Wenn die Psyche das Herz aus dem Takt bringt 

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Manchen Menschen schlägt Stress im wahrsten Sinne des Wortes aufs Herz. Sie reagieren mit Beschwerden, die denen bei einem Herzinfarkt gleichen. Das sogenannte Broken-Heart-Syndrom ist gefährlicher als lange angenommen.

„Es hat ihr das Herz gebrochen“ – man sagt das so. Auch von Herzschmerz ist gern die Rede. Und dann gibt es diese Filmszenen, in denen sich jemand so aufregt, dass er mit Schmerzen in der Brust zusammenbricht. Nur dass das tatsächlich passieren kann, wissen die wenigsten. Auch Ärzten ist es noch gar nicht so lange klar. Erst seit etwas mehr als 20 Jahren ist das Broken-Heart-Syndrom bekannt.

„Das Broken-Heart-Syndrom ist eine Herzmuskelerkrankung, die durch ein hohes Level an Stresshormonen ausgelöst wird“, erklärt Felix Schröder vom Herz- und Gefäßzentrum im Albertinen Krankenhaus Hamburg, der gerade ein Buch über das Herz geschrieben hat. Mit anderen Worten: Regt sich jemand sehr auf, kann es passieren, dass sein Herz nicht mehr richtig arbeitet. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie eng das Herz mit der psychischen Gesundheit verwoben ist.

Die Herzkammer war an der Spitze enger und unten aufgeblasen

Bei Elke Enders begann es mit Schmerzen im linken Arm. Sie war am Morgen an der Nase operiert worden. Vielleicht eine Folgeerscheinung der Narkose, dachte sie. Am nächsten Morgen aber schmerzte auch ihre linke Brust. Die Ärzte fackelten nicht lange. Sie brachten die ältere Dame direkt auf die Intensivstation: Verdacht auf Herzinfarkt.

Doch die Herzkranzgefäße der Patientin sahen ganz normal aus. Keine Verstopfungen, wie es sie bei einem Infarkt geben müsste. Dafür hatte sich ihre linke Herzkammer verändert. Sie war an der Spitze enger und unten aufgeblasen wie ein Ballon. Auf Bildern sieht die Herzkammer dann aus wie ein Gefäß, mit dem in Japan früher Tintenfisch gefangen wurde: Tako Tsubo. Die japanischen Ärzte, die die schmerzhafte Veränderung am Herzen erstmals entdeckten, nannten die Krankheit deshalb Tako-Tsubo-Kardiomyopathie.

Wie genau es dazu kommt, ist abschließend noch nicht geklärt. Auffällig ist aber, dass es meistens passiert, wenn jemand großem Stress ausgesetzt war. „Nach meinen Erfahrungen ist der Tod des Ehepartners häufig ein Auslöser“, sagt Schröder. „Aber auch eine freudige Nachricht kann dazu führen“, ergänzt Professor Martin Borggrefe, Direktor der I. Medizinischen Klinik an der Mannheimer Uniklinik. Auch körperlicher Stress wie beispielsweise ein Unfall kann das Syndrom auslösen, wie eine aktuelle Studie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) zeigt.

Elke Enders vermutet einen Streit hinter ihren Beschwerden. „Als ich am Morgen auf dem OP-Tisch lag, erklärte ich dem Anästhesisten, dass ich auf eines der Narkosemittel allergisch reagiere.“ Der Arzt aber wollte ihr nicht so recht glauben und das Mittel trotzdem verabreichen. „Ich habe mich wahnsinnig aufgeregt und ihm sogar gedroht“, erinnert sich Enders. Am Ende ließ er sich auf ein anderes Mittel ein. Der Patientin aber ging der Streit im wahrsten Sinne des Wortes zu Herzen.

Ärzte vermuten, dass der Körper durch den Stress extrem viel Adrenalin und Noradrenalin ausschüttet. Diese Stresshormone wiederum lösen eine Kalzium-Ausschüttung aus. Gelangt das Kalzium in die Zellen, verkrampft sich der Herzmuskel – so die Theorie.

 Passiert es einmal, passiert es oft immer wieder

„Möglicherweise haben betroffene Menschen auch zusätzliche Bindungsstellen für Adrenalin und Noradrenalin“, sagt Jana Boer vom Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK). Das würde bedeuten, dass sie stärker auf die Hormone reagieren als andere. Denkbar ist auch, dass die Betroffenen sich eher aus der Ruhe bringen lassen als andere. Martin Borggrefe will das gemeinsam mit einer Stressforscherin demnächst herausfinden.

Was auch immer im Einzelnen dahintersteckt: Wichtig ist, dass Patienten, die schon mal ein Broken-Heart-Syndrom erlitten haben, auf sich Acht geben. „Das Syndrom ist deutlich gefährlicher, als wir bisher dachten“, sagt Borggrefe. Zwar sterben Menschen mit Broken-Heart-Syndrom viel seltener während des Ereignisses als Herzinfarktpatienten. Das Herz sieht nach ein paar Tagen wieder völlig gesund aus. Langzeitbeobachtungen zeigen aber, dass es bei vielen Betroffenen immer wieder passiert.

„Wir raten deshalb zu einer kombinierten Therapie aus Betablockern und Psychotherapie“, sagt Boer. Die Medikamente blockieren die Rezeptoren am Herzen. In der Therapie sollen die Patienten zudem lernen, besser mit Stress umzugehen. „Ratsam ist auch Ausdauersport“, sagt Borggrefe. Er stärkt nicht nur das Herz, sondern hilft auch, mit Stress besser umzugehen.

Elke Enders war die Situation auf dem OP-Tisch eine Lehre. „Ich versuche heute, mich nicht mehr so aufzuregen“, sagt sie. Natürlich ärgere sie sich hier und da mal über etwas. Aber sie lässt es nach Möglichkeit nicht mehr so nah an sich heran. „Macht ihr mal“, sage sie sich gern, wenn etwas nicht so läuft, wie es sollte. Sie weiß, dass ihr Herz besonderen Schutz braucht.

Von Teresa Nauber (dpa)