Hunderttausende Behinderte ohne Aussicht auf normalen Job

Werkstätten für behinderte Menschen bieten den Betroffenen einen Schutzraum – doch der Lohn ist karg und die Chancen auf einen normalen Job sehr gering. Das ruft Kritik hervor.

Menschen mit Behinderung gelingt nur äußerst selten der Sprung aus einer speziellen Werkstatt auf den normalen Arbeitsmarkt. Nur 0,02 Prozent der Betroffenen wechseln pro Jahr in einen regulären Job, wie aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht. Bezogen auf das Jahr 2015 wären das 56 Personen gewesen.

Im Jahr 2015 waren demnach 281.512 Menschen mit Behinderung zur Arbeits- und Berufsförderung in den Werkstätten tätig. 2012 arbeiteten dort erst 268.111. Die Betroffenen verdienen im Schnitt 179,83 Euro pro Monat. Der Verdienst änderte sich über die vergangenen Jahre kaum. Seit 2011 schwankte er zwischen 179,65 und 185,58 Euro.

Die linke Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte, kritisierte die Beschäftigungssituation als völlig unbefriedigend. Die Werkstätten müssten einer genauen Betrachtung unterzogen werden. „Viele Menschen mit Behinderungen arbeiten dort ganz normal und bringen ihre Leistung, werden aber nur mit einer Art Taschengeld ‚entlohnt’, obwohl sie für teils namhafte Auftraggeber wichtige Produkte herstellen.“

Dass nur ein paar Dutzend Beschäftigte jedes Jahr für den allgemeinen Arbeitsmarkt geeignet sein sollen, sei wenig überzeugend. Dies liege aber auch daran, dass die Arbeitgeber nur wenige Menschen mit Behinderungen einstellten. Nicht akzeptabel sei es, Menschen mit Behinderungen in Werkstätten den Mindestlohn pauschal vorzuenthalten.

In der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen sind bei einem Organisationsgrad von 93 Prozent derzeit 680 Hauptwerkstätten mit 2759 Betriebsstätten organisiert.

Mit dem Bundesteilhabegesetz, das die Koalition vergangenen Dezember nach fast einem Jahrzehnt langen Vorbereitungen verabschiedet hatte, wurde die Rechtslage für Behinderte neu geordnet. Für dauerhaft voll erwerbsgeminderte Menschen mit Behinderungen sollten dabei die Weichen für mehr Wahlmöglichkeiten gestellt werden.

So werden die Beschäftigungsangebote der Werkstätten durch die Zulassung anderer Anbieter und die Einführung eines „Budgets für Arbeit“ ergänzt. Für Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen wurde das zusätzlich zum Werkstattentgelt zu zahlende Arbeitsförderungsgeld zudem von monatlich 26 auf 52 Euro erhöht. Kritiker warfen der Koalition unzureichende Schritte vor.

Quelle: dpa