Der Kaffee steht im Kühlschrank, die Milch in der Kaffeemaschine: Erkrankt jemand an Demenz, ist das für Angehörige eine Herausforderung. Ehrenamtliche Demenzbegleiter unterstützen sie bei der Pflege. Ein Besuch bei der Ausbildung in Münster.
Die Ausbildung zur Demenzbegleiterin ist für Maria Elbers (65) eine letzte Ehrung ihres Vaters. Vor drei Jahren ist er mit 98 Jahren schwer an Demenz erkrankt verstorben. „Ich habe im Nachhinein das Gefühl, dass ich ihm nicht gerecht worden bin“, sagt sie. Oft sei sie ungeduldig mit seiner Vergesslichkeit gewesen. Auch um die Erkrankung ihres Vaters im Nachhinein besser zu verstehen, macht die Rentnerin diesen Kurs. „Das, was ich meinem Vater nicht geben konnte, will ich in der Gegenwart anderen geben“, sagt sie.
Elbers ist eine von zwanzig Teilnehmern in der Ausbildung zur ehrenamtlichen Demenzbegleiterin bei den Maltesern in Münster. Die Ausbildung dauert 55 Unterrichtseinheiten und kostet zur Zeit 200 Euro. In dem Kurs lernen sie etwa die verschiedenen Demenzformen und die typischen Symptome kennen. Später sollen sie als Ehrenamtliche zum Beispiel in einem Demenz-Café der Malteser zum Einsatz kommen. Aber auch Angehörige können zum besseren Verständnis der Krankheit den Kurs machen. „Der Kurs war sofort voll“, sagt Ruth Schräder von den Maltesern im Bistum Münster.
Etwa zwei Drittel der Angehörigen wird zu Hause gepflegt
Derzeit sind nach Schätzungen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft 1,6 Millionen Menschen in Deutschland an Demenz erkrankt. „Wegen der höheren Lebenserwartung werden es immer mehr“, sagt Sabine Jansen, Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Im Jahr 2050 gehe man von drei Millionen an Demenz Erkrankten in Deutschland aus.
„Die ehrenamtlichen Helfer haben in der Pflege eine große Bedeutung“, sagt Jansen. Gerade im Anfangsstadium der Demenz seien sie für die Angehörigen oft ein gutes Angebot, um diese zumindest für kurze Zeit zu entlasten. Das betont auch Simon Eggert vom Zentrum für Qualität in der Pflege: Freiwillige spielten „mittlerweile oft eine wichtige Rolle.“ Wichtig sei allerdings, dass sie gut geschult werden und nicht als preiswerte Hilfskräfte in der Versorgung falsch verstanden würden. Wie viele ehrenamtliche Helfer es gibt, ist unklar.
Für die Familien von an Demenz Erkrankten ist die Pflege eine Herausforderung: „Demenz bedeutet für die Angehörigen immer, wenn man die Pflege übernimmt, sein Leben umzukrempeln“, sagt Schräder. Und viele tun das: Nach Schätzungen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft werden etwa zwei Drittel der Angehörigen zu Hause gepflegt.
Bei Maria Elbers Vater fing es mit Kleinigkeiten an: Als ihre Tochter Abitur macht, bringt sie nach der Feier die entwickelten Fotos ihrem Vater. Eine Woche später will sie die Bilder zurückhaben, doch ihr Vater will sie nie bekommen haben. Dann wurde es schlimmer. „Der Kaffee stand im Kühlschrank, die Milchtüte unter der Kaffeemaschine“, erinnert sie sich. Ihr Bruder, bei dem ihr Vater wohnt, schaut nun täglich, ob in der Wohnung alles in Ordnung ist. Am Wochenende und während des Urlaubs macht sie das. Es sei dann auch gefährlich geworden, weil er etwa den Herd angelassen hat, erinnert sich Elbers. „Man wird auch so aggressiv. Ich habe dann auch mit ihm geschimpft, dass er so starrsinnig ist“, erinnert sich Elbers. Heute tue ihr das manchmal leid.
Lernen, falsche Antworten zu akzeptieren
Vergesslichkeit, Starrköpfigkeit, Aggressivität, Depressionen: Für die Angehörigen sei es schwer auszuhalten, dass das „Ich“ einer geliebten Person langsam verschwinde, erklärt Andreas Kortüm, Leiter des Demenzbegleiter-Kurses in Münster. Einfacher werde es, wenn sie die Krankheit und ihre typischen Symptome kennen und verstehen.
In seinem Kurs lernen die Teilnehmer zum Beispiel, dass es wichtig ist, nachweislich falsche Antworten zu akzeptieren. Widerspruch sorge nur für weitere Verwirrung des Erkrankten. Familien sollten sich auch nicht scheuen, sich früh Hilfe von außen zu holen. Immer wieder seien sie überfordert und die Situationen eskalieren. „Man braucht zwischendurch einfach Verschnaufpausen“, sagt Kortüm.
Elbers hat bei ihrem ersten Gespräch mit Dozent Kortüm viel Neues über Demenz gelernt. Eins hat sie intuitiv richtig gemacht: Man soll mit dem Erkrankten darüber reden, was sie noch wissen, statt sie auf ihre Gedächtnislücken hinzuweisen. Als ihr Vater am Ende im Heim lebt, war er oft niedergeschlagen. Sie hat dann versucht, ihn mit Geschichten von früher abzulenken. „Vieles aus der Gegenwart hatte er vergessen“, sagte sie. „Wie die Moorlichter aussahen, wenn er als Kind mit zur Jagd war, konnte er aber genau schildern“, sagt sie.
Von Kristin Kruthaup (dpa)