Anästhesisten kennt jeder. Aber was machen Anästhesietechnische Assistenten? Noch immer ist das Berufsbild recht unbekannt. Dabei sind die Absolventen auf dem Arbeitsmarkt sehr begehrt. Wer die Ausbildung abgeschlossen hat, findet fast sicher eine Anstellung.
Es gibt wohl kaum einen Menschen, der sich nicht vor Operationen fürchtet. In seinem Beruf erlebe er Patienten mit allen ihren Ängsten, erzählt Marc Witthauer, der eine Ausbildung zum Anästhesietechnischen Assistenten absolviert. Die sogenannten ATA kümmern sich um die Vorbereitung, Ausführung und Nachsorge von Narkosen. Sie schließen Patienten an Messgeräte und Monitore an, legen Zugänge für Medikamente und überwachen während der OP Funktionen wie Atmung und Kreislauf.
„Es ist unsere Aufgabe, dass wir die Patienten mental auf die OP vorbereiten“, erklärt Witthauer, der im zweiten Lehrjahr am Universitätsklinikum Halle (Saale) tätig ist. Der 20-Jährige wollte eigentlich Rettungssanitäter werden, erfuhr aber dann zufällig von der noch verhältnismäßig neuen Ausbildung zum Anästhesietechnischen Assistenten. 2004 hat das Universitätsklinikum Halle den ersten Modellversuch gestartet, 2011 wurde die Ausbildung von der Deutschen Krankenhausgesellschaft anerkannt.
In der Pflege dürften die Assistenten nicht arbeiten
Ausgangspunkt sei der Mangel an Fachkräften in der Anästhesie gewesen, erzählt Christiane Spichale, Fachrichtungsleiterin für Operationstechnische und Anästhesietechnische Assistenten in Halle. Sie hat das Modellprojekt vor zwölf Jahren mit ins Leben gerufen und engagiert sich als Vorsitzende des Deutschen Bundesverbandes der Schulen für Anästhesietechnische Assistentinnen und Assistenten (DBVSA).
Anfangs habe es viel Skepsis und Furcht vor Behandlungsfehlern im OP gegeben, erzählt Spichale. Sie unterstreicht jedoch, dass ATA keine eigenständigen Narkosen vornehmen. Ein Kritikpunkt ist auch, dass ATA nicht in der Pflege arbeiten können – im Gegensatz zu Fachkräften, die erst eine dreijährige Krankenpflegeausbildung und dann eine zweijährige Fachweiterbildung Anästhesie und Intensivpflege absolvieren. Die ATA hingegen nehmen eine Abkürzung – ohne eine allgemeine Pflege-Qualifikation.
Marc Witthauer macht das nichts aus. Im Gegenteil: Auf Station zu arbeiten, wäre nichts für ihn, sagt er. Für ihn war von vornherein klar: Er wollte in den OP. Dorthin, wo es gilt, schnell zu reagieren, wenn es darauf ankommt.
Empathiefähigkeit ist gefordert
Doch der Nervenkitzel hat auch Schattenseiten. „Man muss viel Leid ertragen können“, sagt Witthauer. Denn nicht alle Patienten verlassen den OP-Saal lebend. „Man sollte eine gefestigte Persönlichkeit sein, um da nicht unterzugehen“, unterstreicht der 20-Jährige. Außerdem brauche man Empathiefähigkeit. „Denn der Patient braucht wirklich, dass man ihn ernst nimmt und ihm vermittelt, dass er für das Team im Mittelpunkt steht.“
Erforderlich sei außerdem eine gute Auffassungsgabe, denn die anspruchsvolle Ausbildung vermittelt viel medizinisches Wissen – von Anatomie über Physiologie bis Pathologie. Spichale empfiehlt diesen Weg Menschen, die zwar mit Patienten arbeiten wollen, aber vor allem Interesse an Medizin und Technik mitbringen. Das Universitätsklinikum in Halle setzt deshalb bei Bewerbern mit Realschulabschluss mindestens eine Zwei in Naturwissenschaften und Mathematik voraus.
Inzwischen sind laut Spichale bundesweit 18 Schulen im DBVSA organisiert – Tendenz steigend. In Halle beträgt die Brutto-Ausbildungsvergütung genauso wie bei der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege im ersten Ausbildungsjahr rund 990 Euro im Monat. Hinzu kommen Zuschläge – unter anderem für Spät-, Nacht- und Bereitschaftsdienste.
Trend zur Spezialisierung
Die Berufsaussichten für ATA bezeichnet Ralf Neiheiser, Personalreferent der Deutschen Krankenhausgesellschaft, als hervorragend: „Teilweise werden sie bereits während der Ausbildung angesprochen.“ Die Nachfrage nach Anästhesietechnischen Assistenten auf dem Arbeitsmarkt sei derzeit höher als die Zahl der Auszubildenden – deutschlandweit sind es derzeit 250.
Für eine Tarifvereinbarung zwischen Vertragsparteien fehlt bislang noch die gesetzliche Grundlage in Form eines Berufsgesetzes, erklärt Neiheiser. In der Praxis aber bekämen ATA mindestens dieselbe Vergütung wie ausgebildete Krankenpfleger – manchmal auch so viel wie Krankenpfleger mit Fachweiterbildung. Ob man erst eine Pflegeausbildung absolviert oder sich direkt für die Mitarbeit in der Anästhesie qualifiziert, sei Geschmackssache: „Es muss jeder für sich herausfinden, welcher Weg geeigneter erscheint.“
Neiheiser prophezeit dem Berufsbild eine ähnliche Entwicklung wie dem des Operationstechnischen Assistenten (OTA), der in den vergangenen Jahren einen enormen Aufschwung erfahren hat: „Das ist ein zeitgemäßer Beruf, der dem Trend zur Spezialisierung Rechnung trägt.“
Von Inga Dreyer (dpa)