Ein Zuhause für alle

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Engpässe in der Pflege und Probleme bei der Kinderbetreuung kann ein Mehrgenerationenhaus lösen. Aber wohnen Enkel, Kinder und Eltern in einem Haus zusammen, herrscht nicht nur heile Welt. Getrennte Räume und der Schutz der Privatsphäre sind beim Planen des Baus wichtig.

Wenn mehrere Generationen unter einem Dach wohnen, klingt das nach Familienidylle. Tatsächlich bringt ein Mehrgenerationenhaus einige Annehmlichkeiten: Die Großeltern passen auf die Kinder auf, wenn die Eltern nicht da sind. Oma und Opa wissen dafür immer Hilfe im Haus, sobald sie Aufgaben nicht mehr alleine schaffen. Aber es kann auch Ärger geben – daher sollten Großfamilien akkurat planen.

Zunächst sind diverse rechtliche Fragen zu klären. Wie sehen die Besitzverhältnisse aus? Was ist, wenn sich ein Ehepartner nach einer Scheidung seinen Anteil am Haus ausbezahlen lassen will? Wer soll das Haus erben, wenn die Besitzer – oft sind das die Großeltern – sterben? Alle Einzelheiten sollten sie zunächst untereinander und danach mit einem Rechtsanwalt besprechen, rät Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren. “Nicht nur der Idealfall gehört bedacht, sondern auch der Katastrophenfall”, betont sie.

Nicht ohne den Rat des Anwaltes

Reinhold-Postina führt das am Beispiel der gescheiterten Ehe aus: Sind beide Ehepartner im Grundbuch eingetragen, kann einer der beiden nach der Scheidung die Auszahlung seines Anteils verlangen. “Dann muss unter Umständen ein Teil des Hauses verkauft werden.” Für solche Fälle muss es im Vorfeld klare vertragliche Regelungen geben, etwa die Auszahlung in Raten über mehrere Jahre. “Je mehr Bewohner im Grundbuch stehen, desto problematischer kann es werden, wenn die Konstellation im Haus in die Brüche geht”, warnt die Expertin. Sinnvoll sei es, wenn ein Familienmitglied alleine den Neu- oder Umbau des Hauses finanzieren kann und die anderen zur Miete wohnen.

Michael Henne aus Groß Escherde (Niedersachsen) hat genau dieses Modell gewählt. Der Vertriebsleiter wohnt mit seiner Frau und den vier Kindern im Haupthaus. Seine Eltern leben gleich daneben in einem ebenerdigen Bungalow – zur Miete. Der 45-Jährige besaß das Grundstück. Als die Planungen für ein neues Eigenheim begannen, fragte er seine Eltern, ob sie mit einziehen wollen. Über die Größe des Anbaus und die Gestaltung konnten sie dann mitbestimmen. “Sonst war mir aber wichtig, dass das Projekt in meinen Händen liegt.” Klappt eine solche Finanzierung nicht, empfiehlt Reinhold-Postina, über eine Realteilung des Besitzes nachzudenken – mit abgetrennten Wohnungen. “Diese können bei Auszug einer Partei leichter verkauft werden.”

In dem Fall sollte der Bebauungsplan mehrere Wohneinheiten pro Haus oder zumindest Einlieger-Wohnungen erlauben, schränkt Jakob Oberpriller ein. Der Architekt aus Hörmannsdorf bei Landshut hat einige Mehrgenerationenhäuser geplant. “Das Wichtigste ist: Jede Generation braucht private Rückzugbereiche“, betont Oberpriller. Keiner sollte das Gefühl haben, dass andere Familienmitglieder ihn beaufsichtigen. Und damit es keinen Streit über den Verbrauch von Heizung, Wasser und Strom gibt, sind getrennte Zähler ratsam.

Privatsphäre schützen

Häufig begeistern sich gerade Oma und Opa für Gartenarbeit – sie bauen Obst und Gemüse an oder pflegen Blumen. Dagegen wollen die Enkel lieber auf der Wiese spielen. “Hier müssen klare Verhältnisse geschaffen werden”, sagt Oberpriller. Eine Parzellierung kann in dem Fall helfen. Bei aller Trennung soll das Familienleben nicht zu kurz kommen, denn das macht Mehrgenerationenhäuser schließlich so besonders. Dazu werden Gemeinschaftsbereiche festgelegt, an denen sich alle zwanglos treffen können.

Arztbesuch hilft bei Bauplanung

Ein Arztbesuch kann bei der Planung des Mehrgenerationenhauses hilfreich sein. Er gibt Informationen, wie sich Krankheiten wie Arthrose entwickeln können und die Beweglichkeit in Zukunft eventuell einschränkt. Oder ob bei familiärer Vorbelastung das Risiko gewisser Erkrankungen erhöht ist, etwa bei Alzheimer. “In solchen Fällen sollte das Haus möglichst barrierearm sein, das muss bei der Planung berücksichtigt werden”, erklärt Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren. Deutet sich an, dass ein Familienmitglied künftig eine 24-Stunden-Betreuung benötigt, kann eine Einleger-Wohnung für einen Pfleger eingeplant werden. Diese muss bis zum Ernstfall nicht leerbleiben und dient als Gäste-Wohnung.

Bei dem Mehrgenerationenhaus der Familie Henne erfüllen der Garten und die Terrassen diesen Zweck. Ansonsten sind die Bereiche zwischen den Generationen klar getrennt. “Es wurde kein direkter Durchgang von einem zum anderen Haus angelegt”, erklärt Michael Henne. “Wenn ich etwas von meinen Eltern will, kann ich nicht einfach hereinplatzen, sondern klingele an der Haustür.”

Die verschiedenen Generationen sollten sich in den ersten Monaten des gemeinsamen Lebens Zeit geben. “Es braucht eine Eingewöhnungszeit”, sagt Henne. Es gilt, Grenzen zu stecken und die Privatsphäre des anderen zu akzeptieren. “Beide Seiten sollten auch offen Probleme ansprechen”, rät er. Sein Zwischenfazit nach 18 gemeinsamen Monaten fällt aber positiv aus: “Ich würde es nochmal so machen.”

Barrierefreiheit fürs Alter

Henne schätzt, dass die Großeltern auch mal auf die Kinder aufpassen können. “Man gewinnt an Flexibilität, etwa wenn der Kindergarten einmal ausfällt.” Auch seine Eltern genießen das Zusammensein mit den Enkeln. Als Kinderaufpasser vom Dienst müssen sie aber nicht erhalten, betont Henne. “Das sind eher die Ausnahmen von der Regel.”

Damit seine Eltern auch bis ins hohe Alter im Haus wohnen können, hat Henne ihren Bungalow seniorengerecht geplant. Oberpriller rät auch, einen der Wohnbereiche barrierefrei zu gestalten – idealerweise im Erdgeschoss. “Damit können ältere Hausbewohner länger selbstständig bleiben.”

Von Tom Nebe (dpa)