker? Ist Süßstoff eine Alternative?

„Haushaltszucker ist für unseren Körper generell nicht gut geeignet“, erläutert Pfeiffer. Die sogenannte Saccharose besteht aus Glukose und Fruktose. Glukose (Traubenzucker) fördere einen schnellen Insulinanstieg und Fruktose (Fruchtzucker) habe bei mehr als 30 Gramm am Tag eine negative Wirkung auf die Leber. Pfeiffer hält Süßstoff in normalen Mengen nicht für dramatisch. „Er ist auf jeden Fall weniger problematisch als Zucker.“ Sein Kollege Kiess sieht das anders. „Durch Süßstoff verändern sich Bakterien im Darm und auch die Verdauung“, sagt er. Das könne Hungergefühle fördern. „Süßstoffe sind nicht die Lösung.“

Was soll man am besten trinken?

„Wenn wir Durst haben, brauchen wir Wasser. Und nicht Zucker“, sagt Kiess. Für Pfeiffer sind auch Tee und – für Erwachsene – Kaffee völlig in Ordnung. Wenn es süß sein soll, seien Früchtetees gut. Sie hätten im Allgemeinen einen kräftigen Geschmack – ohne viel Zucker. Auch Saftschorlen, die zur Hälfte aus Wasser bestehen, seien besser als Fruchtsäfte pur.

Wäre eine Ampelkennzeichnung auf Etiketten eine gute Idee – oder Werbeeinschränkungen für süße Kindergetränke?

„Eine Ampel für Lebensmittel ist generell zu pauschal für die komplexe Materie“, sagt Pfeiffer. „Da müsste Olivenöl einen roten Punkt bekommen, dabei ist es gesund.“ Doch Werbung spiele durchaus eine Rolle, sagt Kiess. „Die Verführung von Kindern funktioniert.“ In den USA würden schon Sechsjährige mehr als 300 Markennamen kennen. Werbung triggere sie auch, nach Süßgetränken zu verlangen.

Helfen Aufklärungskampagnen gegen versteckten Zucker in Getränken?

Es liefen bereits große Programme, aber nur mit moderatem Erfolg, wie Pfeiffer berichtet. „Im Moment ist dieses Problem ungelöst, denn Essen und Trinken hat auch mit Lust und Freude zu tun.“ Menschen wüssten oft genau wie man abnimmt – aber es klappe selten mit einem Langzeit-Effekt. Bis heute sei Adipositas (Fettleibigkeit) in Deutschland auch nicht als Erkrankung anerkannt.

Quelle: dpa