Ein eigenes Kind ist für viele Frauen der größte Wunsch. Allein in Deutschland ist dies Tausenden Frauen verwehrt, weil ihnen von Geburt an die Gebärmutter fehlt. Nun werden Transplantationen möglich.
Mit der ersten Transplantation einer Gebärmutter in Deutschland haben Ärzte an der Uniklinik Tübingen medizinisches Neuland betreten. Allein in Deutschland könnte bis zu 15.000 Frauen geholfen werden, die ihre Gebärmutter entweder durch Operationen verloren haben oder ohne diese geboren wurden und keine eigenen Kinder bekommen können.
Was ist in Tübingen gelungen?
In mehrstündigen Operationen wurde am 14. Oktober einer 23 Jahre alten Patientin die Gebärmutter ihrer Mutter transplantiert. Der Eingriff sei ohne Komplikationen verlaufen, Empfängerin wie Organspenderin gehe es sehr gut, hieß es beim Uniklinikum. Die Frau war wegen einer Fehlbildung (Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom) ohne Scheide und Gebärmutter zur Welt gekommen, wie Sara Brucker vom Forschungsinstitut für Frauengesundheit der Uni Tübingen erläuterte.
Wie weit sind andere Länder?
Dass die Transplantation machbar ist und dass damit gesunde Kinder geboren werden können, hat der Gynäkologe Mats Brännström in Schweden gezeigt. 2014 brachte in Göteborg zum ersten Mal weltweit eine Frau mit einer gespendeten Gebärmutter ein gesundes Baby auf die Welt. Brännström war auch bei den Tübinger Operationen dabei. Die Zahl der weltweit gelungenen Transplantationen wird von Experten auf rund 20 geschätzt. Die Dunkelziffer der Misserfolge liege deutlich höher.
Welchen Frauen kann geholfen werden?
Die größte Gruppe potenzieller Patientinnen sind Frauen mit dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKHS), erläuterte Brucker. Betroffenen Mädchen fehlen von Geburt an Scheide und Gebärmutter. Eierstöcke, Brüste, Klitoris und Schamlippen seien hingegen normal ausgebildet. Ein genetisch eigenes Kind konnten sie bisher nur über Leihmutterschaft erreichen – die in Deutschland verboten ist.
Wie viele Frauen sind betroffen?
Etwa eines von 5000 weiblichen Babys werde mit MRKHS geboren, erklärte Brucker. Darüber zu sprechen, sei lange tabu gewesen. Derzeit gebe es allein hierzulande bis zu 8000 Betroffene. Hinzu kämen Frauen, denen bei einer Entbindung die Gebärmutter entfernt wurde – die sich aber noch weitere Kinder wünschen. Und Frauen, denen das Organ wegen Gebärmutterhalskrebs entnommen wurde.
Woher stammen die Organspenden?
Als am erfolgversprechendsten gilt die Transplantation von Organen von lebenden Verwandten – etwa die Gebärmutter der Mutter oder der Schwester. Im Tübinger Fall war es die Mutter der 23-Jährigen, die ihrer Tochter das Organ spendete. Denkbar seien bisher nur Lebendspenden, erklärte Brucker. Versuche mit Gebärmuttern von Toten seien anderswo fehlgeschlagen.
Welche Organe sind für eine Transplantation geeignet?
Die Gebärmutter, in der das Baby in Schweden heranwuchs, stammte von einer 61-jährigen Freundin der Familie, die schon sieben Jahre vor der Operation die Wechseljahre durchlaufen hatte, wie das britische Fachmagazin „The Lancet“ berichtete. Anders als die Eierstöcke lasse sich eine Gebärmutter hormonell wieder verjüngen, erklärte Brucker. Voraussetzung für eine Eignung sei, dass die Spenderin mindestens einmal schwanger war.
Wie geht es in Tübingen jetzt weiter?
Zunächst muss sichergestellt sein, dass die Gebärmutter nicht abgestoßen wird. Dann muss alles gut verheilen. In einem Jahr könnten der Patientin dann eine bereits früher entnommene, mit Sperma ihres Mannes befruchtete und tiefgefrorene Eizelle eingesetzt werden. Eine Befruchtung auf natürliche Weise ist nicht möglich, weil die Gebärmutter ohne die empfindlichen Eileiter transplantiert wurde. Ein Kind würde per Kaiserschnitt zur Welt gebracht, um das Risiko eines Abreißens der Gebärmutter von der Scheide oder dem Geburtskanal zu vermeiden. Schon Anfang 2017 könnte es eine weitere Transplantation in Tübingen geben.
Quelle: dpa