Eine frisch gemähte Wiese, das liebste Parfüm – oder Angebranntes in der Pfanne: Im Alter riechen viele Menschen all das nicht mehr. Der Verlust des Geruchssinns mindert die Lebensqualität, und er birgt Gefahren im Alltag.
Kaffeeduft am Morgen oder der Geruch eines geliebten Menschen – all das kommt einem ganz selbstverständlich vor. Doch mit dem Alter kann der Geruchssinn abnehmen. Das kommt sogar häufig vor: Bereits bei einem Viertel aller 50-Jährigen ist der Sinn gemindert, ab 70 Jahren hat jeder Dritte eine Riechschwäche, bei den über 80-Jährigen ist sogar jeder Zweite betroffen. Das Problem: Mit dem Geruchssinn geht nicht nur etwas sehr Schönes verloren, der Verlust wirkt sich in vielerlei Hinsicht auch auf den Alltag der Menschen aus.
Aber warum geht der Geruchssinn eigentlich verloren? Zum einen verändert sich der Körper im Alter – das betrifft Augen und Ohren ebenso wie die Nase: Riechzellen gehen verloren, Knochen werden dicker und blockieren Nerven, der Riechkolben wird kleiner und gibt weniger Informationen an das Gehirn weiter. Das schrumpft dazu noch, so dass die Verarbeitung der Sinneseindrücke eingeschränkt sein kann.
Zum anderen kann der Verlust des Geruchssinns ein frühes Warnzeichen für eine beginnende neurodegenerative Krankheit wie Alzheimer oder Parkinson sein, sagt Prof. Rainer Wirth, Leiter der Arbeitsgruppe Ernährung und Stoffwechsel der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG).
„Betroffene können Essen nicht mehr genießen”
Dass der Geruchssinn abnimmt, bleibt allerdings häufig unerkannt – denn die Veränderung ist schleichend. Betroffene merken oft überhaupt nicht, dass der Sinn nachlässt. Anders sieht das bei einem plötzlichen Geruchsverlust aus, etwa in Folge eines Schädel-Hirn-Traumas oder einer chronischen Nasennebenhöhlenerkrankung. Auch manche Medikamente können eine Verschlechterung des Geruchssinns zur Folge haben, ebenso ein Zink-Mangel oder trockene Schleimhäute.
Ob tatsächlich eine Riechstörung vorliegt, stellt Wirth mit Hilfe eines Screening-Tests fest. Mögliche Betroffene riechen dazu an zwölf Filzstiften, die statt mit Farbe mit Gerüchen gefüllt sind. Die Patienten müssen diese Gerüche identifizieren. Je nach Anzahl der erkannten Gerüche weiß der Arzt, ob eine Riechstörung vorliegt, und in welchem Ausmaß. Unterschieden wird bei Einschränkungen des Geruchssinns zwischen einer Hyposmie, der Verminderung des Geruchssinns, und einer Anosmie, dem vollständigen Verlust des Geruchssinns.
Die Folgen eines eingeschränkten Geruchssinns können gravierend sein, erklärt Prof. Thomas Hummel, Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Riechen und Schmecken der Uniklinik Dresden. „Betroffene können Essen nicht mehr genießen.” Denn während die Zunge nur eine grobe Geschmackseinteilung in Süß, Sauer, Salzig, Bitter und Umami vornimmt, leistet die Nase die Feinarbeit.
„Wer nicht mehr riechen kann, kann eine Birne nicht von einem Apfel unterscheiden”, sagt Hummel. Die Folge: Manche Betroffene essen weniger und nehmen ab. Das ist vor allem im hohen Alter und bei ohnehin schon fragilen Personen gefährlich. Etwa 20 Prozent nehmen bei dem Verlust des Geruchssinns aber zu. „Sie essen beispielsweise mehr Süßigkeiten, weil die noch schmecken. Außerdem fehlt ihnen das Sättigungsgefühl”, erklärt Hummel.
Der Geruchssinn ist ein wichtiges Warnsignal
„Wenn das Essen nicht mehr schmeckt, fällt außerdem eine der wenigen Freuden im Alter weg”, sagt Barbara Elkeles, Chefärztin der Klinik für Geriatrie an der Klinik Maria Frieden in Telgte. Bemerken Pflegende fehlenden Appetit oder eine einseitige Ernährung, können sie gegensteuern. Das gelingt zum Beispiel, indem sie neben dem Geruchssinn andere Sinne ansprechen und so Anreize zum Essen schaffen: Ein knackiges Brötchen etwa oder ein besonders schön angerichteter Teller können den Appetit wecken.
Insgesamt sind Personen mit mangelndem Riechvermögen auch im Alltag stark eingeschränkt: Wer nicht mehr wahrnimmt, ob er selbst oder beispielsweise die Kleidung mal eine Wäsche nötig haben, bewegt sich eventuell unsicherer und schottet sich sozial ab. Außerdem ist der Geruchssinn ein wichtiges Warnsignal, dessen Verlust mit Gefahren verbunden ist: Ältere Personen mit Geruchseinschränkungen haben häufiger Lebensmittelvergiftungen und Haushaltsunfälle. Sie riechen nicht mehr, ob die Milch abgelaufen ist oder das Essen auf dem Herd anbrennt.
Der Verlust des Geruchssinns kann auch mit einer depressiven Verstimmung einhergehen. Das liegt daran, dass im Gehirn die Areale für Geruch und Emotionen verknüpft sind. „Umgekehrt riechen Menschen mit einer Depression auch schlechter”, so Hummel.
Da das Riechen nicht so vordergründig ist wie andere Sinne, gehen viele Menschen nicht zum Arzt – sofern sie die langsam einsetzende Veränderung überhaupt bemerken. Zudem ist die Problematik im öffentlichen Bewusstsein nicht präsent, anders als andere alterstypische Einschränkungen. Dabei gibt es durchaus Maßnahmen, um den Geruchssinn zu verbessern, sagt Hummel: „Man kann den Geruchssinn trainieren – dann wachsen die Riechzellen wieder nach.” Diese Regeneration ist auch im hohen Alter möglich. Je nach Ursache können auch der Wechsel von Medikamenten oder Inhalieren zu einer Besserung beitragen.
Von Pauline Sickmann (dpa)