Hepatitis: Das stumme Leiden der Leber

© picture alliance/Arco Images GmbH

© picture alliance/Arco Images GmbH

Die Vielzahl der Hepatitis-Viren kann verwirren. Sorgen macht Forschern in Deutschland, dass eine chronische Leberentzündung bei Typ B und C oft lange unentdeckt bleibt.

Auf den ersten Blick in die deutsche Infektions-Statistik könnten bei Hepatitis E die Alarmglocken klingeln: 2015 haben Ärzte und Behörden 1267 Leberentzündungen gemeldet, die durch dieses Virus ausgelöst wurden. Das waren fast 90 Prozent mehr als im Vorjahr. Hepatitis E wird wahrscheinlich in erster Linie durch rohes Schweinefleisch übertragen. Sind Mettbrötchen plötzlich gefährlich? Das Berliner Robert Koch-Institut (RKI) gibt Entwarnung. Der rasante Anstieg der Zahlen habe vor allem mit einer verbesserten Diagnostik und der größeren Aufmerksamkeit von Ärzten zu tun.

Wenn es um Virushepatitis geht, machen Experten die Varianten B und C weitaus größeren Sorgen. Denn beide Typen bergen das Risiko einer chronischen Erkrankung. Und Menschen aus Risikogruppen schützen sich in Deutschland noch zu wenig.

Welche Hepatitis-Typen es gibt

  1. Hepatitis A: Das Virus kann über verunreinigte Nahrungsmittel und Wasser übertragen werden, aber auch von Mensch zu Mensch. In Deutschland gibt es sporadische Ausbrüche, meist durch Speisen in Gemeinschaftseinrichtungen. Die Infektion verläuft akut, heilt gewöhnlich ohne Folgen von selbst aus und wird selten chronisch. Es gibt eine Impfung, die vor allem für Fernreise-Ziele empfohlen wird.
  2. Hepatitis B: Der Erreger wird vor allem über Blut und andere Körperflüssigkeiten übertragen. Hauptsächlich erfolgt die Ansteckung über Sexualverkehr oder von einer infizierten Mutter auf ihr Baby. Weitere Ansteckungsquellen sind verunreinigte Nadeln, Hygienemängel im medizinischen Bereich oder auch bei Piercings und Tätowierungen. Die Infektion heilt in den meisten Fällen schnell von selbst aus und bringt einen lebenslangen Immunschutz. Kinder, Senioren und chronisch Kranke mit geschwächtem Immunsystem wie HIV-Patienten entwickeln dagegen häufiger eine chronische Erkrankung. Bei 90 Prozent von Säuglingen verläuft eine Infektion chronisch. Es gibt eine Impfung.
  3. Hepatitis C: Das Virus wird über infiziertes Blut übertragen. Ansteckungsgefahr besteht durch gemeinsames Spritzbesteck in der Drogenszene, Nadelstichverletzungen bei medizinischem Personal sowie Hygienemängeln bei Operationen, Tätowierungen, Piercings oder Akupunkturen. Eine sexuelle Übertragung ist möglich, aber seltener. Das Risiko steigt während der Menstruation, bei gleichzeitiger HIV-Infektion sowie bei verletzungsträchtigen sexuellen Praktiken. Die akute Infektion heilt bei rund einem Fünftel der Betroffenen von selbst aus. Meistens wird sie jedoch chronisch. Nach 20 bis 30 Jahren kommt es bei bis zu einem Drittel der Betroffenen zu Spätfolgen wie Zirrhose und Leberkrebs. Durch heutige Therapien kann die Infektion heilbar sein. Es gibt keine Schutzimpfung.
  4. Hepatitis D: Das Virus ist unvollständig und alleine nicht vermehrungsfähig. Es benötigt die Hülle des Hepatitis-B-Virus. Deshalb können sich nur Menschen infizieren, die bereits Hepatitis B haben – oder die Ansteckung erfolgt gleichzeitig mit beiden Typen.
  5. Hepatitis E: Der Erreger wird durch verunreinigtes Trinkwasser oder Lebensmittel übertragen. Eine Variante kann auch durch Tiere, zum Beispiel Schweine und Wildschweine, auf den Menschen übertragen werden. Typ E galt in Deutschland lange Zeit als selten. Seitdem häufiger auf diese Infektion getestet wird, steigen die gemeldeten Fallzahlen. Die Infektion verläuft in der Regel akut, heilt gewöhnlich ohne Folgen von selbst aus und wird meist nicht chronisch. Für Leberkranke und Frauen im letzten Schwangerschaftsdrittel kann das Hepatitis-E-Virus jedoch lebensgefährlich werden. Bei Patienten mit Immunschwäche sind auch chronische Verläufe möglich.

Bei einer Virushepatitis gibt es keine Gelbsucht

In der öffentlichen Wahrnehmung spielt eine Virushepatitis, die die Leber als zentrales Entgiftungs-Organ des Körpers schädigen kann, keine große Rolle. Dabei sterben weltweit jeden Tag 4000 Menschen daran, listet die Deutsche Leberhilfe auf. Aufs Jahr gerechnet seien das mehr Tote als durch HIV oder Malaria.

