DLR-Studie: Stört Fluglärm den kindlichen Schlaf?

© dpa - Report

© dpa – Report

Zum ersten Mal untersucht die Wissenschaft, was mit Kindern passiert, wenn nachts Flugzeuge über die Wohnhäuser donnern. Dazu gehen die Forscher in die Kinderzimmer.

Auf dem ersten Blick scheint für Barbara Bosbach alles okay: Ihre vierjährige Tochter schläft vielleicht ein bisschen spät ein. Aber ihre drei Kinder werden vom Fluglärm in der Nacht nicht wach. Die Familie wohnt in Siegburg in der Ein- und Abflugschneise des Flughafens Köln/Bonn. Die Mutter will auch nicht ständig nachfragen, damit der Lärm nicht erst dadurch zum Problem wird.

Die Wissenschaft weiß so gut wie nichts darüber, was nächtlicher Fluglärm mit dem Schlaf von Kindern macht. Dazu gebe es noch keine Studien, stellt die Projektleiterin und Psychologin Susanne Bartels vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR), fest.

Herzschlag und Hirnströme werden gemessen

Für die Studie gehen DLR-Experten in der Flughafen-Region Köln/Bonn in 50 Kinderzimmer und wollen genau das untersuchen: Was mit den Kindern passiert, wenn in der Nacht die Maschinen über die Häuser donnern. An vier Nächten hintereinander werden Jungen und Mädchen an Messinstrumente angeschlossen, die Herzschlag, Hirnströme, Augen- und Muskelbewegungen messen. Gleichzeitig nimmt ein Mikrofon am Ohr der Kinder den Fluglärm auf.

Aus den Daten wollen die Forscher den Zusammenhang zwischen Fluglärmbelastung und Schlafverhalten ablesen: Wie oft wachen die Kinder vom Fluglärm auf? Wann wechseln sie vom tieferen Schlaf in einen flacheren Schlaf? Und, das wird Barbara Bosbach besonders interessieren: Es geht auch darum, wie lange die Kinder brauchen, um bei Fluglärm einzuschlafen.

Die Mutter aus Siegburg hätte gerne ihre älteste Tochter (7) als Probandin für die Studie angemeldet, die am Mittwochabend begonnen hat. Aber die Kinder müssen acht bis zehn Jahre alt sein. Sie will es im nächsten Jahr versuchen, für das ja auch noch Teilnehmer gesucht werden. Für die Studie mit 50 Kindern werden in diesem und im nächsten Jahr Messungen von Juni bis Oktober durchgeführt, den Monaten mit der nach DLR-Angaben höchsten Lärmbelastung.

Fluglärm könnte die schulischen Leistungen beeinflussen

Familie Bosbach ist vor drei Jahren nach Siegburg gezogen, weil die Grundstückspreise noch bezahlbar sind. Immer mal wieder kommen Gedanken hoch, was der Fluglärm mit der Gesundheit macht: „Zwischendurch hat man ein blödes Gefühl weil man liest, welche Spätfolgen Fluglärm haben kann: Herz-Kreislauf-Beschwerden und Bluthochdruck“, sagt die Mutter.

Die im vergangenen Jahr veröffentlichte Lärmstudie Norah (Noise-Related Annoyance, Cognition and Health) macht zwar keine Aussage über den Schlaf von Kindern. Aber sie war zu dem Schluss gekommen, dass Grundschulkinder in stark von Fluglärm belasteten Gebieten langsamer lesen lernen als in ruhigen Lagen.

Bei der DLR-Studie soll auch getestet werden, ob Fluglärm in der Nacht zu einem Leistungseinbruch am Morgen führt. In einem sogenannten Reaktionszeittest wird dazu morgens die geistige Leistungsfähigkeit gemessen. Außerdem werden die Kinder morgens befragt, wie sie persönlich ihren Schlaf und den Fluglärm in der Nacht erlebt haben.

Manche Flugzeuge fliegen nur 500 Meter entfernt

Am Flughafen Köln/Bonn dürfen Passagier- und Frachtflugmaschinen auch nachts fliegen. Darum ist die Region mit den stark belasteten Gebieten wie Lohmar, aber auch den rechtsrheinischen Stadtteilen von Köln oder Teilen von Siegburg für die Forscher ein gutes Studiengebiet. Weil die Untersuchungen nicht unter Labor- sondern unter realen Bedingungen stattfinden, seien die Erkenntnisse auf reale Lebensbedingungen übertragbar, berichten Bartels und ihre Kollegin Julia Quehl. Damit die Kinder vorher nicht beeinflusst werden, durften Medienvertreter vorher nicht mit ihnen sprechen.

Den Studienstart machten zwei neunjährige Kinder. Eins davon lebt in Lohmar genau in der Haupteinflugschneise, das zweite lebt etwas weiter entfernt östlich vom Flughafen. Die Überflughöhen liegen nach DLR-Recherchen bei bis zu 500 Meter.

Von Elke Silberer (dpa)