Tierische Helfer in der Psychiatrie

© picture alliance/dpa-Zentralbild

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Streicheln, Kuscheln, Nähe zulassen: Der Kontakt zu Tieren kann Menschen helfen, Ängste abzubauen und Nähe zuzulassen. In Tübingen sind darum in der geschlossenen Psychiatrie Hunde Teil des Therapiekonzepts.

Jasper und Faye sind zwei Kuschelmagnete. Auf leisen Pfoten eilen die Chihuahuas über die Klinikflure der Tübinger Psychiatrie. Kaum einer der Patienten kann sich ihrem Charme entziehen. Sie schmunzeln, streicheln die kleinen Hunde und wuscheln ihnen durchs Fell. Das tierische Duo hat eine verantwortungsvolle Aufgabe: ein Lächeln in die Gesichter der Menschen zu zaubern.

Jasper und Faye gehören seit kurzem quasi zum Personal der Psychiatrie: Die Tübinger Klinik setzt auf tierische Therapeuten. Zu den Helfern auf vier Pfoten gehören auch die beiden Labradoodle Layla und Keegan. Noch sind solche vierbeinigen Therapiebegleiter eher die Ausnahme. Doch immer mehr Therapeuten, Pädagogen, Kliniken, Heime und Schulen in Deutschland nutzen tiergestützte Therapien.

Tiere erleichtern die Kommunikation

Die Idee hatten an der Tübinger Klinik die Krankenpfleger Alfred Mollenhauer (59) und Stefanie Köhler (31), denen die Tiere gehören. „Die Hunde sind echte Eisbrecher. Sie können eine Brücke bauen, die für uns den Zugang zu den Patienten erleichtert“, sagt Mollenhauer. Alles begann, als er bei einem Patienten-Ausflug seinen Hund mitnahm. „Wir beobachteten, dass besonders die schwerkranken Patienten den Kontakt zum Tier suchten und dabei eine Beziehung zulassen konnten.“

Seither können die Patienten auch auf der Station mit den Hunden spielen, sie streicheln oder einfach nur ansehen. Jeder Patient entscheide selbst, ob und wie viel Kontakt er zulasse, betont Pflegerin Köhler. „Wenn ich die Hunde mit auf die Station bringe, dann ist das immer ein Highlight für alle Beteiligten.“ Die Vierbeiner bringen Lockerheit in den Klinikalltag mit seinen sonst so festen Strukturen.

„Tiere helfen in einem therapeutischen Prozess vor allem, indem sie die Kommunikation erleichtern, Angst und Stress mindern, das Wohlbefinden steigern und die Motivation erhöhen“, sagt Rainer Wohlfarth, Präsident der Europäischen Gesellschaft für tiergestützte Therapie. Vor allem Menschen mit Autismus, geistiger Behinderung oder Demenz, aber auch Patienten, die über ein Trauma nicht sprechen können, profitierten von tiergestützten Therapien.

Sie nehmen den Menschen, wie er ist

„Tiere sind unvoreingenommen, sie kümmern sich nicht um körperliche oder seelische Makel und nehmen eine Person so an, wie sie eben ist“, erklärt Wohlfarth. Da Krankheiten häufig mit Stigmatisierung einhergingen, sei diese tierische Neutralität ein hohes Gut. Die Tübinger Pfleger sagen, dass die Hunde besonders den Zugang zu Menschen mit schweren Krankheiten erleichtern. Depressive, selbstmordgefährdete oder schizophrene Patienten lernten, Nähe zuzulassen und Vertrauen aufzubauen.

„Hunde können Herzen öffnen und Menschen aus der Isolation und Einsamkeit holen“, sagt auch Sabine Hahn. Sie ist Stationspflegerin in einem Berliner Vivantes-Klinikum. Der Klinikkonzern setzt bei der Behandlung von psychiatrischen und geriatrischen Patienten seit Jahren Therapiehunde ein. „Patienten fühlen sich durch die Tiere angenommen und werden fast immer zum Sprechen und Handeln angeregt“, sagt Hahn.

Eine Art Allheilmittel seien die Hunde aber nicht, betont Rainer Wohlfarth. „Die bloße Anwesenheit eines Tieres sagt noch nicht vorher, ob die Therapie gut oder schlecht verlaufen wird.“

Von Jonas Schöll (dpa)