Die Todesursachen-Tabelle beim Statistischen Bundesamt führt in den Jahren 2010 bis 2014 jeweils zwischen 850 und 1000 Sterbefälle durch Virushepatitis in Deutschland auf. „Die Todesfälle sind wie bei vielen chronischen Erkrankungen sicher untererfasst“, sagt Ruth Zimmermann, Infektionsepidemiologin beim RKI. Auch bei anderen auf dem Totenschein angegebenen Todesursachen könne eine Hepatitis eine große Rolle gespielt haben.

Hepatitis B und C beträfen in Deutschland Hunderttausende, heißt es bei der Leberhilfe. Allein für diese beiden Viren wurden 2015 rund 8670 Neudiagnosen in Deutschland erfasst. Das Problem ist, dass es oft keine neuen Infektionen sind. Viele Patienten leben schon Jahre damit und wissen oft nichts davon. Denn die Leber leidet stumm. Zu einer Gelbsucht als sichtbarer Reaktion kommt es bei einer Virushepatitis nicht immer. „Oft gibt es nur unklare Symptome wie Abgeschlagenheit oder Oberbauchbeschwerden“, berichtet Medizinerin Zimmermann.

Viele infizieren sich beim Sex

Bei Routineuntersuchungen würden Leberwerte oft ignoriert, kritisiert die Leberhilfe. Ein Großteil der Infektionen wird erst im Stadium der Folgeerkrankungen diagnostiziert – bei fortgeschrittener Leberfibrose, einer Zirrhose oder einem Leberzellkarzinom. Manchmal ist eine Transplantation dann die einzige Lösung.

Die Infektionen haben verschiedene Ursachen. Migranten können Hepatitis B zum Beispiel aus Heimatländern mitbringen. Einen Test von Schwangeren auf das Virus und eine generelle Schutzimpfung im Kindesalter wie in Deutschland gibt es dort oft nicht.

Da Hepatitis B durch Blut übertragen werden kann, sind in Deutschland häufig Menschen, die sich Drogen spritzen, gefährdet. Forscher gehen zudem davon aus, dass viele Infektionen beim Sex erfolgen. Ein Großteil der Fälle wird in der Gruppe der jungen Erwachsenen beobachtet. Menschen mit HIV sind besonders anfällig für andere Infektionen – damit auch für Hepatits B. Oft sind es Männer, die Sex mit Männern haben und sich nicht mit Kondomen schützen.

Eine Rolle in der Statistik spielen aber auch Urlaubsreisende, die sich durch sexuelle Kontakte im Ausland infizieren. Dabei gibt es für Hepatitis B eine Schutzimpfung. Forscher wünschen sich deshalb noch mehr Aufklärung und Prävention. Für Hepatitis C gibt es keine Schutzimpfung. Dieses Virus ist besonders tückisch, weil es sich immer wieder verändert. Selbst eine durchgemachte Erkrankung biete deshalb keinen Immunschutz, erläutert Zimmermann.

“Schweinefleisch sicherheitshalber gut durchgaren”

Bei Hepatitis C sind Drogennutzer in der Meldestatistik überproportional vertreten. Oft geht es um lange zurückliegende Infektionen. Doch es werden auch aktuell weiter Viren übertragen. „Das liegt heutzutage seltener an unsauberen Spritzen und Nadeln, sondern eher am Teilen von Filtern, Wasser und Pfännchen“, sagt Zimmermann. Im Partymilieu seien Schnupfröhrchen, die gemeinsam genutzt werden, ein Risiko.

Durch sexuelle Übetragung sind schwule Männer auch überdurchschnittlich von Hepatitis C betroffen, oft im Zusammenspiel mit einer HIV-Infektion. Dass Hepatitis-C-Neudiagnosen in dieser Gruppe besonders stark auffallen, kann aber auch mit der engmaschigeren ärztlichen Versorgung von HIV-Patienten zusammenhängen.

Hepatitis A und E haben in vielen Fällen weniger schwere Langzeitfolgen. Der Virentyp A wird häufig über verunreinigtes Trinkwasser oder Lebensmittel übertragen. Vor Fernreisen wird deshalb für viele Ziele eine Impfung empfohlen. Sie gehört in Deutschland auch bei Kindern nicht zu den Routineimpfungen.

Gegen Hepatitis E würde in Deutschland schon helfen, Schweinefleisch sicherheitshalber gut durchzugaren, heißt es beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Es ist zwar nicht vollständig geklärt, ob die Viren durch Rohwürste von infizierten Tieren übertragen werden können – aber der Verdacht liegt nahe. In Deutschland sind nach BfR-Angaben in Studien bei 40 bis 50 Prozent der Hausschweine Antikörper gegen das Virus gefunden worden. In Frankreich hätten Wurstarten mit roher Schweineleber bereits zu Hepatitis-E-Erkrankungen geführt.

Von Ulrike von Leszczynski (dpa)