Das Auto behindertengerecht umbauen

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Jeder hat ein Recht auf Mobilität. Das steht sogar in der UN-Charta. Damit das auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen wahrnehmen können, bieten Autohersteller und Umrüster zahlreiche Speziallösungen für Behinderte an. Aber die Kosten sind hoch und die Hürden auch.

Mal eben mit dem Auto zum Supermarkt, in der Stadt ein paar Freunde treffen oder übers Wochenende ans Meer fahren – was für die meisten selbstverständlich ist, war für Menschen wie Janis McDavid viele Jahre nur ein Traum. Denn der junge Student aus Bochum ist ohne Arme und Beine zur Welt gekommen. Doch seit fast sechs Jahren sitzt McDavid regelmäßig am Steuer eines Mercedes Sprinter, den der Spezialbetrieb Paravan aus Pfronstetten-Aichelau umrüstete. Über eine Rampe kann der 24-Jährige mit seinem Rollstuhl in den Fond des Transportes fahren, von dort aus hinter das Lenkrad klettern und den Wagen mit einem kleinen Joystick steuern, den er sich unter die Schulter klemmt, erläutert Paravan-Chef Roland Arnold.

Zwar ist McDavid ein besonderes Beispiel. Damit Autofahren für ihn selbstverständlich werden konnte, musste Paravan viele Register ziehen, so dass der Umbau rund 100 000 Euro kostete. Doch das Beispiel zeigt, dass automobile Bewegungsfreiheit für Behinderte kein Wunschtraum bleiben muss. Im Gegenteil: Mittlerweile bieten Fahrzeughersteller wahlweise ab Werk oder in Zusammenarbeit mit einer halben Hundertschaft von Reha-Betrieben und Umrüstern die unterschiedlichsten Lösungen an. „Da hat sich in den letzten Jahren sehr viel bewegt“, sagt Achim Neunzling vom Bund behinderter Autobesitzer in Bexbach (Sauerland).

Unternehmen richten Kompetenz-Center ein

Das ist für die Autohersteller aber nicht nur ein soziales Engagement, sondern auch ein Geschäft: Allein Neunzlings Verein zählt 5000 Mitglieder. Unternehmen wie BMW haben nach Angaben von Pressesprecher Julian Hetzenecker im vergangenen Jahr rund 7000 umgerüstete Autos verkauft. Paravan baut laut Firmenchef Arnold mehrere tausend Fahrzeuge im Jahr um.

Für sogenannte Passiv-Fahrer gibt es spezielle Umrüstungen wie Rollstuhlrampen, geänderte Türen oder spezielle Verankerungspunkte für die Fahrhilfen. Daneben bietet sich auch ein breites Programm für Behinderte, die aktiv ans Steuer wollen. Das beginnt laut Opel-Sprecher Michael Blumenstein beim Lenkrad-Drehknopf oder dem Bediensatelliten für Blinker & Co, reicht über spezielle Sitze, geänderte Pedale oder neue Gangschaltungen und das Handgas bis hin zu Komplett-Umbauten. Weil es kaum standardisierte Lösungen gibt und die Hilfsmittel in der Regel individuell angepasst werden müssen, tun sich die Autohersteller mit der Preisauskunft schwer. „Aber 5000 Euro allein für den Handbetrieb von Gas und Bremse sowie den Bediensatellit kommen schnell zusammen“, sagt Lobbyist Neunzling.

Zu den Vorreitern bei der Mobilität für Behinderte gehört der Fiat-Konzern, der nach Angaben von Pressesprecher Florian Büngener bereits 1994 das großangelegte Programm Autonomy gestartet hat. Mittlerweile gibt es dort zahlreiche Umrüstungen und Speziallösungen für die Fahrzeuge aller Konzernmarken. Aber auch VW, Opel, BMW oder Mercedes haben ein entsprechendes Angebot und dafür zum Teil eigene Entwicklungsabteilungen oder sogenannte Kompetenz-Center eingerichtet. Wo der Hersteller nicht selbst aktiv wird, springen Unternehmen wie Paravan ein: „Wir haben sogar schon Supersportwagen und Oldtimer für Behinderte umgebaut“, sagt Firmenchef Arnold.

Administration und finanzielle Hürden

Aber die Mobilität für Behinderte hängt nicht allein am technisch Möglichen, gibt Neunzling zu bedenken. „Sondern das ist immer auch eine Frage des Geldes“. Zwar räumen die allermeisten Fahrzeughersteller dem Vereinsmann zufolge gegen Vorlage des Behindertenausweises bis zu 30 Prozent Rabatt ein. Doch reiche das in den seltensten Fällen, um die Mehrkosten zu decken. Deshalb müssen Behinderte nach seinen Angaben von der Arbeitsagentur oder der Rentenkasse ihren Anspruch auf Zuschüsse, Beihilfen und Kostenzusagen prüfen lassen ­– und bekommen dabei nur unter bestimmten Voraussetzungen ausreichend Unterstützung. „Zwar ist das Recht auf Mobilität in der UN-Charta für Menschenrechte verankert“, sagt Neunzling. „Aber es steht nirgendwo geschrieben, dass dies im eigenen Auto sein muss.“ Oft gebe es auch einfach nur einen monatlichen Etat von 100 bis 150 Euro für einen Fahrdienst.

Neben den finanziellen Hürden gibt es noch ein paar Aufgaben in der Administration zu bewältigen. Nicht nur das Auto muss nach der Umrüstung zum TÜV, sondern auch der Fahrer wird kontrolliert, sagt Günter Schwarzmann. Er ist Fahrlehrer auf der Schwäbischen Alb und gibt Menschen wie McDavid regelmäßig Unterricht. „Denn natürlich brauchen auch behinderte Autofahrer einen Führerschein oder müssen nach dem Eintreten ihrer Behinderung die Fahrtauglichkeit bei einer Untersuchung samt Fahrprüfung nachweisen“, erläutert der Experte.

Wochenlanges Training, die hohen Umbaukosten und die irritierten Blicke bei den gelegentlichen Polizeikontrollen – Janis McDavid hat das gerne in Kauf genommen. Seit er seinen Sprinter hat, ist er 160 000 Kilometer gefahren, war damit zum Praktikum in London, pendelt zur Arbeit nach Berlin und war mit ein paar Kumpels übers Wochenende in Paris. Er schwärmt noch heute vom Kreisverkehr um den Triumphbogen. Denn für Menschen wie ihn gilt wahrscheinlich mehr als für alle anderen: „Autofahren ist für mich ein Stück Freiheit.“

Von Thomas Geiger (dpa)