Hunde als Helfer in Drogenklinik

Der Hund gilt als der beste Freund des Menschen. In einem Schloss in Mecklenburg-Vorpommern dürfen Suchtkranke ihren Vierbeiner zur Therapie mitbringen. Die tierischen Begleiter helfen ihnen, neues Vertrauen zu sich und anderen Menschen aufzubauen.

Püppy” hüpft im Kreis. Die junge Mischlingshündin freut sich sichtlich auf das Lauftraining in der Drogenklinik von Tessin, einem kleinen Dorf nahe Wittenburg in Mecklenburg-Vorpommern. Besitzerin Jacqueline, 25 Jahre alt und abhängig von illegalen Rauschmitteln, lebt seit einem halben Jahr zur Entwöhnung in der Schloss-Klinik der evangelischen Suchtkrankenhilfe. “Püppy” sei ihr ein und alles, ohne ihren Hund wäre sie nicht hier, sagt die junge Frau. “Der Hund begleitet mich, er schenkt mir Vertrauen, ist immer da, wenn man mal Schwierigkeiten hat.”

Das 200 Jahre alte Mecklenburger Schloss gilt bundesweit als die erste Suchtklinik, die Tiere der Patienten im Haus wohnen lässt und diese in die Entwöhnungsbehandlung einbezieht, wie Therapeutin Kerstin Milewski sagt. Die Tiertrainerin nimmt “Sky”, einen vierjährigen Husky-Mix, an die kurze Leine und zeigt seinem Herrchen Robert das korrekte Laufen bei Fuß. Auch der 26-Jährige geht fast keinen Schritt ohne seinen vierbeinigen Freund. “Mein Hund ist mein Lebensinhalt und mein künftiger Beruf.” Nach der Therapie wolle er eine Ausbildung zum Tierpfleger beginnen, sagt Robert.

Seit mehr als zehn Jahren gibt es in Tessin tiergestützte Therapien. Zwar hatten auch davor schon einige Patienten ihre Hunde dabei, doch diese waren nur draußen im Zwinger geduldet, wie Verwaltungschefin Silvia Nierath erzählt. Jetzt seien die Vierbeiner integriert.

Enge Beziehung zwischen Patienten und ihren Tieren

Das Schloss, früher Altenheim und seit 1995 eine der ersten ostdeutschen Drogenkliniken, wurde extra für die tierischen Mitbewohner umgebaut. In die Patientenzimmer kamen Hochbetten – unerreichbar für die Hunde. Die Vierbeiner haben ihre Schlafstätten direkt unter denen von Herrchen oder Frauchen.

Psychiater Alf Kroker, Chefarzt im Schloss Tessin, sieht große Vorteile in der engen Beziehung seiner Patienten zu ihren Tieren. “Viele Suchtkranke haben alle sozialen Kontakte abgebrochen”, sagt er. Im Mittelpunkt ihres Lebens stand bisher der Konsum illegaler Drogen, alles drehte sich darum, wie für Heroin, Kokain, Haschisch, Crystal oder Speed Geld zu beschaffen ist. Beziehungen zu Freunden und Familien gingen entzwei. “Die Bindung zum Hund blieb oft als einzige bestehen, das Tier gibt den letzten Halt im Leben.”

Letztlich würden sich Suchtkranke gegen eine Entwöhnung entscheiden, wenn diese eine Trennung vom Hund bedeutet, weiß der Neurologe. “Dem Tier wird bedingungslos vertraut, es ist wie ein eigenes Kind, ein kompetenter Beschützer”, sagt Kroker. Oft fänden Therapeuten über die Beschäftigung mit dem Hund leichteren Zugang zum Patienten.

“Das Tier hungert nie, es wird immer gut versorgt”, fügt Kerstin Milewski hinzu. Die tiergestützte Langzeittherapie im Schloss sei letztlich “Beziehungsarbeit”. Der Patient lerne, nicht nur für den Hund, sondern auch wieder für sich und die eigene Gesundheit Verantwortung zu übernehmen, zu arbeiten, den Alltag zu meistern.

Hunde, Katzen, Pferde als Bestandteil der Therapie

Etwa jeder zweite der 47 Schlossbewohner, die aus ganz Deutschland nach Tessin kommen, hat einen oder zwei Vierbeiner dabei. Insgesamt 25 Hunde leben derzeit in der Drogenklinik sowie drei Hauskatzen. “Wir hatten schon mal eine Würgeschlange hier, einen Python”, sagt Kroker. Zur Klinik gehören außerdem zwei Kaltblutpferde, die während der Arbeitstherapie von einer speziell ausgewählten Pferde-Crew gefüttert, gepflegt und auch geritten werden.

Der Aufwand für einen solchen Klinikbetrieb sei hoch, die Regeln müssten sehr streng sein und penibel eingehalten werden, betont Schlossleiterin Nierath. Hundehaltung im Patientenzimmer, Maulkorbpflicht im Haus, Leinenzwang im Park, freies Toben nur in eingezäunten Geländen, Training in kleinen, aufeinander abgestimmten Gruppen. Bisher hätten sich weder Hunde noch Menschen in Tessin ernsthaft verletzt, auch größere Probleme mit tierischen Ausreißern im Dorf gebe es nicht, meint die Chefin.

Positive Reaktionen auf das Tessiner Beispiel kommen von Experten. Suchtkranke fangen mit einer Langzeitrehabilitation meist gar nicht erst an, wenn sie ihren Vierbeiner nicht dabei haben dürfen, wie Ingrid Stephan, Leiterin des Instituts für soziales Lernen mit Tieren in Lindwedel bei Hannover, erklärt. Dem Drogenabhängigen sei das Tier oft als einziger Sozialpartner geblieben. Nach Ansicht der Sozialpädagogin bringt der eigene Hund Vorteile für den Patienten einer Drogenklinik. “Das Tier strukturiert den Tagesablauf, der Betroffene kommt in eine positive Versorgerrolle.”

Von Grit Büttner (dpa)